Albert Bronner (1901 - 1945)
Vergebliche Hoffnung
22.04.1938 Verhaftung
14.05.1936 KZ Dachau
27.09.1939 KZ Mauthausen
08.05.1945 befreit in Mauthausen
20.06.1945 Tod in Gusen
Am 11. Mai 1945 schrieb Albert Bronner an seine Frau und seine Kinder aus Mauthausen-Gusen:
"(...) Zu eurer und meiner großen Freude kann ich euch Lieben mitteilen, wir sind frei. Ja, liebe Magda, Du kannst dir gar nicht vorstellen, was das ist und wie das ist, von solchen Bestien befreit zu sein. Ich kann euch bloß sagen, wenn der Herr, Jehova unser Gott, nicht mit uns gewesen wäre, lebendig hätten sie uns verschlungen. (...) Ich sage dir, meine liebe Magda, mein Herz will fast zerspringen, ich kann es gar nicht so zum Ausdruck bringen, wie mir ist; nach 7 Jahren mal wieder aufatmen, sich frei fühlen und bewegen können nach eigener Lust. Natürlich geht alles seinen ordnungsgemäßen Weg. Wann wir nach Hause kommen, wissen wir ja noch nicht, aber so schnell wie möglich wird's gemacht, es liegt an den Verkehrsverhältnissen, ist ja alles kaputtgemacht von diesen Bestien. (...) Ich bin körperlich ganz gut beisammen, habe, seitdem die Amerikaner das Lager übernommen, sehr gute Verpflegung und können uns somit noch gut erholen. (...)
Meine Lieben, ich habe euch ja sehr, sehr viel zu sagen, ihr werdet staunen."
Doch seine Lieben sollten nie erfahren was er ihnen berichten wollte. Es war sein letzter Brief und er kam auch nicht mehr zu ihnen zurück.
Albert Bronner kam am 12. Juli 1901 in Mahlstetten bei Tuttlingen zur Welt. Er machte eine Ausbildung zum Maschinenschlosser, heiratete Magdalena geb. Kult und zeugte mit ihr fünf Kinder, die zwischen 1921 und 1937 geboren wurden. Die Familie wohnte in Singen am Hohentwiel in der Wiesenstraße und Albert arbeitete bei der Singener Georg Fischer AG.
Am 26. April 1936 wurde Albert Bronner erstmals von Gestapobeamten festgenommen. Zusammen mit acht Glaubensgenossen wurde er später vor dem Sondergericht Mannheim der verbotenen "Betätigung für die Ziele der Ernsten Bibelforscher" angeklagt.
Im April 1938 wurde Albert Bronner erneut verhaftet, weil er sich an seiner Arbeitsstelle geweigert hatte, Rüstungsgüter zu produzieren. Ohne Gerichtsverfahren wurde er am 14. Mai 1938 durch die Gestapo Karlsruhe ins KZ Dachau (Häftlingsnummer 1410, Kategorie "Sch. Bifo") eingewiesen. Im Zuge der vorübergehenden Räumung des Lagers Dachau wurde Albert Bronner am 27. September 1939 zusammen mit rund 1600 weiteren Dachau-Häftlingen, darunter zahlreiche Glaubensgenossen, in das KZ Mauthausen überstellt. Er erhielt die Häftlingsnummer 394 und wurde zunächst im Block 9 untergebracht. Im Rahmen der dortigen Menschenversuche wurden verschiedene Impfstoffe an ihm getestet. Schließlich wurde er ins KZ Gusen überstellt, das zunächst ein Außenlager des KZ Mauthausen war. Später wurde es ein KZ mit eigener Verwaltung, gehörte aber weiterhin zum Lagerkomplex Mauthausen.
Vom 9. Februar 1943 bis 14. Januar 1945 arbeitete er dort als Zimmermann bei der SS-eigenen "Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH" (DESt).1 Von Mitte bis Ende Januar 1945 lag er im Krankenrevier. Ab 5. März 1945 war er laut seiner Häftlingspersonalkarte im Steinbruch "Wiener Graben" beschäftigt. Am 5./6. Mai 1945 wurde er in Gusen befreit.
Am 11. Mai schrieb er seiner Familie obigen Brief, danach gab es kein Lebenszeichen mehr von ihm. Zwei Dokumente bestätigen noch, dass er am 23. Mai 1945 überprüft und offiziell entlassen wurde. Am 20. Juni 1945 soll er in Gusen verstorben sein.
Im Februar 1950 bat die Dienststelle für Vermögenskontrolle und Wiedergutmachung des Finanzamtes Singen-Hohentwiel den International Tracing Service (ITS Arolsen) um eine Inhaftierungs- und Sterbebescheinigung für Albert Bronner. Der Mitarbeiter der dortigen "Certificates Section", der den Fall bearbeitete, fand Albert Bronners Namen lediglich auf einer Liste der Opfer von Mauthausen ohne Angaben zur Todesursache oder zu den näheren Umständen des Todes. Er hielt diese Liste für kein besonders vertrauenswürdiges Dokument, da es weder belegt noch von einer verantwortlichen Autorität unterschrieben war. Er bat den Chef des ITS um eine Antwort, wie mit Todesbestätigungen in solchen zweifelhaften Fällen zu verfahren sei. Die Antwort ist nicht bekannt, aber es wurde eine Sterbeurkunde ausgestellt.
Nach Aussagen der Glaubensgenossen Richard Müller und Erwin Rinker (s. Biografien), die mit Albert Bronner in Mauthausen waren, kam er im Juni 1945 ins Krankenrevier. Trotz der Behandlung durch amerikanische Ärzte sei er nach ungefähr 14 Tagen gestorben. Dass Häftlinge nach der Befreiung noch einige Zeit im Lager blieben war keine Seltenheit und hatte verschiedene Gründe. Dennoch bleiben Fragen offen, vor allem: Warum schrieb Albert Bronner seiner Familie in dieser Zeit keine weiteren Briefe ?
Fünf Jahre nach Kriegsende, am 8. Mai 1950, wurde auf dem Waldfriedhof in Singen mit einem wuchtigen Granitblock ein Gedenkstein gesetzt, der eine Ehrengrabstätte für die Opfer des Faschismus markiert. Auf dem Stein stehen die Namen der damals bekannten Singener Opfer, darunter auch Albert Bronner.
Am 14. Juli 2011 wurde ein Stolperstein für Albert Bronner, Wiesenstr. 2 in Singen verlegt.
Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt die letzte Wohnadresse von Albert Bronner, Wiesenstraße 2 in 78224 Singen am Hohentwiel.
Quellen und Literatur
ITS Digital Archive, Arolsen Archives:
1.1.26.3 Individuelle Häftlingsunterlagen Männer KL Mauthausen, Albert Bronner
Korrespondenzakte Albert Bronner T/D - 7 451
1.1.6.7 Schreibstubenkarten Dachau/ Albert Bronner
Staatsarchiv Freiburg
F 196/1 Nr. 378
Generallandesarchiv Karlsruhe
507 Nr. 2169-2176
Memorial Mauthausen (https://raumdernamen.mauthausen-memorial.org/)
Searching Dachau Concentration Camp Records in One Step (https://stevemorse.org/dachau/dachau.html)
www.stolpersteine-singen.de
Geschichtswerkstatt Singen: "Seid letztmals gegrüßt". Biografische Skizzen und Materialien zu den Opfern des Nationalsozialismus in Singen, Singen 2005, S. 19ff.
Bildnachweis: ITS Digital Archive, Arolsen Archives: 1.1.26.3 Individuelle Häftlingsunterlagen Männer KL Mauthausen, Nr. 1377160
© Text und Recherche:
Sigrid Brüggemann, Stuttgart
Stand: Juni 2021
www.kz-mauthausen-bw.de
1Im April 1938 hatte die SS-Führung das Unternehmen „Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH“ (DESt) gegründet, um in den Steinbrüchen Granitsteine vor allem für den Ausbau der "Führerstadt" Linz zu brechen und zu bearbeiten. In Mauthausen betrieb die SS einen, in Gusen drei Steinbrüche. Die „Granitwerke Mauthausen“ sollten sich in der Folge zur größten und ertragreichsten Niederlassung der DESt entwickeln.