Außenlager des KZ Mauthausen
Die überwiegende Mehrzahl der zirka 45 Außenlager des Lagerkomplexes Mauthausen wurde in der zweiten Kriegshälfte ab 1942 eingerichtet. Dies war eine unmittelbare Folge des Krieges gegen die Sowjetunion, der weit weniger erfolgreich verlief, als dies seitens der politischen und militärischen Führung geplant war, und der gegnerischen Luftangriffe. An den Fronten wuchs der Bedarf an Soldaten und Kriegsmaterial und die Rüstungsproduktion musste hochgefahren und zugleich vor Angriffen geschützt und unter Tage verlegt werden. All dem stand vielerorts ein akuter Mangel an Arbeitskräften entgegen, dem mit Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen abgeholfen werden sollte. Bis dahin mussten die Häftlinge des Lagerkomplexes Mauthausen mehrheitlich in den Steinbrüchen der SS-eigenen Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH (DESt) arbeiten.
Ende April 1942 erging seitens des SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamtes die Order, dass von nun an die Häftlinge vorrangig für Kriegsaufgaben einzusetzen seien. Im KZ Mauthausen wurde der erwünschte Funktionswandel anfangs allerdings eher zögerlich vollzogen. Er kam erst im Frühjahr 1943 richtig in Gang und wurde mit der Zeit immer bedeutender. Wer Arbeitskräfte benötigte, konnte sie bei der SS anfordern. War eine Genehmigung ergangen, wurde meist unweit des Einsatzortes ein Außenlager errichtet. Die Betriebe hatten für die Verpflegung der Häftlinge zu sorgen und der SS pro Person ein Entgelt zu bezahlen.
Was kennzeichnete ein Außenlager?
Ein wesentliches Merkmal ist die räumliche Trennung vom Hauptlager, dem die Außenlager jedoch unterstellt blieben. Die Außenlagerführer hatten die Dienstaufsicht inne, standen in der Hierarchie jedoch unter dem Schutzhaftlagerführer des Hauptlagers Mauthausen und waren diesem verantwortlich. Dasselbe traf für alle anderen Funktionsträger wie zum Beispiel den Lagerarzt zu, der dem SS-Standortarzt Mauthausen unterstellt war. Die Außenlager hatten eine eigene Bürokratie. Alle Häftlinge wurden bei ihrer Ankunft namentlich und zahlenmäßig erfasst, behielten jedoch die Mauthausener Häftlingsnummer. Es wurden eigene Totenbücher geführt, jeder Fluchtversuch und jede Verlegung registriert und die zahlenmäßige Änderung täglich dem Hauptlager Mauthausen gemeldet.
In der Regel wurden die Häftlinge zuerst in das Hauptlager Mauthausen eingeliefert, dort erstmals namentlich und zahlenmäßig erfasst, erhielten eine Häftlingsnummer und wurden dann einem Außenlager zugeteilt. Eine Ausnahme bildete lediglich das KZ Gusen I, das bis Anfang 1944 eine Art Doppellager von Mauthausen war und eigene Häftlingsnummern vergab. Zum Außenlager wurde Gusen I erst Anfang 1944.
Welchem Zweck dienten die Außenlager?
Es gab Außenlager, die von Ende 1941 bis weit ins Jahr 1944 errichtet wurden und einzig der SS von Nutzen waren, entweder einem SS-eigenen Unternehmen wie der DESt oder einer SS-Einrichtung wie der Deutschen Versuchsanstalt für Ernährung und Verpflegung GmbH. Die Zahl der Häftlinge variierte hier von fünf bis zu einigen Hundert.
Über denselben Zeitraum hinweg wurden Häftlinge im Kraftwerks-, Straßen-, und Tunnelbau eingesetzt und in örtlicher Nähe des Arbeitseinsatzes in Lagern untergebracht (Loiblpaß Nord und Süd, Dippoldsau, Ternberg). Die jeweilige Lagergröße korrespondierte mit dem Umfang der Bauvorhaben und bewegte sich zwischen 120 (Grein) und 1.800 Häftlingen (Großraming).
Die meisten und die größten Außenlager, die in den Jahren 1943 und 1944 eingerichtet wurden, dienten den Zwecken der Kriegswirtschaft, zum Beispiel der Steyr-Daimler-Puch AG oder der Messerschmitt AG. Manche dieser Lager wurden in räumlicher Nähe der Betriebe angesiedelt (Linz III, Wiener Neustadt), andere an Orten, an denen Stollen gegraben und die Produktion unter Tage verlegt wurde (Außenlager Ebensee, Gusen II, Melk). Die Lager für diesen Zweck waren die größten. Die Anzahl der registierten Häftlinge reichte von mehreren hundert (Wien-Hinterbrühl) bis zu 27.000 Häftlinge (Ebensee).
Ab Mitte des Jahres 1944 bis April 1945 entstanden Außenlager an Orten, an denen Bunker, Befestigungsanlagen und Luftschutzanlagen errichtet wurden oder umfangreiche Bombenschäden zu beseitigen waren (Amstetten, Enns, Grein). Die Häftlingszahlen dieser Lager bewegten sich zwischen 120 (Grein) und bis zu 3.000 (Amstetten).
Ende 1944 wurden Außenlager für evakuierte Häftlinge aufgebaut, zum Beispiel das Außenlager Gunskirchen, in dem bis zu 20.000 Häftlinge gezählt wurden.
Übersicht Außenlager (pdf)
Quellen und Literatur
Freund, Florian /Perz, Betrand: Konzentrationslager in Öberösterreich 1938-1945. Wien 2007.
Maršálek, Hans: Die Geschichte des Konzentrationslagers Mauthausen. Wien-Linz 1995, S. 72f.
Internetseite des Mauthausen Memorial: https://www.mauthausen-memorial.org
Bildnachweise
Außenlager am Loibl-Pass (Südlager), 1944. In: Perz, Betrand: Verwaltete Gewalt, Wien 2013, S. 160.
Konzentrationslager Gusen nach der Befreiung. Foto US Signal Corps, Mai 1945. In: Perz, Betrand: Verwaltete Gewalt, Wien 2013, S. 52.
Krematorium Außenlager Ebensee, 1945. In: Maršàlek, Hans: Die Vergasungsaktionen im Konzentrationslager Mauthausen, Wien 1988.
© Text und Recherche:
Ingrid Bauz, Stuttgart
Stand: Dezember 2021
www.kz-mauthausen-bw.de