Adolf Mehlin (1909 - 1945)
Ein forensischer Patient
06.05.1944 KZ Mauthausen
17.02.1945 KZ Gusen II
22.02.1945 Tod im KZ Gusen II
Adolf Mehlin wurde am 22. Juni 1909 in Lörrach geboren. Mit seinen Eltern und fünf Geschwistern wohnte er in der damaligen Lerchenstraße 35 a (heute Philippe-Suchard-Straße). Seit 1926 war er erwerbslos.
1932 machten sich bei ihm Symptome einer psychischen Erkrankung bemerkbar: Er lief von zu Hause weg, fühlte sich verfolgt, griff andere Menschen an, hörte Stimmen und hatte "Erscheinungen". Vom 12. November bis 2. Dezember 1932 wurde er in der Psychiatrischen Klinik Freiburg untersucht, die zu dem Befund "Schizophrenie bei Debilität" kam. Anschließend verbrachte er bis zum 11. Februar 1933 zehn Wochen in der Heil- und Pflegeanstalt Emmendingen, die ähnlich eine "Propfschizophrenie" [Kombinationen von Schizophrenie und Schwachsinn, S.B.] diagnostizierte.
Im Juni 1935 stellte die Heil- und Pflegeanstalt Emmendingen beim Lörracher Erbgesundheitsgericht den Antrag auf die Sterilisation von Adolf Mehlin wegen "Schwachsinns". Auf einem sogenannten "Intelligenzprüfungsbogen" gab er an, dass er als Kind viel krank und Bettnässer gewesen sei, Schwindelanfälle und "nie viel im Kopf" gehabt habe. Für vier Grundschuljahre habe er acht Jahre gebraucht und dann die Schule verlassen. Rechnen könne er nicht. Auf der Basis mehrerer Gutachten urteilte das Gericht schließlich, "dass Adolf Mehlin in erster Linie an angeborenem Schwachsinn leidet, also erbkrank im Sinne des Gesetzes ist" und deswegen auf der Grundlage des im Januar 1934 in Kraft getretenen Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses unfruchtbar zu machen sei. Mehlin erklärte sich schriftlich damit einverstanden, "wenn keine Schädigungen entstehen", falls doch, verlangte er, müsse der Staat natürlich "den Schaden ersetzen". Am 31. August 1935 wurde die Sterilisation im Städtischen Krankenhaus Lörrach durchgeführt.
Ob und wann Adolf Mehlin die Anstalt verlassen hat, konnte von uns nicht eruiert werden. Nach einem Artikel in der "Badischen Zeitung" ermittelte die Oberstaatsanwaltschaft Freiburg 1937 wegen Sittlichkeitsverbrechen gegen ihn. Mehlin selbst gab dazu an, "Kinder lediglich gedrückt" zu haben. Er wurde vom Landgericht Freiburg wegen eines Sittlichkeitsverbrechens zu zwei Jahren und drei Monaten Gefängnis mit anschließender zwangsweiser Unterbringung in der Heilanstalt Wiesloch verurteilt.
Um den Konzentrationslagern immer weitere Arbeitssklaven zuzuführen, griff Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei Heinrich Himmler schließlich auch auf die arbeitsfähigen forensischen Anstaltspatienten zu. Die Leitungen diverser Anstalten in Baden und Württemberg listeten zu diesem Zweck im Laufe des Jahres 1943 „abgabefähige“ Patienten auf, die dann im Frühjahr 1944 ins Konzentrationslager Mauthausen deportiert wurden. In diesem Zusammenhang kam auch Adolf Mehlin nach Mauthausen. Am 6. Mai 1944 wurde er dort wie alle forensischen Patienten als Sicherungsverwahrter (SV) kategorisiert und registriert und erhielt die Häftlingsnummer 65442. Er wurde zunächst im KZ-Außenlager Linz III und in den Wiener Saurer-Werken eingesetzt. Am 17. Februar 1945 wurde er ins KZ Gusen II in St. Georgen an der Gusen überstellt, wo unter der Tarnbezeichnung B8 Bergkristall die Untertageproduktion des Jagdflugzeugs Me 262 mit brutalsten Mitteln vorangetrieben wurde. Adolf Mehlin, der vermutlich beim Stollenbau eingesetzt wurde, überlebte die mörderischen Arbeitsbedingungen dort nur wenige Tage. Am 22. Februar 1945 starb er im Alter von 35 Jahren.
Das Totenbuch, in dem in aller Regel fiktive Todesursachen eingetragen wurden, vermerkt als Todesursache Herzmuskelschwäche und allgemeiner Körperverfall.
Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt die elterliche Wohnung, den letzten freiwilligen Wohnsitz von Adolf Mehlin, in der Philippe-Suchard-Straße (damals: Lerchenstraße) 35 in 79540 Lörrach.
Quellen und Literatur
Staatsarchiv Freiburg
G 1173-1 Nr. 728
Memorial Mauthausen
(https://raumdernamen.mauthausen-memorial.org/)
Fabian Sickenberger: Der Lörracher Adolf Mehlin stirbt als Zwangsarbeiter kurz vor Kriegsende. Badische Zeitung vom 7.5.2022
© Text und Recherche:
Sigrid Brüggemann, Stuttgart
Stand: Oktober 2023
www.kz-mauthausen-bw.de