Anton Sterk (1908 - 1943)
07.01.1943 KZ Mauthausen
30.09.1943 Tod im KZ Mauthausen
Anton Sterk wurde am 4. Juli 1908 in Mauenheim (heute ein Ortsteil von Immendingen im Landkreis Tuttlingen) geboren. Sein Brot verdiente er als Arbeiter. Am 15. November 1928 ermordete er die 10jährige Irma Sterk (ob ein Verwandtschaftsverhältnis zu Anton Sterk bestand, ist nicht bekannt) nach einem Vergewaltigungsversuch durch zwei Messerstiche in den Hals. Wegen dieser Tat wurde er im Dezember 1928 vor dem Landgericht Konstanz angeklagt, das am 19. Dezember die Erstellung eines psychiatrischen Gutachtens anordnete, um die Frage der Schuldfähigkeit zu klären. Am 27. Dezember 1928 wurde Anton Sterk vom Untersuchungsgefängnis Konstanz in die dortige Heil- und Pflegeanstalt zur Beobachtung und Beurteilung seines Geisteszustandes eingeliefert. Am 5. Februar 1929 wurde er von dort wieder abgeholt und nach Eintreffen des Gutachtens die Gerichtsverhandlung fortgesetzt.
Das Gutachten vom 7. Februar 1929 gelangte zu folgenden Befunden:
Vater und Geschwister hätten als "ordentliche, rechtschaffene" Leute gegolten, die Mutter hingegen sei streitsüchtig gewesen.
In der Schule sei Anton Sterk bereits in der ersten Klasse sitzengeblieben und auch später trotz besonderer Bemühungen des Lehrers kaum mitgekommen. Die Vorgeschichte und die psychiatrische Beobachtung ergäben zweifelsfrei, dass bei Sterk ein "gewisser Grad von angeborenem Schwachsinn" vorliege. "Charakterologisch" fände er allerdings völlig unterschiedliche Beurteilungen (von wem wird in dem Gutachten jedoch nicht angegeben). Die Einen würden ihn als "brav, willig, anstellig, fleißig, zu jeder Arbeit brauchbar" bezeichnen, Andere als "beschränkt, ungeschickt, tappig und zu keiner Arbeit, die Denken erfordert verwertbar". Allerdings ließe sich bei Sterk ein tatsächlich vorhandener Bestand an positiven Kenntnissen und Fähigkeiten feststellen: "Fleiß und Leistungen bei Verrichtung einfacher mechanischer Arbeit gehen über den Durchschnitt hinaus, aber auch komplizierteren Ansprüchen bei der Arbeit, die hier versuchsweise gestellt wurden, wurde er gerecht."
Wichtig für die Beurteilung des "Schwachsinn-Grades" sei das gute praktische "Situationsurteil" hinsichtlich seiner Lage und der Bewertung der Frage seiner Schuldfähigkeit. "Er war sich durchaus klar darüber, worauf es für ihn ankam und welche entschuldigenden Momente er für sein Verbrechen zweckentsprechend geltend machen könne; auch die Frage ob Strafe oder Anstalt, übersah er und nahm dazu in seiner Weise verständlich Stellung. In wechselnden Lagen zeigte er praktische Anpassungsfähigkeit, Konsequenz und eine gewisse Schläue."
Überhaupt könnte man das Bestehen von Schwachsinn infrage stellen, "wenn nicht die Betrachtung der Gesamtpersönlichkeit dazu führte, eben doch die angeborene Minderwertigkeit deutlich hervortreten zu lassen". Weiter ist im Gutachten die Rede von "elementaren Grunddefekten des Gefühls, des Willenlebens und der Charakterbildung". "Primitive, psychische Triebe und Regungen" hätten bei Sterk das Übergewicht, seine Gedanken- und Gefühlseinstellung sei "gänzlich egoistisch", die sozialen Gefühle nur mangelhaft entwickelt, "Gefühlskälte und Stumpfheit" lägen offen zu Tage.
Die Sexualität des zum Zeitpunkt der Begutachtung 20jährigen Sterk sei zwar "primitiv und rein animalisch orientiert", Anhaltspunkte für eine "perverse Veranlagung oder Sadismus" gäbe es aber nicht. Da seine Annäherungversuche bei Frauen erfolglos geblieben waren, habe er sich an einem schwächeren Kind befriedigen wollen. Seine Tat sei aber nicht als "Lustmord" zu bewerten, da das Motiv des Mordes die Beseitigung einer Zeugin war. Sobald sie regungslos dalag, ließ er von ihr ab und entfernte sich von der Leiche. Sterk habe die Tat aber geplant und entsprechende Vorbereitungen getroffen. Sie sei mit unmenschlicher Roheit und Gefühllosigkeit ausgeführt worden. Für seine Gefühlskälte spräche auch, das er sich nach der Tat überlegt unverdächtig verhalten habe, mit dem Vater des Opfers gesprochen, mit ihm Bier getrunken und sich an der Suche nach dem Mädchen beteiligt habe.
Das strafrechtlich relevante Fazit:
Bei Anton Sterk liege "degenerativer Schwachsinn mäßigen Grades" vor. Er habe sich aber während der Begehung der Tat nicht in einem Zustand von Bewusslosigkeit oder so "weitgehender krankhafter Störung der Geistestätigkeit" befunden, sodass die Voraussetzungen einer strafrechtlichen Unverantwortlichkeit gemäß § 51 Reichsstrafgesetzbuch nicht erfüllt seien.
In der Heil- und Pflegeanstalt hatte Anton Sterk noch gesagt, dass er im Falle einer Verurteilung mit ungefähr acht Jahren Zuchthaus rechne. Das Landgericht Konstanz jedoch folgte dem Gutachten, hielt ihn für voll schuldfähig und verurteilte ihn am 20. März 1929 wegen Mordes zum Tode. Die verhängte Todesstrafe wurde wenig später in eine lebenslängliche Zuchthausstrafe umgewandelt, die Sterk ab 6. Juni 1929 im Zuchthaus Bruchsal verbüßte.
Aus welcher Haftanstalt und aus welchen Gründen Anton Sterk dann schließlich ins KZ Mauthausen deportiert wurde, ist nicht bekannt. Er wurde dort am 17. Juli 1943 mit der Häftlingsnummer 32600 registriert. Seine Häftlingskategorie lautete "Sicherungsverwahrter" (SV), obwohl er, soweit bekannt, eine reguläre Haftstrafe verbüßte und von der Justiz keine Sicherungsverwahrung angeordnet worden war. Am 30. September 1943 ist er mit 35 Jahren im Sanitätslager des KZ Mauthausen verstorben.
Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt Anton Sterks Geburtsort Mauenheim (Immendingen).
Quellen
Staatsarchiv Freiburg
A 26/2 Nr. 366 1-6 (Untersuchungsakten des Landgericht Konstanz)
B 822/1 Nr. 4028 (Akte der Heilanstalt Konstanz)
Memorial Mauthausen
(https://raumdernamen.mauthausen-memorial.org/)
Archiv Memorial Mauthausen
Datenbankauszug vom 27.04.2023
© Text und Recherche:
Sigrid Brüggemann, Stuttgart
Stand: Februar 2023
www.kz-mauthausen-bw.de