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Arthur Schäufele

(1913-1942)

"Ein fanatischer Anhänger der kommunistischen Ideen"

 

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Schäufele_Arthur_Kislauakte
Arthur Schäufele, erkennungsdienstliche Fotoserie, GLA 521 Nr. 8591

 

 

 

 

 

 

 

19.03.1934 - 11.05.1935 Untersuchungs- und Strafhaft
14.10.1936 erneute Inhaftierung
29.11.1936 Bezirksgefängnis II Freiburg
02.12.1936 Bewahrungslager Kislau
30.12.1936 Gefängnis Mannheim
27.10.1937 Bewahrungslager Kislau
29.12.1937 KZ Dachau
27.09.1939 KZ Mauthausen
22.06.1940 Entlassung

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Schäufele_Arthur_Lebenslauf
Handgeschriebener Lebenslauf Arthur Schäufele, GLA 521 Nr. 8591

Handgeschriebener Lebenslauf:
„Arthur [unterstr. i. Orig.] Rudolf Schäufele
wurde am 11.4.13 als eheliches Kind des Eisenbahnbeamten Johann und dessen Ehefrau Maria (geb. Day) Schäufele in Saargemünd, Lothringen, geboren. Sommer 1919 verließen wir als Deutsche unsere Heimat und fanden dann in Singen a.H. wieder einen Wohnsitz. Vom 6. bis 14. Lebensjahr besuchte ich die Volksschule aus welcher ich Ostern 1927 im 7. Schuljahr entlassen wurde. Am 1. Mai 1927 trat ich bei Glasermeister Johann Woller in Singen in die Lehre und [legte] im Frühjahr 1930 als Glaser die Gesellenprüfung in Konstanz ab. In dieser Zeit besuchte ich auch die Bezirksgewerbeschule in Singen. Mein Leben wurde durch die schon damals sehr stark anwachsende Arbeitslosigkeit ausschlaggebend beeinflusst. Ich wuchs bei meinen katholischen Eltern auf, 1926 fand in der Peter- u. Paulkirche meine Erstkommunion statt. Ende 1932 trat ich aus der römisch-katholischen Kirche aus. Bin ledig, nicht verlobt, beziehe keine Unterstützung oder ähnliches und habe keine Kinder. Bei meiner Festnahme wohnte ich als Landhelfer bei Land- und Gastwirt Emil Kaiser in Worblingen im Gasthaus 'Zur Sonne'. Meine Eltern wohnen in Singen a. H., d. h. mein Vater ist am 29. Juli 1936 zu Hause gestorben, er war Eisenbahnoberladeschaffner a. D. Meine Geschwister sind Maria, Agnes, Jakob, Theresia, Fritz und Robert, meine drei Schwestern sind verheiratet.“

So weit aus Arthur Schäufeles undatierter Vita, verfasst in der Haft vermutlich in der ersten Februarhälfte 1937. Arthur Schäufele war Unterbezirksleiter des 1933 von den Nationalsozialisten verbotenen Kommunistischen Jugendverbands Deutschland (KJVD) gewesen. Am 19. März 1934 wurde er erstmals verhaftet und am 11. Dezember 1934 vom Oberlandesgericht Karlsruhe wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Nach seiner Haftentlassung arbeitete er drei Monate bei der Maschinenfabrik Fahr, musste sich dann aber zur Landhilfe verpflichten. Zuletzt war er als Landhelfer in Rielasingen-Worblingen südlich von Singen/Hohentwiel beschäftigt und verdiente monatlich 18.- RM.

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Schäufele_Arthur_SHBefehl
Schutzhaftbefehl vom 22.10.1937, GLA 521 Nr. 8591

Am 14. Oktober 1936 wurde er erneut verhaftet. Auf Ersuchen der Stapoleitstelle Karlsruhe wurde er unter staatspolizeilich angeordneter Fesselung in das Bezirksgefängnis II in Freiburg im Breisgau befördert und "mit dem planmäßigen Gefangenenwagen" am 2. Dezember 1936 als Schutzhäftling in das "Bewahrungslager" Kislau (Bad Mingolsheim im Landkreis Karlsruhe) eingeliefert. Als Grund der Inschutzhaftnahme findet sich in der Kislauer Gefangenenakte der Vermerk "Staatsfeindl. Äußerungen" und als Statusangabe "Pol. Strafgefangener - Überhaft". Er wurde in der Kislauer Abteilung für Schutzhäftlinge untergebracht und beschäftigt.

Unterdessen erhob der Oberstaatsanwalt Anklage gegen Schäufele beim von den Nationalsozialisten errichteten badischen Sondergericht Mannheim. Auf staatsanwaltschaftliches Ersuchen wurde er zum Jahresende 1936 in das Gefängnis in Mannheim verlegt. Am 21. Januar 1937 erging das Sondergerichtsurteil. Wegen kommunistischer Betätigung wurde Schäufele nun nach § 4 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28.2.1933, möglicherweise auch aufgrund des Heimtückegesetzes, wie die Gestapo juristisch unbekümmert später im Schutzhaftbefehl behauptete, erneut zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Die am 4. Juni 1937 von der Gestapo aufgehobene Schutzhaft wurde auf die Justizstrafe angerechnet, und dies, obwohl polizeilich verhängte Schutzhaft grundsätzlich nicht als "Strafe" galt. Möglicherweise wollte das Gericht an diesem Punkt doch etwas Milde walten lassen. Die Gestapo ihrerseits ließ jedoch nicht locker. Bereits zwei Wochen nach dem Urteil des Sondergerichts forderte die Stapoleitstelle Karlsruhe vom Bewahrungslager Kislau einen Führungsbericht bezüglich des Arthur Schäufele an. Das Kislauer Antwortschreiben charakterisierte ihn wie folgt: "Schäufele ist ein jugendlicher Starrkopf, der aus einem fanatischen Geltungsbedürfnis zur Opposition neigt." Seine Arbeitsleistungen seien zwar gut und seine Führung im Lager sei nicht zu beanstanden gewesen, aber hinsichtlich seiner politischen Einstellung hieß es: "Schäufele war Mitglied der kommunistischen Jugendorganisation und ist auch heute noch ein fanatischer Anhänger der kommunistischen Ideen. Die Schutzhaft hat in dieser Beziehung noch keine Wirkung auf ihn ausgeübt." Die Frage, ob eine Entlassung befürwortet werden könne, wurde mit einem klaren "Nein" beantwortet.

Aus eigener Machtvollkommenheit, aber gestützt auf diese Beurteilung, ordnete die Gestapo an, dass Schäufele "vom Zeitpunkt der Strafverbüßung, d.i. vom 22. Oktober 1937 ab" wieder in Schutzhaft zu nehmen sei. Am Strafentlassungstag sah Schäufele statt der Freiheit deshalb einen roten Schutzhaftbefehl der Karlsruher Gestapo, ausgestellt auf seinen Namen: "Schäufele muss als hartnäckiger Kommunist bezeichnet werden, der sich nach seiner Entlassung wieder erneut illegal betätigen wird." So kam er über das Gefängnis Freiburg II und das Bezirksgefängnis Müllheim mit dem bekannten "planmäßigen Sammeltransport" wiederum in das Bewahrungslager Kislau. Sein Aufenthalt dort währte etwas mehr als einen Monat. Gemäß Verfügung der Schutzhaftstelle der Gestapo Karlsruhe sollte er "mit dem nächsten Sammeltransport" dem Polizeipräsidium München zur Einlieferung in das Konzentrationslager Dachau überstellt werden. Besagter Transport ging, wie in der Personenakte des Bewahrungslagers akribisch festgehalten wurde, in Kislau am 9. Dezember um 13.41 Uhr ab. Vom Polizeipräsidium München wurde Schäufele am 28. Dezember 1937 in das KZ Dachau verbracht. Ordnungsgemäß überwies die Kislauer Anstalt Schäufeles "Restguthaben" von 25,52 Reichsmark (24,40 RM Eigengeld, 2,02 RM Arbeitsbelohnung abzüglich 60 Pf. Paketgebühr und 30 Pf. Porto) an das KZ Dachau.

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Schäufele_Arthur_ITS-Liste
Liste der Dachauer Mauthausenhäftlinge vom 28.02.1940,
Arthur Schäufele unter laufender Nummer 500 und mit handschriftlichem Entlassungsvermerk am rechten Rand,
ITS Digital Archive, Arolsen Archives 1.1.26.1 Zugangslisten Mauthausen Dok. 1319197

Schäufele, nun Dachauer Schutzhäftling Nummer 13231, wurde wegen der temporären Umnutzung des Lagers Dachau nach Kriegsbeginn per Massentransport am 27. September 1939 dem KZ Mauthausen überstellt (Häftlingsnummer 2393). Aus einem Vermerk auf einer Liste der in Mauthausen untergebrachten Dachauer Häftlinge und einer weiteren erhalten gebliebenen Aufstellung geht hervor, dass er am 22. Juni 1940 aus dem KZ Mauthausen entlassen wurde. Tatsächlich gab es im Sommer 1940 etliche Entlassungen von Häftlingen, so beispielsweise Josef Kern (siehe Biographie), der zwei Tage vor Schäufele, am 20. Juni, freigekommen war. Arthur Schäufele kehrte nach Singen zurück. Er soll dann im November 1941 zur Wehrmacht eingezogen worden und am 4. März 1942 angeblich in einem – von uns bisher nicht identifizierten - Ort namens "Grusdedwo" auf dem östlichen Kriegsschauplatz gefallen sein.

Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt 78224 Singen (Hohentwiel), Mühlenstraße 3, wo Arthur Schäufele einen Großteil seiner Kindheit und Jugend verbrachte. 2010 wurde dort für ihn ein Stolperstein verlegt. Auf dem Stolperstein findet sich kein Todesjahr und die Angabe "Todesort unbekannt".


 

Quellen und Literatur

ITS Digital Archive, Arolsen Archives
Korrespondenzakte T/D-Nr. 793624
1.1.6.2 Individuelle Unterlagen Dachau - Arthur Schäufele
1.1.6.7 Schreibstubenkarte Dachau
1.1.26.1 Zugangslisten Mauthausen – 1319116
1.1.26 Konzentrationslager Mauthausen / Listenmaterial Mauthausen, Dok. 1318145 (Entlassungsliste)

Generallandesarchiv Karlsruhe
521 Nr. 8591 (Gefangenenakte Kislau, Digitalisat online)

Staatsarchiv Freiburg
F 196/1 Nr. 12261
F 166/3 Nr. 3573

VVN-Archiv Baden-Württemberg, Stuttgart
EF 12261

N.N. (ein namentlich nicht genannter Verwandter Arthur Schäufeles): Arthur Schäufele (undatiert), auf: stolpersteine-singen.de/biografien (abgerufen Juni 2021)

 

© Text und Recherche:
Roland Maier, Stuttgart
Stand: Oktober 2021
www.kz-mauthausen-bw.de