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Ernst Teufel (1908 - 1945)

"ein schwerer Psychopath"

07.10.1936 Anordnung der Unterbringung in einer Heilanstalt
06.05.1944 KZ Mauthausen
12.01.1945 Tod im KZ Gusen

Ernst Teufel wurde am 6. Januar 1908 in Tuttlingen geboren und katholisch getauft. Er hatte eine Schwester und vier Brüder. Die Schwester starb allerdings schon in jungen Jahren. Er verdingte sich als Knecht, blieb ledig und wohnte in Hornberg im Mittleren Schwarzwald im heutigen Ortenaukreis.

Zwischen 1922 und 1935 wurde er mehrfach wegen Delikten wie Diebstahl, Hehlerei, Widerstand und Betrug zu insgesamt fünfzehn Gefängnisstrafen verurteilt. Am 25. April 1935 verurteilte ihn das Amtsgericht Tuttlingen wegen zweier "Verbrechen des Diebstahls im Rückfall" und einem "Vergehen des unbefugten Gebrauchs eines Fahrrads" schließlich zu einem Jahr und zwei Monaten Zuchthaus, die am 28. Juni 1936 verbüßt waren.

Knapp einen Monat nach seiner Haftentlassung versuchte Ernst Teufel wieder mit einem ihm nicht gehörenden Kleinkraftrad davonzufahren. Der Besitzer bemerkte dies, rannte hinterher und nahm ihm das Motorrad ab. Am 26. Juli 1936 wurde Teufel wegen dieses Diebstahlversuchs festgenommen und ins Bezirksgefängnis Wolfach eingeliefert. Am 5. August 1936 befand das Staatliche Gesundheitsamt Offenburg:
"Der Genannte [E. Teufel] ist ein schwerer Psychopath, der schon mehrfach feste Gegenstände verschluckt hat und auch schon anderweitige Selbstbeschädigungen vornahm. Da bei der geringen Beobachtungsmöglichkeit im hiesigen Bezirksgefängnis weitere derartige Unternehmungen zu befürchten sind und Teufel voraussichtlich doch einer eingehenden psychiatrischen Begutachtung bedarf, ist die Verlegung in die Krankenabteilung des Landesgefängnisses Freiburg erforderlich."

Am 6. August 1936 erfolgte seine Verlegung in die Krankenabteilung des Landesgefängnisses Freiburg. Von dort schrieb Teufel zehn Tage später einen Beschwerdebrief an die Staatsanwaltschaft Offenburg, in dem er beteuerte, er habe das Motorrad nicht stehlen wollen, sondern nur den Leuten zeigen, dass er damit fahren könne, wie er es schon öfters getan und die Zweiräder danach jedesmal zurückgegeben habe. Weil ein Bruder in einer Heilanstalt und seine Schwester an Hirnkrämpfen gestorben sei, hieße es jetzt überall, er sei "nersch" (vermutlich ist narrisch im Sinne von "verrückt" gemeint) und käme in das "Narrenhaus", aber "ich verbiete es jedem Menschen mich derart herunterzusetzen, ich bitte die hohe Stelle mich sofort laufen zu lassen, ich gehe nur heim zu meinen Eltern, [...] denn ich muß arbeiten, es hat keinen Wert in das [sic] Arrest zu sitzen und faulenzen".

Am 20. August wurde Ernst Teufel in die Heil- und Pflegeanstalt Emmendingen aufgenommen. Dort sollte auf Ersuchen des Schöffengerichts Offenburg ein psychiatrisches Gutachten erstellt werden, in dem insbesondere die Frage der Schuldfähigkeit Teufels geklärt werden sollte. Nach Beobachtung des Patienten, der Einsicht in die Strafakten sowie in anderes Aktenmaterial lautete die Expertise des Gutachters:
"1. T. ist ein nach allen Richtungen hin minderwertiger, gemeinschaftsschädlicher, mit einer ausgesprochenen Neigung zu hysterischen Reaktionen ausgestatteter, leicht schwachsinniger Psychopath.
2. Die Fähigkeit des T. das Unerlaubte seines Tuns und Lassens einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, war zur Zeit der Begehung seiner Straftat wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit in Verbindung mit Geistesschwäche erheblich vermindert (§ 51 Abs. 2 RStGB).
Die öffentliche Sicherheit verlangt die Unterbringung des T. in einer Heilanstalt gemäß § 42 b RStGB."

Am 7. Oktober 1936 wurde Ernst Teufel in der Sitzung des Schöffengerichts Offenburg wegen Diebstahls im Rückfall zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt, die durch die Untersuchungshaft bereits verbüßt waren. Damit verbunden war die Anordnung der Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt. In der Urteilsbegründung nahm das Gericht ausführlich Bezug auf das bei der Verhandlung mündlich vorgetragene Gutachten:
 "Aus einer mit Schwachsinn und Kriminalität belasteten Sippe stammend, fällt T. schon in der Schule durch Verschlossenheit und Widersetzlichkeit auf. Die ersten Diebstähle begeht er in seinem fünfzehnten Lebensjahr. Die öffentliche Erziehung in einer entsprechenden Anstalt ist nicht in der Lage, seine angeborenen Mängel zu korrigieren. Er wechselt von einer Arbeitsstelle in die andere, treibt sich in liederlicher Gesellschaft herum, beginnt zu trinken, gibt sich willenlos allen ihm begegnenden Verführungen hin und taumelt buchstäblich von einer Straftat zur anderen. [...] Die eigentliche Ursache seiner zahllosen Entgleisungen ist aber in einem Zuwenig an lebendigen sozialethischen Grundempfindungen, an höheren moralischen Leitmotiven und an sittlichen Gegenstrebungen einerseits, in einem Zuviel an überstark nach Entladung drängenden kriminellen Antrieben andererseits zu suchen. Damit vergesellschaftet ist ein leichter Grad von Verstandesschwäche, der es verhindert, dass rationelle Erwägungen den genannten unsozialen Anlagen hemmend und regulierend entgegenwirken. Das erklärt die - vom Risikostandpunkt aus gesehen - große Einfältigkeit der meisten seiner Delikte, die überhaupt nur als Augenblickshandlungen von Kurzschlusscharakter zu verstehen sind. [...] Die Erlebnisse von Untersuchungshaft, Gerichtsverfahren und Strafvollzug mobilisieren nun die anlagemäßig gegebene, bislang schlummernde Bereitschaft T.s zu hysterischen Reaktionen [Verschlucken von Gegenständen, Selbstverletzungen mit scharfen Gegenständen etc., S.B.] [...] Das verborgene Motiv ist hier wie bei der Produktion von 'Erscheinungen' der Wunsch, seelisch abnorm zu wirken und dadurch Vorteile in Bezug auf die Strafzumessung u.s.f. zu erlangen.
Das Unechte, das Übertriebene, Demonstrative, das alles seinen Verhaltensweisen und Reaktionen anhaftet [...], ist ebenso wie das hohle Pathos seiner schriftlichen Ergüsse eine typisch psychopathische Eigentümlichkeit und rundet das Bild vollends ab.
Für die Festsetzung der Gefängnisstrafe in dieser Höhe war für das Gericht maßgebend, dass diese Strafe durch die Untersuchungshaft schon verbüßt ist und der Angeklagte nunmehr sofort in einer Anstalt untergebracht werden kann; denn die Unterbringung des Angeklagten in einer Heil- und Pflegeanstalt hält das Gericht für unabwendbar. [...] Diese Unterbringung erfordert sowohl die Sicherheit der eigenen Person des Angeklagten als auch die öffentliche Sicherheit, die der Angeklagte bis zum heutigen Tage bedroht hat und davon auch in Zukunft nicht abzubringen sein wird."

Teufel wurde zurück in die Heil- und Pflegeanstalt Emmendingen gebracht. Von dort gelang ihm am 16. März 1937 die Flucht. Am 30. März 1937 schrieb er an die Anstaltsleitung, man solle ihn doch in Freiheit lassen, oder aber wenigstens in eine württembergische Heilanstalt verlegen. Dann würde er auch freiwillig zurückkommen. Der Anstaltsdirektor lehnte das Ersuchen jedoch, "schon allein aus Gründen der Anstaltsdisziplin", ab. Teufel, der im Brief angab, sich bei seinem Bruder Hans in Spaichingen aufzuhalten, müsse dort von der Gendarmerie festgenommen und in die Anstalt Emmendingen zurückgebracht werden.

Image
Teufel, Ernst, FP, HA Emmendingen
Staatsarchiv Freiburg A 43/1 Nr. 615

Allerdings konnte Teufel erst am 29. April 1937 in seinem Elterhaus festgenommen werden. Bei seiner Vorführung im Amtsgericht Tuttlingen erklärte er, dass er nur entwichen wäre, weil er nicht in einer badischen Anstalt untergebracht sein wollte. Er hätte sich teils bei Verwandten aufgehalten, teils sei er in Württemberg umhergewandert, habe in dieser Zeit aber keinerlei strafbare Handlungen begangen.
Am 13. Mai 1937 wurde er aus dem Gefängnis Bruchsal wieder in die Heilanstalt Emmendingen gebracht.

In den nächsten Jahren schrieb Ernst Teufel immer wieder, eloquent und in ausgesprochen schöner Handschrift, an verschiedene Stellen, in denen er um seine Freilassung bat. Auch gegen die jeweiligen Ablehnungen seiner Entlassung aus der Heilanstalt legte er Beschwerden ein. Die letzte Ablehnung erfolgte am 6. August 1942: "Angesichts der herrschenden Kriegsverhältnisse können wir das Entlassungsgesuch des Obengenannten nicht unterstützen. [...] Er ist auf der Abteilung jedoch als beunruhigendes Element bekannt. Vor solchen Individuen aber ist während des Krieges die Allgemeinheit doppelt zu schützen, der Zweck der Unterbringung erscheint uns daher nicht erreicht."

Am 29. Oktober 1942 wurde Teufel in die - ebenfalls badische - Heil- und Pflegeanstalt Wiesloch verlegt. Als der Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei Heinrich Himmler schließlich auch auf die arbeitsfähigen forensischen Anstaltspatienten zugriff und die Leitungen verschiedener Anstalten in Baden und Württemberg in diesem Zusammenhang im Laufe des Jahres 1943 „abgabefähige“ Patienten auflisteten, die im Frühjahr 1944 von Kripobeamten aus den Anstalten abgeholt und ins Konzentrationslager  Mauthausen deportiert wurden, war auch Ernst Teufel unter den Betroffenen. Zusammen mit weiteren forensischen Patienten aus der Heilanstalt Wiesloch (unter anderem Adolf Mehlin, Ludwig Meinzer, Reinhold Repple, Georg Höfling) traf er am 6. Mai 1944 im KZ Mauthausen ein, wurde wie alle forensischen Patienten als "SV" (Sicherungsverwahrter) kategorisiert und erhielt die Häftlingsnummer 65458.

Am 12. Januar 1945 starb er im Alter von 37 Jahren in dem zum Mauthausen-Komplex zählenden KZ Gusen.

Noch im Juli 1946 lagen der Staatsanwaltschaft Offenburg anscheinend keine Nachrichten über den Tod Ernst Teufels vor. In einer handschriftlichen staatsanwaltlichen Notiz vom 4. Juni 1946 hieß es : "Falls Teufel noch leben sollte, so wäre ein Anlaß zur neuen Überprüfung der Unterbringung doch erst gegeben, wenn er kriminell wieder in Erscheinung treten würde."

Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt Ernst Teufels letzten freiwillig gewählten Wohnsitz Hornberg im heutigen Ortenaukreis.


Quellen

ITS Digital Archive, Arolsen Archives
1.1.26.3 Individuelle Häftlingsunterlagen Männer KL Mauthausen, Ernst Teufel

Staatsarchiv Freiburg
A 43/1 Nr. 615

Memorial Mauthausen
(https://raumdernamen.mauthausen-memorial.org/)


© Text und Recherche:
Sigrid Brüggemann, Stuttgart
Stand: Mai 2024
www.kz-mauthausen-bw.de