Erwin Rinker (1915 - 2006)
Zeuge Jehovas
15.11.1937 Verhaftung in Karlsruhe
26.03.1938 KZ Dachau
27.09.1939 KZ Mauthausen
18.04.1940 Außenlager Gusen
05./06.03.1945 in Gusen befreit
Erwin Rinker wurde am 9. Februar 1915 in Leutenbach (im heutigen Rems-Murr-Kreis) als Zweitältester von insgesamt sieben Kindern geboren. Er besuchte von 1921 bis 1929 die dortige Volksschule. Anschließend arbeitete er in der elterlichen Landwirtschaft.
Erwin Rinker, der sich in gleicher Weise für die Zeugen Jehovas betätigte wie bereits der Vater und sein Bruder Christian (siehe Biografie), erhielt im Oktober 1937 die Einberufung zum Reichsarbeitsdienst (RAD). Dort verweigerte er das Anlegen der Uniform, den Hitlergruß sowie die Vereidigung auf Hitler, was ihm 21 Tage verschärften Arrest im RAD-Gefängnis Liedolsheim (Dettenheim, wahrscheinlich der Ort "Siedlung", Landkreis Karlsruhe) einbrachte. Als er auch danach die Verweigerung aufrechthielt folgte seine Verhaftung durch die Gestapo Karlsruhe. Nach vielen Verhören versuchte man ihn zur Unterzeichnung der sogenannten "Lossagungserklärung" zu bewegen, in der er seinem Glauben abschwören und sich verpflichten sollte, sich nicht mehr für die Internationale Bibelforschervereinigung zu betätigen. Als er auch dies verweigerte, verhängte die Gestapo Schutzhaft. Am 26. März 1938 wurde Erwin Rinker ins KZ Dachau (Häftlingsnummer 13713, Kategorie "Sch.Bifo") eingeliefert. Dort kam er in die Strafkompanie, wo er seinen Bruder Christian traf. Von diesem Zeitpunkt an gingen sie beide ihren Leidensweg gemeinsam bis zur Befreiung.
Zusammen wurden sie im Zuge der vorübergehenden Räumung von Dachau am 27. September 1939 mit 1600 weiteren Dachau-Häftlingen, darunter zahlreiche weitere Glaubensgenossen, in das KZ Mauthausen überstellt. Erwin erhielt die Häftlingsnummer 2240. Mit seinem Bruder Christian kam er am 18. April 1940 in das KZ Gusen, das erst ein Außenlager des KZ Mauthausen war, dann unter eigener Verwaltung stand, aber weiterhin zum Lagerkomplex Mauthausen gehörte. Hier erhielt er später die Häftlingsnummer 43337.
Nach der Befreiung durch US-amerikanische Soldaten am 5./6. Mai 1945 blieben die Brüder zunächst in Gusen. Im Juni 1945 kamen sie nach Mauthausen und am 27. Juni, als die Übernahme des Lagers durch die Sowjetarmee anstand, wurden sie mit einem Teil der sich noch dort aufhaltenden Häftlinge mit Bussen nach München gebracht. Ein paar Tage später konnten Christian und Erwin Rinker dann mit der Eisenbahn Richtung Heimat fahren. Am 3. August 1945 trafen sie in Leutenbach ein. Ehemalige Häftlingskameraden bezeugten den Brüdern Rinker später, dass sie im KZ "trotz Drangsalierungen stets eine aufrechte und vorbildliche Haltung gezeigt [hätten], ebenso war ihre sonstige Führung einwandfrei". Vermutlich war diese Haltung mit ein Grund für ihre Ladung als Zeugen durch den Untersuchungsrichter beim Landgericht Augsburg. In der Voruntersuchung zum Verfahren wegen Mordes im KZ gegen Johann Kammerer sollten sie Aussagen zu seinem Verhalten machen.
Anfang September 1946 wurde Erwin Rinker eine Soforthilfe von 700 Reichsmark bewilligt für die Anschaffung von Möbeln und Kleidung. In einem weiteren Antrag auf Wiedergutmachung wurde er als religiös Verfolgter anerkannt und bekam zunächst Entschädigungen für "Schaden an Freiheit und beruflichem Fortkommen". Es folgten weitere Entschädigungszahlungen über die Jahre, unter anderem auch für haftbedingte gesundheitliche Schäden.
Erwin arbeitete bis zu seiner Heirat mit Berta geb. Häberle im September 1948 auf dem elterlichen Hof. Danach wohnte das Paar zwei Jahre lang in Simmozheim Kreis Calw, bevor sie 1950 nach Leutenbach zurückkehrten. Erwin Rinker starb am 21. April 2006.
In dem Film "Erinnerungen an Gusen" von Dr. Christian Dürr von der Gedenkstätte Mauthausen, der Video-Interviews mit ehemaligen Gusen-Häftlingen zeigt, sind auch Sequenzen mit Erwin Rinker zu sehen.
Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt den Geburtsort von Erwin Rinker an (die damalige Adresse des elterlichen Hauses "Leutenbach Haus Nr. 90" existiert heute nicht mehr und ließ sich bisher auch nicht im heutigen Leutenbach verorten).
Quellen und Film
ITS Digital Archive, Arolsen Archives
1.1.26.3 Individuelle Unterlagen Männer Mauthausen/ Erwin Rinker
1.1.6.2 Individuelle Unterlagen Dachau/ Erwin Rinker
1.1.6.7 Schreibstubenkarten Dachau/ Erwin Rinker
Korrespondenzakte, Erwin Rinker, TD 794911
Searching Dachau Concentration Camp Records in One Step (https://stevemorse.org/dachau/dachau.html)
Archiv der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Landesvereinigung Baden-Württemberg (VVNA): Umschlag D 1116
Staatsarchiv Ludwigsburg
EL 350 I Bü 60166
online: https://www.mauthausen-memorial.org › Haeftlinge
Zeitzeugen - Gusen Memorial - KZ-Gedenkstätte Mauthausen/Erinnerungen an Gusen
Bildnachweis: ITS Digital Archive, Arolsen Archives: 6.3.3.2 / Dokument Nr. 106404051
© Text und Recherche:
Sigrid Brüggemann, Stuttgart
Stand: August 2021
www.kz-mauthausen-bw.de