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Franz Paul Erath (1913 - 1940)

„... ein tiefreligiöser, charaktervoller Mensch“

05.07.1937 Festnahme, Polizeigefängnis Welzheim
03.05.1938 KZ Dachau
27.09.1939 KZ Mauthausen
11.02.1940 Tod im KZ Mauthausen

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Franz Paul Erath,
Foto: Franz Marzari, Stadtarchiv Schramberg

Franz Paul Erath kam am 19. Dezember 1913 in Dunningen im heutigen Landkreis Rottweil als das siebte von zehn Kindern zur Welt, von denen jedoch fünf kurz nach ihrer Geburt verstorben sind. Die Eltern Anna und Franz Xaver zogen 1932 mit ihren Kindern in die Uhrenstadt Schramberg im mittleren Schwarzwald um. Der Vater war Zimmermeister, die Mutter Hausfrau. Ihrer ausgeprägten religiösen Überzeugung war es geschuldet, dass sie für den einzigen Sohn eine Priesterausbildung vorsahen und den Dreizehnjährigen in dieser Absicht 1927 zur weiteren schulischen Ausbildung in das Missionshaus der „Weißen Väter“ in Haigerloch schickten. Ab der 10. Klasse wechselte er zusammen mit seinen Mitschülern ins Ordensinternat des Gymnasium Africanum im hessischen Großkrotzenburg bei Hanau. Dort legte er im Februar 1935 erfolgreich die Reifeprüfung ab.

Die Priesterlaufbahn schlug er nicht ein, blieb jedoch eng mit der katholischen Kirche verbunden. Laut seiner Schwester beabsichtigte er, Medizin zu studieren. Dies sollte ihm verwehrt bleiben, da er noch im Frühjahr 1935 zum „Reichsarbeitsdienst“ in Oberndorf am Neckar eingezogen wurde. Im Herbst kehrte er zu seiner Familie nach Schramberg zurück und begann bei der der Uhrenfabrik Gebrüder Junghans zu arbeiten.

Ein früherer Schulkamerad erinnerte sich an ihn als den besten Rechtsaußenspieler ihrer damaligen Fußballmannschaft und als einen, der, wenn er etwas als richtig ansah, unbeirrt daran festhielt. Der damalige Kaplan und spätere Pfarrer der Heilig-Geist-Kirche in Schramberg schilderte ihn als „tiefreligiösen, charaktervollen Menschen, der häufig den Gottesdienst besuchte“.

Wie seine Mutter Anna war auch Franz Paul ein entschiedener Gegner des Nationalsozialismus. Die Mutter verweigerte die Annahme des Mutterkreuzes und hielt so wenig wie ihr Sohn mit ihrer Kritik am Nationalsozialismus hinterm Berg. Beide wurden denunziert, die Mutter von einer Mieterfamilie. Der Vorwurf, sie hätte den berüchtigten NS-Bürgermeister Fritz Arnold verleumdet, brachte sie ins Gefängnis. Franz Paul wurde vermutlich mehrfach denunziert, da er sich bei politischen Disputen in der örtlichen Gastwirtschaft und am Arbeitsplatz wiederholt kritisch zu Wort gemeldet hatte. Im Verlauf einer Debatte soll er gesagt haben, der Titel des Hitlerbuches „Mein Kampf“ enthalte einen Schreibfehler, er müsse „Mein Krampf“ lauten.

Am 5. Juli 1937 nahm die Gestapo Erath an seinem Arbeitsplatz fest. In seiner Werkschublade wurde ein Tagebuch mit Aufzeichnungen seiner Einschätzung des NS-Regimes gefunden. Die erste Haftstation war das Gefängnis in Oberndorf am Neckar, von dort kam er ins Gestapo-Gefängnis in Welzheim. Im November 1937 soll er durch das Sondergericht Stuttgart wegen Vergehens gegen das „Heimtückegesetz“ verurteilt worden sein. Angaben über das Strafmaß und einen Vollzug einer Justizstrafe finden sich in den vorliegenden Dokumenten jedoch keine. Jedenfalls kam Erath wieder in Polizeihaft nach Welzheim, und am 3. Mai 1938 veranlasste die Gestapo die Überstellung des „Schutzhäftlings“ ins KZ Dachau, wo er die Häftlingsnummer 14055 "Sch.D." (Schutzhaft Deutsch) erhielt. In einem großen Häftlingstransport am 27. September 1939 anlässlich der Räumung des KZ Dachau für Ausbildungszwecke der SS kam er in das Konzentrationslager Mauthausen. In einem Brief an seine Familie schrieb er von dort am 29. November: „Ich bin noch gesund und hoffe das Gleiche auch von Euch.“ Die Arbeit im Mauthausen-Steinbruch „Wiener Graben“ nahm ihm jedoch zweieinhalb Monate später die letzte Kraft. Beim Aufstieg auf der sogenannten „Todesstiege“, die vom Steinbruch zum Lager hinaufführte, soll er, allerdings nur mittelbar überlieferten Zeugenberichten zufolge, beladen mit einem schweren Stein, zusammengebrochen und anschließend von einem SS-Mann mit dem Gewehrkolben erschlagen worden sein. Laut Sterbeurkunde erlag er am 11. Februar 1940 um 17:40 Uhr den Folgen einer „Nierenbeckenentzündung“. Die Angaben der Todesursachen von Häftlingen wurden in Mauthausen systematisch fingiert. Erath wurde 26 Jahre alt.

Seine sterblichen Überreste wurden ins Krematorium nach Steyr überführt. Von dort erhielten die Eltern am 20. April 1940 eine Blechurne, die hinter der Friedhofskapelle auf dem Schramberger Friedhof kirchlich beigesetzt wurde. Seine Mutter Anna Erath, die den Tod ihres Sohnes nicht verkraften konnte, wurde von Sondergericht Stuttgart wegen "Heimtücke" zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.

Ein am 29. September 1946 in der Grünanlage bei der Schillerstraße/Am Mühlegraben in Schramberg eingeweihter Gedenkstein für die Opfer des Faschismus erinnert neben anderen auch an Franz Paul Erath.

Noch im Mai 1968 korrespondierte das Amt für Wiedergutmachung Rottweil mit dem Internationalen Suchdienst (ITS) in Arolsen den Fall Erath betreffend. Ende der 1970er Jahre erteilte die Stadt Schramberg den Auftrag, Biografien NS-Verfolgter Schramberger Bürger, darunter die des Franz Paul Erath, zu erarbeiten. Eine entsprechende Dokumentation erschien 1982.

Auf der Übersichtskarte ist Franz Paul Eraths Wohnadresse Falkensteinstraße 15 in 78713 Schramberg markiert.
 

Quellen und Literatur

ITS Digital Archive, Arolsen Archives
6.3.3.2 – T/D 962055 Franz Paul Erath
1.1.6.7 Schreibstubenkarte Dachau Dok. Nr. 10638367

1.1.6.1  / 9907667 Zugänge zum KZ Dachau

 

Staatsarchiv Ludwigsburg
E 311 Bü 424 (Strafsache gegen: Erath, Anna, Hausfrau, geb. 25.05.1884, wegen: Vergehen gegen das Heimtückegesetz, Prozeßbeginn: 1941)

Ingrid Bauz: Franz Paul Erath, in: Gedenkbuch für die Toten des KZ Mauthausen. Kommentare und Biografien. Wien 2016, S. 192 f.

Ursula Krause-Schmitt: Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945, Baden-Württemberg II. Frankfurt-Bockenheim 1997, S. 121.

Hans-Joachim Losch: Die KZ-Opfer des Nationalsozialismus in Schramberg. Eine Dokumentation. Schramberg 1982, S. 35-40.

Mauthausen Komitee Deutschland (MKD): Mahnen, erinnern & handeln. O.O. 2019, S. 30 (https://www.freiland-potsdam.de/uploads/d5a93087b4bd2dafe7251f186c513087.pdf).

Senioren-Union Kreis Rottweil: Aufrecht und mutig – Frauen in der NS-Zeit im Landkreis Rottweil. Rottweil 2014, S. 21.


© Text und Recherche:
Ingrid Bauz, Stuttgart 2015
Überarbeitung: Roland Maier, Januar 2023
www.kz-mauthausen-bw.de