Heinrich Weber (1885 - 1944)
Sozialdemokrat und Naturfreund
22.08.1944 Verhaftung
23.08.1944 KZ Natzweiler
06.09.1944 KZ Dachau
16.09.1944 KZ Mauthausen
25.09.1944 gestorben im KZ Mauthausen
Heinrich Weber wurde am 11. September 1885 in Freiburg geboren. Er war Sozialdemokrat, Gewerkschafter, Naturfreund und begeisterter Wanderer.
Im Jahr 1905 trat er einen dreijährigen Wehrdienst bei der Marine an. Bei dieser war er auch während des ersten Weltkriegs im Einsatz. Die Kriegserlebnisse waren prägend für seine politischen Ansichten und sein späteres politisches und kulturelles Engagement. Er war Gegner des Krieges und des Nationalismus und setzte sich für Toleranz ein. 1920 schloss er sich dem Touristenverein "Die Naturfreunde" an und war über zehn Jahre lang Vorsitzender der Singener Ortsgruppe. Seiner Initiative zu verdanken ist das zu Ostern 1928 eingeweihte Naturfreundehaus Markelfingen. Bei den Naturfreunden konnte er seine vielfältigen Interessen entfalten, seine Liebe zur Natur, seine Wanderleidenschaft, seine botanische, geologische und geographische Neugier. Objekte seiner beachtlichen Mineraliensammlung sind im badischen Landesmuseum in Karlsruhe ausgestellt.
Seit 1911 war er verheiratet mit der aus dem schweizerischen Winterthur stammenden Lydia Weber (1885-1967). Das kinderlose Ehepaar wohnte im badischen Singen am Hohentwiel, wo Heinrich Weber als Maschinist und Heizer bei der Georg Fischer AG beschäftigt war. Bis zu dem Verbot im Juni 1933 vertrat er die Sozialdemokratische Partei Deutschland (SPD) im Bürgerausschuss von Singen und zählte dort zu den namhaftesten Vertretern seiner Partei. Neben seinem politischen Engagement kämpfte er als Gewerkschafter in den Reihen der Arbeiterbewegung für mehr soziale Gerechtigkeit.
Die von den Nationalsozialisten im Jahr 1933 erlassenen Verbote sämtlicher Parteien und Organisationen der Arbeiterbewegung setzten dem breit gefächerten gesellschaftlichen Wirken von Heinrich Weber enge Grenzen. Das Verbot betraf auch den Verein „Die Naturfreunde“, und ihr Haus in Markelfingen wurde in der NS-Zeit vom Jugendherbergsverband verwaltet. Untätigkeit war jedoch nicht seine Sache. Weiterhin ging er fast jeden Sonntag zusammen mit seinen Naturfreunden auf Wanderschaft. Diese Zusammenkünfte in der Natur waren eine nunmehr selten gewordene Gelegenheit, sich zeitweilig der strengen Überwachung im Alltag zu entziehen und sich über die politische Situation auszutauschen. Und Heinrich Weber war auch entscheidend am genossenschaftlichen Bau von Siedlungshäusern im Osten von Singen beteiligt. Zusammen mit Freunden plante das Ehepaar Weber den Einzug in die Siedlung, von dem man sich, da etwas abseits gelegen, eine zumindest teilweise verringerte nationalsozialistischen Überwachung und Kontrolle erhoffte.
Eine Folge des gescheiterten Attentats des Grafen von Stauffenberg auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 war die sogenannte „Aktion Gitter“ oder "Gewitter", eine reichsweite Verhaftungswelle. Einer der Betroffenen war Heinrich Weber, den die Gestapo an seinem Arbeitsplatz abholte. Zusammen mit etwa 30 Männern aus Singen, vorwiegend Kommunisten und Sozialdemokraten, kam er auf direktem Weg in das KZ Natzweiler-Struthof im Elsass (Häftling Nummer 23348 "Politisch"). Im Aufnahmefragebogen für Häftlinge beantwortete er die Frage nach seiner Religionszugehörigkeit mit "konfessionslos", das Alter seines Vaters gab er mit "84 Jahre" und das seiner Mutter mit "79 Jahre" an".
Als sich die Alliierten Streitkräfte dem Elsass näherten, wurden die Häftlinge von Natzweiler nach und nach in das Konzentrationslager Dachau in Bayern überstellt. Am 6. September 1944 traf Heinrich Weber per Sammeltransport in diesem Lager ein (Dachau-Schutzhäftling Nummer 101617). Sein Weg ins KZ Mauthausen führte nach Angabe seines Biographen Gert Zang über das Dachauer Nebenlager Allach im Münchner Stadtteil Ludwigsfeld. Ob er, wie die meisten Häftlinge in Allach, zu Zwangsarbeit bei BMW, der Firma Dyckerhoff, oder bei der Organisation Todt herangezogen, oder gleich weiter ins KZ Mauthausen verbracht worden war, ist ungewiss. Bereits am 14. September jedenfalls wurde er von Dachau nach Mauthausen überstellt, wo er nach zwei Tagen eintraf und die Häftlingsnummer 99386 erhielt. Mit ihm auf diesem Transport von Dachau nach Mauthausen waren zahlreiche weitere "Aktion-Gewitter"-Häftlinge aus Baden. Wenige Tage nach seiner Ankunft in Mauthausen kam er am 21. September ins dortige Sanitätslager. Am 25. September 1944, gut einen Monat nach seiner Festnahme, verstarb Heinrich Weber kurz nach seinem 59. Geburtstag. Seine Urne wurde am 21. Dezember 1944 in Singen beigesetzt.
Seine Witwe bezog eine Rente; noch im Jahr 1965 war der Mitarbeiter der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), Josef Knoll, mit der Rentensache befasst.
Die Wohnsiedlung im Osten von Singen, an deren Bau er sich beteiligt hatte, wurde 1945 in Heinrich-Weber-Siedlung umbenannt; wegen der Umwidmung der Siedlung in ein Industriegebiet in den 1970er Jahren verschwand allerdings der Name. 1991 wurde der neu entstandene Platz am ehemaligen Storchenbrunnenareal in Singen nach Heinrich Weber benannt.
Auf einem 1950 von der Gemeindeverwaltung Singen auf dem Waldfriedhof errichteten Gedenkstein DEN OPFERN DES NATIONALSOZIALISMUS findet sich sein Name unter den damals bekannten Opfern aus Singen. Außerdem wurde ihm eine Wanderstrecke zu den Hegauvulkanen („Natura Trail Hegau“) gewidmet und 1988 am Naturfreundehaus in Markelfingen eine Gedenkstele für ihn errichtet. 2011 wurde im Singener Industriegebiet in der Byk-Gulden-Straße 11 ein Stolperstein zu seinem Gedenken verlegt.
Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt die Lage des Stolpersteins für Heinrich Weber in der Byk-Gulden-Straße 11 in Singen (Hohentwiel).
Quellen und Literatur
Arolsen Archives
1.1.26.3 Individuelle Häftlings-Unterlagen - KL Mauthausen - Heinrich Weber
1.1.29.2 Individuelle Häftlings-Unterlagen Natzweiler - Heinrich Weber
Staatsarchiv Freiburg
F 196/1 Nr. 1307 (EF 1307)
VVN-Archiv Baden-Württemberg, Stuttgart
WGA 326
Sabine Bade: Ausflüge gegen das Vergessen (5): Zum Naturfreundehaus Markelfingen im Gedenken an Heinrich Weber, in: Seemoz v. 20.11. 2019 (seemoz.de).
Ingrid Bauz: Heinrich Weber 1885-1944, in: Mauthausen Komitee Deutschland (MKD): Mahnen, erinnern & handeln. O.O. 2019, S. 31 f.
Gert Zang: Weber, Heinrich, in: Geschichtswerkstatt Singen (Hg.): "Seid letztmals gegrüßt". Biographische Skizzen und Materialien zu den Opfern des Nationalsozialismus in Singen. Singen 2005, S. 91-94.
Wikipedia-Personenartikel: Heinrich Weber (Gewerkschafter)
© Recherche und Text: Ingrid Bauz
Überarbeitung und Ergänzung: Roland Maier, Stuttgart
Stand: März 2023
www.kz-mauthausen-bw.de