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Karl Herzog (1888 - 1944)

Der Fluch des Geldes

04.06.1936 Anordnung der Sicherungsverwahrung
23.06.1943 KZ Mauthausen
20.10.1943 KZ Mauthausen Sanitätslager
01.02.1944 Tod im Sanitätslager


Karl Herzog wurde am 21. September 1888 in Stuttgart geboren und katholisch getauft. Der Vater war als Kassierer bei der Stadt Stuttgart angestellt, die Mutter stand als erstklassige Köchin in bestem Ruf. In einem späteren Gutachten über Karl Herzog werden die Eltern als achtbare Leute bezeichnet, die aber ihren einzigen Sohn in "unverantwortlicher Weise verzärtelt, entschuldigt und seine Streiche beschönigt" hätten.

Nach dem Besuch der Bürgerschule brachten ihn die Eltern als Banklehrling bei der Gutmann-Bank unter. Wegen einer kleinen Unterschlagung wurde er dort jedoch bald wieder entlassen. Ähnliches wiederholte sich bei der Weinhandlung Benz & Söhne, die er mehrfach schädigte, weswegen er 1903 zu sechs Wochen Gefängnis und 1904 zu vier Monaten Gefängnis verurteilt wurde. Die Eltern wussten sich nun nicht anders zu helfen, als ihn –  auf eigene Kosten –  in der Erziehungsanstalt St. Conradihaus in Schelklingen unterzubringen. Dort blieb er drei Jahre und erlernte dabei das Buchbinderhandwerk. Nach seiner Rückkehr kam er bei der Firma Leitz in Feuerbach bei Stuttgart unter bis er ab 1908 immer wieder wegen Diebstählen, Betrügereien und Unterschlagungen zu Haftstrafen verurteilt wurde.

Nach Verbüßung der letzten Strafe rückte Karl Herzog 1915 zum Militär ein. Im April 1916 wurde er zur Armeebuchhandlung im belgischen Ostende abkommandiert. Nach zwei Monaten begann er hier eingehende Geldbeträge zu unterschlagen -  insgesamt eine Summe von 800 - 1000 Mark. Er lebte damit auf relativ großem Fuß und unterhielt auch eine Beziehung zu einer Belgierin. Das Feldkriegsgericht sah in ihm nach Aufdeckung der Straftaten eine "Gefahr für die Allgemeinheit" und verurteilte ihn am 20. Dezember 1916 zu fünf Jahren Gefängnis und zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf fünf Jahre. Karl Herzog sah sich zu Unrecht so hart bestraft, er habe für alle Fehler, die in der Marinebücherei vorgekommen wären, als Sündenbock herhalten müssen, auch für die von Offizieren begangenen. Am 4. Dezember 1918 wurde ihm der Rest seiner Strafe erlassen.

Alsbald wurde er wieder straffällig. Die gestohlenen oder veruntreuten Summen wurden größer, die Gefängnisstrafen länger. Am 20. August 1921 heiratete er Gertrud Johanna, geb. Dieterle, die eine Tochter mit in die Ehe brachte. In einem Anfang Januar 1922 verfassten Lebenslauf gibt er seiner Hoffnung Ausdruck, dass ihm nun vielleicht eine Wandlung zum Besseren gelingen könne:
"... ich nehme mir immer fest vor, nicht mehr zu fehlen, ich habe selbst keine Freude an dem elenden Leben, aber ich weiss nicht was es ist, das Geld hat so eine Macht über mich bekommen, es ist wie ein Fluch auf mir, sodass ich mich vor mir selbst fürchte. Ich verliere jede Überlegung, sobald ich das Geld in Händen habe, so treibt es mich fort, ich denke gar nicht daran, dass das Geld ausgehen könnte, der Drang nach Geld ist so mächtig in mir, dass ich mir keine Rettung davor weiß. (...)  Solang ich nun auf freiem Fuß war, hat sich ein Stuttgt. [Stuttgarter] Bürgersmädchen, das ich schon länger kannte, meiner angenommen. (...) Es ist mein innigster Wunsch mit diesem Leben zu brechen, ganz neu anzufangen."

Tatsächlich blieb Karl Herzog nach der Hochzeit fast 1 1/2 Jahre straffrei. Die Familie wohnte in Stuttgart in der Militärstraße (heute Breitscheidstraße) 88 III. Ehefrau und Stieftochter verdienten ausreichend, er selbst trug mit Schreibarbeiten etwas zum Lebensunterhalt bei. Aber irgendwann erfasste ihn die alte Unrast wieder. Eine zeitlang betätigte er sich als Reiseführer bei einem Busunternehmen, dann verrichtete er nur noch Gelegenheitsarbeiten, verkehrte in den alten Kreisen und setzte seine kriminelle Karriere nach dem alten Muster fort. Durch Diebstähle und Betrügereien kam er zu größeren Summen, die er auf Vergnügungsreisen mit vollen Händen ausgab. War das Geld zu Ende, erfolgte meist die Verhaftung und eine längere Haftstrafe. Trotz allem hielt seine Frau weiterhin zu ihm und sah an ihm auch gute Seiten.

Dieser familiäre Halt, an den "er sich klammert wie ein Ertrinkender", seine gute Führung im Gefängnis, seine glaubhafte Reue und "sein allerbester Wille zur Rechtschaffenheit" wurden in mehreren Gutachten aus Strafanstalten positiv hervorgehoben und verschafften Karl Herzog immer wieder Strafresterlasse und zur Bewährung ausgesetzte Strafen. Es gelang ihm jedoch nur in einem einzigen Fall eine Bewährungsfrist straffrei durchzustehen.

Insgesamt  wies sein Strafregister 19 Vorstrafen auf und er verbrachte sein halbes Leben im Gefängnis. Schon bei seiner vorletzten Strafe 1934 war er nur knapp der Sicherungsverwahrung entgangen und im Abschlussgutachten hatte es geheißen:
"Seine Empfindungen und Vorsätze sind subjektiv echt, aber völlig wertlos. In der Freiheit würde er nach mehr oder weniger kurzer Zeit wieder seiner inneren Umgetriebenheit verfallen und der geringsten Versuchung trotz aller erlittenen Lehren (...) nicht widerstehen können. Die Sicherungsverwahrung ist für ihn auf absehbare Zeit die einzig mögliche Lebensform."

Trotz "ausgesprochen ungünstiger Prognose" kam er noch einmal frei. Am 4. Juni 1936 stand er jedoch erneut vor Gericht wegen "Betrugs im Rückfall". Diesmal stellte das Landgericht Stuttgart fest, dass es sich bei Karl Herzog um einen "gefährlichen Gewohnheitsverbrecher" nach § 42e Reichsstrafgesetzbuch (der Voraussetzung, dass ein Gericht Sicherungsverwahrung anordnen konnte) handele, und ordnete die Sicherungsverwahrung nach Verbüßung der anderthalbjährigen Zuchthausstrafe an. Herzogs Berufung wurde am 16. Juli 1936 durch die gleiche Instanz verworfen. Am 5. Dezember 1937 war seine Strafe verbüßt und er wurde in eine Sicherungsanstalt (meist eine Abteilung im Gefängnis, in das die Sicherungsverwahrten nach Strafverbüßung in den Maßregelvollzug überführt wurden) verlegt. In welche geht aus den Quellen leider nicht hervor. Am 16. Dezember 1940 erfolgte die, vermutlich erzwungene, Scheidung von seiner im öffentlichen Dienst tätigen Frau.

Im September 1942 vereinbarte Reichsjustizminister Otto Georg Thierack mit dem Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei Heinrich Himmler die schubweise Auslieferung aller Sicherungsverwahrten, die bisher der Justiz unterstanden und in den Sicherungsanstalten einsaßen, an die Polizei. In den KZ sollten sie - wie es explizit hieß - der „Vernichtung durch Arbeit“ überlassen werden. Auch Karl Herzog fiel diesem Abkommen zum Opfer. Am 23. Juni 1943 wurde er im Konzentrationslager Mauthausen als Sicherungsverwahrter "SV" mit der Häftlingsnummer 32003 registriert und in Block 17 eingewiesen. Ab 20. Oktober 1943 war er im dortigen Sanitätslager, wo er am 1. Februar 1944  im Alter von 55 Jahren verstorben ist. Das Totenbuch, in dem in aller Regel fiktive Todesursachen eingetragen wurden, vermerkt Dickdarmkatarrh und Kreislaufschwäche als Todesursache.

Image
Herzog, Karl, Todesanzeige
Todesmeldung Karl Herzog, KZ Mauthausen, DocID: 1486864

Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt  Karl Herzogs letzte Wohnadresse, Breitscheidstraße 88 (damals Militärstraße 88 III) in Stuttgart.

 

Quellen und Literatur

ITS Digital Archive, Arolsen Archives
1.1.26.3 Individuelle Häftlingsunterlagen Männer KL Mauthausen, Karl Herzog
DocID: 1486864 (Todesmeldung)

Memorial Mauthausen
(https://raumdernamen.mauthausen-memorial.org/)

Staatsarchiv Ludwigsburg E 356 d V Bü 1220, F 201 Bü 526

Jerry Brainard, Biographie Karl Herzog (https://raumdernamen.mauthausen-memorial.org/)

Wir danken Brigitte und Jerry Brainard für das aufschlußreiche Gespräche über ihren Angehörigen Karl Herzog im Februar 2016 und für die Überlassung der einschlägigen Dokumente.


© Text und Recherche:
Sigrid Brüggemann, Stuttgart
Stand: Juli 2023
www.kz-mauthausen-bw.de