Direkt zum Inhalt
« Zurück

Ludwig Meinzer

(geb. 1888)

"den größten Teil seines Lebens in Anstalten verwahrt"

 

05.09.1941 Anordnung der Unterbringung in einer Heilanstalt
06.05.1944 KZ Mauthausen

 

Image
Meinzer, Ludwig
Ludwig Meinzer, StAFr E 120/1 Nr. 3973

Ludwig Meinzer wurde am 14. März 1888 in Karlsruhe geboren und später evangelisch getauft. Die Eltern wohnten in der Schwanenstraße 7 in Karlsruhe und auch Ludwig war hier gemeldet, wenn er sich gerade in Freiheit befand.

Nach seinen eigenen Angaben litt er als Kind unter Rachitis (eine durch Vitamin-D- und Kalziummangel hervorgerufene Knochenerkrankung bei Kindern und Jugendlichen), kam im Schulunterricht nur schwer mit und wurde auch einmal nicht in die nächste Klasse versetzt. Schon in der Schule hätte er immer wieder Mitschüler und Lehrer „betrogen". 1904, mit sechzehn Jahren, erhielt er wegen schweren Diebstahls seine erste Gefängnisstrafe. Nach Verbüßung der Strafe brachte man ihn 1905/6 in den Jugendfürsorgeanstalten Schwarzacherhof und Schloss Flehingen (Oberderdingen im Kraichgau) unter.

Ludwig Meinzer begann eine Schuhmacherlehre, brach sie ab und erlernte dann das Tapezierhandwerk. Seinen Beruf übte er jedoch nicht lange aus und verdingte sich als Fabrikarbeiter oder zog als Reisender umher. Des öfteren sei er, wie es in seiner Strafprozessakte heißt, auch beschäftigungslos gewesen und zeitweise habe er stark getrunken.

Am 18. Januar 1915 wurde er wegen Geisteskrankheit entmündigt.

Immer wieder geriet er mit dem Gesetz in Konflikt, wegen Betrug (meist in Form von Zechprellerei), wegen Urkundenfälschung und Hochstapelei, und er wurde wiederholt in psychiatrische Anstalten eingewiesen: 1907 in die Heilanstalt Illenau, 1908 in die Psychiatrische Klinik Heidelberg, 1909 in die Psychiatrische Klinik Freiburg. In der Heil- und Pflegeanstalt Wiesloch (südlich von Heidelberg) war Ludwig Meinzer mit kurzen Unterbrechungen, bedingt durch Flucht oder versuchsweise Entlassungen, von Ende April 1911 bis Ende Oktober 1926 untergebracht. Danach folgten nach ähnlichem Muster vier Zwangsaufenthalte in der Heil- und Pflegeanstalt Emmendingen. Die letzte währte vom 18. Juli 1930 bis 10. Dezember 1940, also über zehn Jahre ohne Unterbrechung. Dem war vorausgegangen, dass er sich schon kurze Zeit nach seiner Entlassung am 15. Mai 1930 wieder als Hochstapler fremdes Eigentum erschwindelt und in größerem Stil Zechprellerei begangen hatte. Ende Juni 1930 war er deswegen in Untersuchungshaft und anschließend wieder in die Anstalt nach Emmendingen gekommen.

Ende 1940 wurde er noch einmal versuchsweise aus der Anstalt entlassen, legte aber  schnell wieder sein altes Verhaltensmuster an den Tag und kam erneut in Untersuchungshaft. Diesmal forderte der Oberstaatsanwalt beim Landgericht Karlsruhe ein fachärztliches Gutachten von der Heilanstalt Emmendingen an, insbesondere auch hinsichtlich der Frage, ob bei Ludwig Meinzer die Voraussetzungen zur Anwendung des § 42 b Reichsstrafgesetzbuch (dauerhafte Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt) gegeben wären. Daraufhin gab der Anstaltsoberarzt, Medizinalrat Dr. Ehrismann, am 21. Juli 1941 eine Stellungnahme ab, die eine dauerhafte anstaltliche Verwahrung Ludwig Meinzers befürwortete.
Der Arzt berief sich darauf, dass Meinzer "den größten Teil seines Lebens in Anstalten verwahrt" gewesen sei, er ihn in der Anstalt lange Jahre habe beobachten können, und sich zudem sein Urteil im Wesentlichen mit einer früheren Expertise des Medizinalrats Dr. Schretzmann vom Staatlichen Gesundheitsamt Karlsruhe decke. Ehrismann konstatierte:

"Meinzer ist in der Tat ein haltloser Psychopath, ein unverbesserlicher Lügner und Schwindler, der sich, sobald er sich im freien Leben befindet, großmannssüchtig aufspielt. Mit verblüffender Überrumpelungsgabe erlangt er immer wieder, wie sich auch jetzt erneut gezeigt hat, Vorteile von seinen Mitmenschen. Für die ihm zur Last gelegten Straftaten empfindet er keine Reue. Er hat für sie auch kein tiefgreifendes Verständnis. Meinzer besitzt ein gutes Gedächtnis und kann wegen seiner Redegewandtheit und seinem selbstbewussten Auftreten bei oberflächlicher Kenntnis seiner Person geistige Gesundheit vortäuschen. Er ist aber, wie sein ganzes Leben beweist, ein moralisch minderwertiger Psychopath, dem die Fähigkeit abgeht, sich selbst auch nur einigermaßen richtig beurteilen zu können. [...] Meinzer war und ist, wie er auch neuerdings wieder gezeigt hat, infolge seiner Haltlosigkeit und Geltungssucht, wenn man ihn sich selbst überlässt, unfähig, ein auch nur einigermaßen geordnetes Leben zu führen. Er ist außerstande, sich außerhalb einer Anstalt auch nur kurze Zeit straffrei zu halten. Infolge dieser abartigen Veranlagung, die so hochgradig ist, dass sie einer Geistesschwäche gleichzusetzen ist, kann er seine Beteuerungen und Versprechen, ein nützliches Glied der menschlichen Gesellschaft zu werden, nicht einhalten. Das ganze Leben Meinzers bildet, sobald er sich in der Freiheit befindet, ein fortgesetztes Versagen. Ein letzter Versuch, Meinzer aus der Anstalt zu entlassen, der Mitte Dezember 1940 gemacht wurde, ist voll und ganz gescheitert."
Abschließend hieß es, ganz in nationalsozialistischer Diktion: "Auch der ärztliche Gutachter hat mit allem Nachdruck dafür Sorge zu tragen, dass die gesunde Volksgemeinschaft vor einem kranken Einzelindividuum, das, wie Meinzer, unfähig ist, sich der Allgemeinheit nutzbringend einzufügen, geschützt wird." Der Gutachter kam zu dem Schluss, dass die öffentliche Sicherheit die Rückverbringung des Meinzer in eine Heilanstalt erfordere. Die Voraussetzungen des § 42 b RStGB seien bei dem Betreffenden gegeben.

Am 5. September 1941 ordnete die Strafkammer II des Landgerichts Karlsruhe seine Unterbringung in einer Heilanstalt an und er kam in die Heil- und Pflegeanstalt Wiesloch. Von dort gelang ihm später (zu einem nicht bekannten Zeitpunkt) noch einmal die Flucht. Am 27. Februar 1943 wurde er jedoch im Freiburger Gerichtsgefängnis in Untersuchungshaft genommen wegen des Vorwurfs des Betrugs und seiner Flucht aus der Anstalt. Am 5. März 1943 brachte man ihn zurück nach Wiesloch.

Um den Konzentrationslagern immer weitere zusätzliche Arbeitssklaven zuzuführen, griff Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei Heinrich Himmler schließlich auch auf die arbeitsfähigen forensischen Anstaltspatienten zu. Die Leitungen verschiedener Anstalten in Baden und Württemberg listeten in diesem Zusammenhang im Laufe des Jahres 1943 „abgabefähige“ Patienten auf, die im Frühjahr 1944 ins KZ Mauthausen deportiert wurden. Am 6. Mai 1944 wurden mehrere Patienten aus der Anstalt Wiesloch im KZ Mauthausen als Sicherungsverwahrte ("SV") registriert, darunter Ludwig Meinzer. Er erhielt die Häftlingsnummer 65443.

Am 5. Juni 1944 wurde er in das KZ-Außenlager Linz III überstellt. Das Außenlager Linz III bestand seit 26. Mai 1944, um den beiden Tochterfirmen der Reichswerke Hermann Göring, Eisenwerke Oberdonau und Stahlbau GmbH, Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen. Die Häftlinge wurden vor allem in der Panzerproduktion eingesetzt. Einen Monat später, am 4. Juli, kam er ins Krankenrevier im Stammlager Mauthausen. Ein weiterer Revierzugang ist für den 26. Oktober 1944 vermerkt. Weiteres ist über sein Schicksal nicht bekannt.

Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt ungefähr die Lage von Ludwig Meinzers elterlichem Wohnhaus in der damaligen (heute nicht mehr existenten) Schwanenstraße 7 in Karlsruhe.


Quellen

ITS Digital Archive, Arolsen Archives
1.1.26.3 Individuelle Häftlingsunterlagen Männer KL Mauthausen, Ludwig Meinzer

Staatsarchiv Freiburg
B 821/2 Nr. 9856 (Heilanstalt Illenau)
B 882/1 Nr. 444 (Gesundheitsamt Emmendingen)
E 120/1 Nr. 3973 (Heilanstalt Emmendingen)
G 701/2 Nr. 2152 (Justizvollzugsanstalt Freiburg)

Generallandesarchiv Karlsruhe
309 Nr. 2088 (Strafprozessakte)
520 Zugang 1981-51 Nr. 7268 (JVA Karlsruhe)
484-1 Nr. 1800 (Flehingen)

Archiv Memorial Mauthausen, Datenbankauszug vom 27.04.2023

 

© Text und Recherche:
Sigrid Brüggemann, Stuttgart
Stand: Dezember 2023
www.kz-mauthausen-bw.de