Willy Lazar Auerbach (1919 - 1941)
Sohn des Stuttgarter Stadtrabbiners
09.11.1938 – 15.12.1938 Gestapogefängnis Welzheim
Juni 1941 Verhaftung in Amsterdam
18.09.1941 gestorben im KZ Mauthausen
Willy (auch: Willi) Lazar Auerbach wurde am 30. August 1919 in Elbing/Elblag in Ostpreußen geboren. Die Mutter war Hedwig Auerbach, geborene Perl (gestorben 1984). Der Vater, Dr. Heinemann Auerbach (geboren am 21. November 1880 in Konin (Polen), gestorben 1959) war bis 1925 Rabbiner im ostpreußischen Elbing und von 1929 bis 1939 Stadtrabbiner in Stuttgart. Willy Lazar war das einzige Kind der Familie, die in Stuttgart in der Seestraße 41 im ersten Stock und anschließend in der Vorsteigstraße 17 lebte.
In Stuttgart besuchte Willy Lazar Auerbach das von - dem ebenfalls später im KZ Mauthausen umgekommenen - Julius Baumann geleitete Sporttraining an der Jüdischen Schule. In die Lehre ging er bei der Standard Fahrzeugfabrik Wilhelm Gutbrod (später: Bauknecht Motorenbau) in Plochingen. Während seiner ordnungsgemäßen Lehrzeit vom 1. November 1935 bis zum 31. Oktober 1938 als Mechaniker – eine für einen Rabbinersohn durchaus nicht selbstverständlich erscheinende Berufswahl – wurde er sowohl in Schraubstockarbeiten als auch an der Drehbank und Schleifmaschine ausgebildet. Wie es in seinem Abschlusszeugnis hieß, war er „seiner Vorbildung entsprechend“ zuletzt als Assistent des Betriebsleiters und in der Einkaufsabteilung beschäftigt,
Beim Novemberpogrom 1938 wurde Willy Lazar Auerbach zusammen mit seinem Vater in das Gestapogefängnis Welzheim verschleppt. Der Vater blieb etwa vier Wochen, der Sohn weitere zwei bis vier Wochen dort. Die relativ frühe Haftentlassung dürfte darauf zurückzuführen sein, dass die Familie sich angesichts des Gestapoterrors zur Auswanderung aus Deutschland entschlossen hatte. Die Devisenstelle beim Oberfinanzpräsidenten verfügte, dass ein Teil der im Umzugsgutverzeichnis aufgeführten Gegenstände nicht mitgenommen werden durften, sondern der Städtischen Pfandleihe zu verkaufen waren. Am 27. Februar 1939 übergab daher Willy Lazar Auerbach der Pfandleihanstalt Stuttgart A.G. folgende Gegenstände zum Ankauf: sechs Becher, ein Zigarettenetui, eine goldene Herrenuhr, eine Goldkette, eine Kamera und eine Briefmarkensammlung. Den nach Gebührenabzug erhaltenen „Erlös“ von 204,30 Reichsmark musste er schriftlich bestätigen.
Jedoch emigrierte Willy Lazar Auerbach nicht zusammen mit den Eltern in die USA, weil diese laut späterer Angabe ihres Rechtsanwalts aus der Besorgnis heraus, er könne nochmals inhaftiert werden, ihn vorerst in die Niederlande zu nahen Angehörigen geschickt hatten. Aus diesem Grund aber konnte anscheinend das elterliche Visum nicht auf ihn ausgedehnt werden, und die Eltern verließen Europa ohne ihren Sohn. Von Statendam in den Niederlanden kommend setzen sie am 5. September1939 von Rotterdam nach New York über und ließen sich in Saginaw (Michigan, USA) nieder. Willy Lazar blieb in den Niederlanden zurück.
Am 15. Mai 1941 wandte sich das Stuttgarter Vorstandsmitglied der Jüdischen Kultusvereinigung Württemberg, Theodor C. Hirsch, wegen des Wunsches der Eltern, ihren Sohn in die USA nachkommen zu lassen, an das US-Konsulat in Rotterdam. Doch zog sich die Angelegenheit hin, weil der dortige US-Konsul offenbar wenig Entgegenkommen zeigte. Im Juli 1941 beschränkte die US-Regierung die Einwanderung von Flüchtlingen und schloss ihr Konsulat. Und die deutschen Besatzungsbehörden in den Niederlanden verweigerten die Ausreise, wenn kein Visum aus dem aufnehmenden Staat, in diesem Fall also den USA, vorlag.
Willy Lazar Auerbach lebte zuletzt in Amsterdam im Stadionweg 109, eine Adresse, unter der weitere jüdische Personen gemeldet waren. Im Juni 1941 wurde er zusammen mit zahlreichen anderen jungen Juden von der Gestapo in Amsterdam festgenommen und wenige Tage später in das KZ Mauthausen deportiert. Wahrscheinlich erfolgte die Deportation in einem Transport mit 291 „holländischen“ Juden aus dem Polizeilichen Durchgangslager Schoorl bei Amsterdam, der am 25. Juni in Mauthausen eintraf. Dort wurde er als Häftling Nr. 701 „Jude“ immatrikuliert. Er starb im KZ Mauthausen im Alter von 22 Jahren am 18. September 1941 - angeblich an „Herzklappenfehler ak. Herzschwäche“. Da am selben Tag weitere jüdische Häftlinge im KZ Mauthausen als seriell verstorben registriert wurden, erscheint es wahrscheinlich, dass er gezielt ermordet wurde.
Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt die Wohnung der Rabbinerfamilie Auerbach in der Seestraße 41 in Stuttgart.
Quellen und Literatur
ITS Digital Archive, Arolsen Archives
Korrespondenzakte T/D 744002
Staatsarchiv Ludwigsburg
EL 350 I Bü 23899
FL 300/33 I Bü 1094, 2859, 2860, 2861, 2862
www.joodsmonument.nl
Katja Happe: Viele falsche Hoffnungen. Judenverfolgung in den Niederlanden 1940-1945. Paderborn 2017.
Paul Sauer: Die Schicksale der jüdischen Bürger Baden-Württembergs während der nationalsozialistischen Verfolgungszeit 1933 – 1945. Stuttgart 1969.
© Recherche und Text:
Roland Maier, Stuttgart
Stand: August 2020
www.kz-mauthausen-bw.de