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Adolf Kühnle (1914 - 1940)

Hisste vor der elterlichen Wohnung die rote Fahne

01.05.1933 bis 01.08.1933 KZ Heuberg
24.11.1935 Festnahme an der Schweizer Grenze
09.04.1936 bis 28.02.1937 Gefängnis Welzheim
29.02.1937 (oder 09.04.1937) KZ Dachau
27.09.1939 KZ Mauthausen
16.03.1940 Tod im KZ Mauthausen

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Kühnle_Adolf VVNA
Adolf Kühnle, Foto: VVN-Archiv Stuttgart, A 24

Adolf Kühnle, geboren am 29. Juni 1914 in Stuttgart, war 1932 der Kommunistischen Partei Deutschland (KPD) beigetreten und engagierte sich im „Kampfbund gegen den Faschismus“ und in der Gefangenenhilfsorganisation „Rote Hilfe“. Er wohnte noch bei seinen Eltern in Eltingen, einem heutigen Teilort der Stadt Leonberg bei Stuttgart, und arbeitete als Schreiner. Da sein Vater Vollinvalide und nicht mehr arbeitsfähig war, trug er maßgeblich zum Lebensunterhalt seiner Eltern bei. Nach späteren Angaben seiner Mutter war er in seinem Heimatort „bei allen Antifaschisten beliebt, bei den Nazis verhasst“. Als er am 1. Mai 1933 an der elterlichen Wohnung eine rote Fahne gehisst hatte und vom Bahnhofssekretär in Eltingen denunziert worden war, wurde er sofort verhaftet und ins Gefängnis nach Stuttgart verbracht. Wenige Tage später kam er für knapp drei Monate in das Schutzhaftlager Heuberg bei Stetten am Kalten Markt. Das Amtsgericht Leonberg verurteilte ihn am 19. Mai 1933 in Abwesenheit wegen des Hissens der roten Fahne zu einem Monat Gefängnis. Dem Strafantritt entzog er sich nach der Entlassung aus der Schutzhaft durch Flucht in die Schweiz. Dort nahm er Verbindung zur politischen Emigrantenszene auf und war fortan als Kurier unterwegs. Seine illegale Tätigkeit führte ihn zurück ins Deutsche Reich, wo er im Spätherbst 1933 und im Februar 1934 kurzfristig in Haft war. Als er sich später dem republikanischen Widerstand gegen das Franco-Regime in Spanien anschließen wollte, wurde er am 24. November 1935 beim Grenzübertritt in die Schweiz festgenommen und in Donaueschingen inhaftiert. Am 7. Januar 1936 wurde er vom Amtsgericht Donaueschingen wegen Passvergehens und Diebstahl eines Fahrrads zu vier Monaten Gefängnis verurteilt. Nach der Strafverbüßung ordnete auf Antrag des Bezirksamts die Gestapo Schutzhaft für ihn an. Im April 1936 wurde er in das Polizeigefängnis nach Welzheim überführt und im Februar (nach anderen Angaben: April) 1937 weiter in das Konzentrationslager Dachau überstellt. Dort war er Häftling Nummer 12016 "Sch. 2 x KL" (zum zweiten Male im KZ) und musste als aus politischen Gründen Inhaftierter den roten Winkel tragen. Zweimal wurde er in Dachau mit jeweis dreitägigem "Kommandanturarrest" bestraft. Im Zusammenhang mit der zeitweiligen Umnutzung des Lagers Dachau für Ausbildungszwecke der SS erfolgte im September 1939 seine Verlegung in das Konzentrationslager Mauthausen. Adolf Kühnle war 25 Jahre alt, als er am 16. März 1940 im KZ Mauthausen starb.

Ein Mithäftling, Wilhelm Hilsenbeck, der im KZ Adolfs Stubenältester war, schrieb im Dezember 1949, Adolf sei ein „strenger Gegner des Dritten Reichs“ geblieben, sei nie zum Verräter an seinen Kameraden geworden und im KZ Mauthausen den Hungertod gestorben.

Im Wiedergutmachungsverfahren nach dem Krieg versuchte die Staatsanwaltschaft Stuttgart IV, die im Auftrag des Justizministeriums, Abteilung Wiedergutmachung, die Überprüfung auf Berechtigung von Wiedergutmachungsansprüchen durchzuführen hatte, Adolf Kühnle politische Motive für sein Handeln und für seine NS-Verfolgung abzusprechen. So heißt es in einem Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 23. September 1949, Kühnle sei „sechsmal kriminell vorbestraft“. Kühnle und „sein jugendlicher Komplize Sch., denen es zu Hause nicht mehr gefallen hatte, hatten den Entschluss gefasst, nach der Schweiz durchzubrennen, um von dort aus mit Hilfe von Freunden nach Abessinien zu gelangen. Zu diesem Zweck beschafften sie sich ein zweites Fahrrad (gestohlen in Stuttgart) und haben ihre elterliche Wohnungen in Eltingen am 22.11.1935 heimlich verlassen. Ihren Entschluss konnten sie durch die frühzeitige Verhaftung am 24.11.1935 nicht mehr durchführen. Damit dürfte erwiesen sein, dass die Verurteilung und die spätere Überstellung des K. [Kühnle] in das Schutzhaftlager nicht aus politischen Gründen, sondern wegen seiner vielen kriminellen Vorstrafen erfolgte (...). Seine Verbringung ins Schutzhaftlager ist im Anschluss seiner Strafverbüssung wegen eines kriminellen Deliktes erfolgt. Ein wiedergutmachungsberechtigter Tatbestand liegt nach diesseitiger Auffassung demnach nicht vor.“ Gez. Ferber (Staatsanwalt).

Und Staatsanwalt Ferber schreckte im selben Schreiben nicht davor zurück, seine Beurteilung mit der in einem Polizeibericht vom 7. September 1933 getroffenen lakonischen Feststellung zu untermauern: „Kühnle ist ein Tunichtgut“. Ein staatsanwaltschaftlicher Rückgriff auf die NS-Zeit, der die verbreiteten Zweifel am Erfolg der „Entnazifizierung“ der Justizbehörden zu bestätigen scheint. Auch ist daran zu erinnern, dass es das Zusammenspiel von Polizei, Justiz und SS war, das dem Widerständler Kühnle sein junges Leben gekostet hat.

Zwar wurden 17 Jahre nach Adolf Kühnles Tod wegen Schadens an Freiheit 1500.- DM und wegen „Schaden im beruflichen Fortkommen“ 691.- DM ausbezahlt. Aber ein Antrag auf Bewilligung einer Elternrente wegen Schaden an Leben wurde am 31. Mai 1960 richterlich abgewiesen.

Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt Adolfs Kühnles Wohnadresse in 71229 Leonberg-Eltingen.


Quellen und Literatur

ITS Digital Archive, Arolsen Archives

1.1.6.7 Schreibstubenkarte Dachau - Adolf Kühnle
6.3.3.2 Korrespondenzakte T/D – 110801

Staatsarchiv Ludwigsburg
EL 350 I Bü 180
FL 300/33 I Bü 4311

Searching Dachau Concentration Camp Records (https://stevemorse.org/dachau/dachau.html)

Mauthausen Komitee Deutschland: mahnen, erinnern & handeln. Eine Broschüre des Mauthausen Komitee Deutschland. O.O. 2019, S. 28 f.


© Text und Recherche:
Roland Maier, Stuttgart
Stand: Juni 2022
www.kz-mauthausen-bw.de