Direkt zum Inhalt

Häftlingskategorien und Häftlingsgruppen

Die Einweisungsbefugnisse, die Bestimmung der Lagerstufe für die Häftlinge sowie eine eventuelle Entlassungsanweisung lagen bei der Gestapo (Reichssicherheitshauptamt (RSHA) Abt. IV)  und bei der Kriminalpolizei (RSHA Abt. V). In jedem Konzentrationslager war eine von der zuständigen Gestapo-Leitstelle geleitete Politische Abteilung, die mit Gestapo- oder Kripobeamten sowie Häftlingslagerschreibern besetzt war. Zum Aufgabenbereich der Politischen Abteilung gehörte die Registrierung der Häftlinge bei deren Einweisung, Entlassung, Verlegung, Flucht oder Tod. Es wurden Häftlingsakten angelegt, die Porträtaufnahmen, Personenbeschreibungen, Lebensläufe und Fingerabdrücke enthielten. Neben der Registrierung und Verwaltung des „Häftlingsbestandes“ war diese Abteilung auch zuständig für Vernehmungen der Häftlinge, für die Bekämpfung und Bestrafung von Sabotage, für die Unterbindung von Fluchten und Kontakten zur Außenwelt, für die Verhinderung der Entstehung von Widerstandsstrukturen sowie für die Korrespondenz mit den Gestapo- und Kriminalpolizeileitstellen und dem RSHA. Todesfälle beurkundete die Politische Abteilung in ihrem lagereigenen Standesamt und meldete sie der einweisenden Behörde.

Registrierung und Kennzeichnung der Häftlinge

Die Personalien und weitere Daten der Häftlinge wurden in der Regel unmittelbar nach ihrer Ankunft in der Lagerschreibstube erfasst. Außerdem erhielten sie ihre Häftlingsnummer, mit der sie sich fortan zu melden hatten. Meldungen und Bitten  mussten Häftlinge grundsätzlich auf deutsch vorbringen, was für viele ausländische Häftlinge, die diese Sprache nicht beherrschten, eine gravierende Benachteiligung bedeutete.

Die Kategorisierung erfolgte nach der Erhebung der persönlichen Daten des Häftlings durch die Häftlingslagerschreiber, wurde von der Politischen Abteilung aber stets überprüft und gegebenfalls geändert. Änderungen der Haftkategorie und Personendaten durfte ausschließlich die Politische Abteilung vornehmen. Nach der Kategorisierung kennzeichnete die Lager-SS den Häftling mit einem der Kategorie entsprechenden farbigen Dreieck, dem sogenannten "Winkel".

Die Winkel mussten sichtbar auf der Häftlingskleidung getragen werden. So war sofort der dem jeweiligen Gefangenen zugeschriebene Status zu erkennen und entsprechend war die Behandlung, der Grad der Terrorisierung durch die SS, die Qualität der Unterbringung oder die Aussicht auf einen privilegierten Posten im Lagerbetrieb. Zudem schürte die SS Rivalitäten zwischen den verschiedenen Häftlingsgruppen. Die Kategorisierungen bestimmten in einem hohen Grade die Überlebenschancen.

Nach Kriegsbeginn wurden massenweise Menschen aus den von der Wehrmacht besetzten Gebieten ins Lager Mauthausen deportiert. Die KZ-Häftlinge mussten nun neben der Haftkategorie auch Zeichen ihrer nationalen Herkunft sichtbar auf der Kleidung tragen. Aufgrund der rassistischen Ideologie der Nationalsozialisten waren die Überlebenschancen von Häftlingen aus dem slawischen Raum wesentlich schlechter als die von Nordeuropäern. Kriegsgefangene aus der Sowjetunion hatten nur minimale Aussichten, die Lagerhaft zu überleben. Durch zahlenmäßig relevante Zu- und Abgänge konnte sich die Behandlung der jeweiligen Häftlingsgruppen aber auch ändern. Immer wieder berichteten Häftlinge, dass  Neuankömmlinge die Rolle des "Blitzableiters" bei den Misshandlungen durch die Lager-SS übernehmen mussten und bisherige Lager-Parias daraufhin eine etwas weniger grausame Behandlung erfuhren. Während beispielsweise Häftlinge aus der Gruppe der vor Franco geflohenen republikanischen Spanier zunächst häufig gezielt ermordet wurden, stiegen sie nach dem Eintreffen neuer, noch stärker angefeindeter Häftlingsgruppen in der Lagerhierarchie deutlich auf und ihre Mortalitätsrate sank erheblich. Neben anderen Faktoren spielten also auch die Nationalität und der Einlieferungszeitpunkt eine wesentliche Rolle hinsichtlich der Überlebenschancen.

Frauen

Die ersten Frauen, die ins KZ Mauthausen eingegliedert wurden, waren diejenigen, die im Lagerbordell arbeiten mussten. Auf Befehl des Reichsführers SS Heinrich Himmler wurde im Juni 1942 ein Häftlingsbordell als "Belohnung" für besonders gut arbeitende Häftlinge und als "Vergünstigung" für Funktionshäftlinge eingerichtet. Die dafür vorgesehenen Frauen - in der Regel waren es zehn - wurden im Frauen-KZ Ravensbrück rekrutiert. Sie sollten "volljährig, gesund und einigermaßen hübsch sein und schon früher nachweislich gewerbliche Unzucht [Prostitution] betrieben haben."1 Waren es zu wenige, die sich freiwillig meldeten, wurden weitere vom Ravensbrücker Lagerarzt ausgewählt. Die größtenteils deutschen oder österreichischen Frauen bekamen während ihrer Arbeit im Bordell bessere Verpflegung und ein Viertel der 2 Reichsmark, die die Häftlinge für einen Bordellbesuch zu zahlen hatten. Nach Beendigung der Sex-Zwangsarbeit wurden die Frauen ins KZ Ravensbrück rücküberstellt.

In der Zeit von 1942 bis Mitte 1944 kamen immer wieder kleinere oder größere Transporte mit Frauen aus den von der Wehrmacht besetzten Gebieten nach Mauthausen. Alle wurden nach kurzer Zeit exekutiert oder in andere Lager überstellt. Erst Mitte September 1944 wurde das „Frauen-Konzentrationslager Mauthausen“ institutionalisiert und für Frauen eine eigene Nummernserie eingeführt. Bis zum Ende dieses Jahres kamen die weiblichen Häftlinge in der Regel in Außenlager wie St. Lambrecht und Mittersill, wo sie in der Landwirtschaft und im Hauswirtschaftsbereich eingesetzt wurden. Ab Anfang 1945 brachte die SS Frauen auch im Hauptlager unter, rund 7.000 Frauen aus anderen Lagern und mit ihnen mehrere hundert Kinder wurden nach Mauthausen überstellt. Mehr als die Hälfte, darunter die meisten Kinder, schickte die SS nach kurzer Zeit in das KZ Bergen-Belsen weiter. Die in Mauthausen Verbleibenden wurden – getrennt von den Männern – in qualvoller Enge und kaum noch verpflegt im Häftlingslager, im Sanitätslager sowie in einer Baracke im Steinbruch „Wiener Graben“ untergebracht.

Insgesamt durchliefen etwa 10.000 Fauen den Lagerkomplex Mauthausen, aber nur rund 3.000 von ihnen wurden offiziell registriert.

Kinder und Jugendliche

Im August 1940 traf die erste größere Gruppe Jugendlicher im Alter von 13 bis 18 Jahren im Lager ein. Es waren Angehörige der in französischen oder deutschen Kriegsgefangenenlagern internierten republikanischen Spanier. Ab 1943 wurden zahlreiche polnische und sowjetische Jugendliche eingewiesen, die in den besetzten sowjetischen Gebieten als Arbeitskräfte zwangsrekrutiert und zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert worden waren.

Anfang 1943 befanden sich im Bereich des Stammlagers Mauthausen ca. 2.400 Häftlinge im Alter bis zu 20 Jahren; zwei Jahre später waren es in derselben Altersgruppe bereits 13.849. Bis zum 31. März 1945 stieg ihre Zahl auf 15.046 an. Im April 1945 kamen mehrere hundert statistisch und namentlich nicht mehr erfasste ungarische Jungen und Mädchen ab sechs Jahren ins Lager Mauthausen.2

1941-1943 wurden die allermeisten der Jugendlichen im Arbeitskommando "Steinmetzlehrlinge" in den Steinbrüchen von Mauthausen und Gusen eingesetzt, ab Herbst 1943 dann auch in Rüstungsbetrieben und beim Stollenbau. Körperlich schwache oder besonders protegierte Jungen wurden bei leichteren Arbeitskommandos wie Küchen- oder Stubendienste verwendet.

Im KZ-Lagerkomplex Mauthausen gab es keine eigenen Abteilungen für Kinder und Jugendliche. Sie waren zusammen mit den Erwachsenen in den Baracken untergebracht, erhielten dieselbe unzureichende Verpflegung und dieselbe Kleidung, die ihnen natürlich häufig viel zu groß war.

Oft hielten sich Funktionshäftlinge und SS-Personal Kinder und Jugendliche als persönliche Diener oder Laufburschen. Damit war häufig sexueller Missbrauch und Ausbeutung verbunden. Für ihre sexuellen Dienstleistungen erhielten sie zusätzliche Nahrung, Kleidung und auch einen gewissen Schutz. Verloren sie allerdings ihre "Beschützer", waren die unter den anderen Häftlingen verächtlich "Freudenjungen" oder auch "Puppenjungen" genannten Jugendlichen meist noch schlimmeren Übergriffen ausgesetzt.

_______________________________

1 Aussagen des Lagerarztes vom KZ Ravensbrück 1945-1947. Zit. n. Hans Maršálek: Die Geschichte des Konzentrationslagers Mauthausen. 3.Auflage, Wien 1995, S. 108.
2 Vgl. Hans Maršálek: Die Geschichte des Konzentrationslagers Mauthausen. 3.Auflage, Wien 1995, S. 100.

 

 

Quellen und Literatur

Mauthausen Memorial https://www.mauthausen-memorial.org

Andreas Baumgartner: Die vergessenen Frauen von Mauthausen. Die weiblichen Häftlinge des Konzentrationslagers Mauthausen und ihre Geschichte. Wien 1997.

Andreas Kranebitter: Zahlen als Zeugen. Soziologische Analysen zur Häftlingsgesellschaft des KZ Mauthausen. Wien 2014.

Hans Maršálek: Die Geschichte des Konzentrationslagers Mauthausen. 3. Auflage, Wien 1995.


© Text und Recherche:
Sigrid Brüggemann, Stuttgart
Stand: März 2022
www.kz-mauthausen-bw.de