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Sicherungsverwahrte (rund 380 Häftlinge)

Nach unseren bisherigen Erkenntnissen kamen rund 380 Sicherungsverwahrte aus dem Gebiet des heutigen Baden-Württemberg in das Konzentrationslager Mauthausen.
Sicherungsverwahrung bedeutete damals wie auch heute, dass verurteilte Straftäter nach Verbüßung ihrer Haftstrafe nicht freikamen, sondern vom Strafvollzug auf unbestimmte Zeit in den sogenannten Maßregelvollzug in bestimmten Sicherunganstalten, z.B. nach Schwäbisch Hall, überführt wurden. Sie unterstanden jedoch auch im Maßregelvollzug weiterhin der Justiz.

Das Institut der Sicherungsverwahrung wurde erstmalig (nach jahrzehntelangen Diskussionen) zum 1. Januar 1934 in das deutsche Strafrechtssystem eingeführt. Die Voraussetzung, dass ein Gericht Sicherungsverwahrung anordnen konnte, war eine Verurteilung als "gefährlicher Gewohnheitsverbrecher" nach § 42e Reichsstrafgesetzbuch (RStGB). Dieses "Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung" war im November 1933 geschaffen und unter anderem die bisherigen Strafen für Wiederholungstäter drastisch verschärft worden.

Der Begriff des "gefährlichen Gewohnheitsverbrechers" wurde juristisch nicht genau definiert, es blieb letztlich den Richtern die Entscheidung überlassen, ob die jeweiligen Angeklagten ihre Taten aufgrund eines "Hangs zum Verbrechen" begangen hatten oder nicht. Nicht die Schwere der einzelnen Straftat war bei diesem Urteil maßgeblich, sondern die Beurteilung der Person des Delinquenten. Menschen, die mehrfach Straftaten begangen hatten, wurde ein quasi biologischer „krimineller Trieb“, unterstellt, der sie auch zukünftig straffällig lassen werden würde.

Tatsächlich hatten nur knapp 10 Prozent der Sicherungsverwahrten im dt. Reich schwere Gewalt- oder Sexualverbrechen begangen. Gegen die übrigen war die Sicherungsverwahrung wegen wiederholtem Diebstahl, Betrug, Bettelei, Landstreicherei, also überwiegend wegen Kleinkriminalität, verhängt worden. Dieses Verhältnis 1 zu 9 trifft auch in etwa auf die Fälle zu, die wir für die Region des heutigen Baden-Württemberg recherchiert haben.

Heinrich Himmler in seiner Funktion als Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei hatte schon seit Kriegsbeginn immer wieder versucht, die Sicherungsverwahrten in seine Gewalt zu bekommen, war aber am Widerstand des Reichsjustizministers Franz Gürtner gescheitert. Gürtner starb 1941, und der spätere Nachfolger Otto Georg Thierack, bis dahin Präsident des Volksgerichtshofes, zeigte sich dem Ansinnen wesentlich aufgeschlossener. Im September 1942 vereinbarte Himmler mit Thierack die schubweise Auslieferung aller Sicherungsverwahrten an die SS. In den Konzentrationslagern sollten sie explizit der „Vernichtung durch Arbeit“ preisgegeben werden. Daraufhin wurden 12.658 Sicherungsverwahrte in Konzentrationslager überstellt, die allermeisten davon in das KZ Mauthausen. Dort wurden sie mit der Kategorie "SV" registriert und bekamen einen grünen Winkel.

Am 26. November 1942 trafen die ersten 218 "SV"-Häftlinge im KZ Mauthausen ein. Bis zum 1. März 1943 wurden in den Lagerkomplex Mauthausen/Gusen 7.587 reichsdeutsche SV-Häftlinge überstellt. Zu diesem Zeitpunkt waren dort schon 3.306 Sicherungsverwahrte als verstorben gemeldet worden. Im weiteren Verlauf des Jahres 1943 wurden weitere Tausende reichsdeutsche und polnische SV-Häftlinge nach Mauthausen/Gusen verbracht.
Insgesamt durchliefen ca. 11.200 SV-Häftlinge den Mauthausen-Lagerkomplex. Im März 1945 lebten aus dieser Kategorie noch 2.867.

Von den nach bisherigen Erkenntnissen insgesamt 380 SV-Häftlingen (ohne die forensischen Patienten, die im KZ Mauthausen ebenfalls als "SV" registriert wurden) aus dem Gebiet des heutigen Baden-Württemberg erlebten nur 87 die Befreiung. Dies entspricht einer Mortalitätsrate von 77,1 Prozent.

(Die weitere Ausarbeitung des Beitrags ist noch in Arbeit)

Anhang:

Namenliste der bisher mit einer Biografie versehenen SV-Häftlinge des KZ Mauthausen aus dem heutigen Baden-Württemberg:

Adam, Gabriel *22.06.1892
Alexander, Arthur *10.01.1907
Frech, Gottlob *23.12.1881
Herzog, Karl *21.09.1888
Maisch, August *22.08.1886
Nestler, Martin *04.01.1895
Reinhardt, Paul *13.01.1879
Renius, Karl *09.11.1890
Reyer, Karl *26.04.1883
Schaich, Walter *03.05.1905
Sterk, Anton *04.07.1908

 


© Text und Recherche:
Sigrid Brüggemann, Stuttgart
Stand: Juni 2024
www.kz-mauthausen-bw.de