Albert Bientz
„Die Saubande hat uns in den Krieg gejagt“
13.02.1942 KZ Dachau
29.03.1943 KZ Auschwitz
21.01.1945 KZ Mauthausen
Albert Bientz wurde am 9. März 1904 in Karlsruhe geboren. Über seine Kindheit gab er folgendes an: „Mein Vater Anton Bientz war Elsässer, er stammt aus Uffholz bei Sennheim“ [1871 bis 1918/19 im sogenannten „Reichsland Elsaß-Lothringen“, heute: Uffholtz/Cernay (Haut-Rhin)]. „Er begab sich schon im Jahre 1885 nach Baden und war dann jahrelang Gepäckträger in Karlsruhe. Als er starb, war ich fünf Jahre alt. Warum ich nach dem Tode des Vaters nicht bei der Mutter [Rosa, geb. Kunz] belassen wurde, die nach dem Tod des Vaters in Schöllbronn bei Ettlingen lebte und dort 1929 starb, ist mir nicht bekannt. Ich war zunächst im Waisenhaus in Karlsruhe". Er kam dann in Pflege zum Bürgermeister in Muggensturm bei Rastatt und anschließend bis 1918 in die „Waisenerziehungsanstalt“ Weingarten. Danach betätigte er sich in Karlsruhe und Muggensturm an verschiedenen Arbeitsplätzen. Später nannte er als Beruf auch „Hausdiener“ und „Krankenpfleger“.
Im Mai 1933 wechselte er ins Elsass. Über Bientz' Staatsangehörigkeit zu jener Zeit liegen keine eindeutigen Belege vor. Er selbst gab an: "Als ich um das Jahr 1933 herum arbeitslos wurde und Unterstützung verlangte, hieß es auf einmal, ich sei durch den Versailler Vertrag Franzose geworden. Da ich also keine Unterstützung bekam, ging ich nach dem Elsass“. Nachweislich wurde er jedenfalls bereits am 4. Mai 1933 wegen unerlaubter Einreise nach Deutschland gerichtlich belangt und tags darauf aus nicht genannten Gründen dauernd des Gebietes des Deutschen Reiches verwiesen. Er arbeitete dann im Elsass und in anderen Gegenden Frankreichs.
Am 6. April 1940 sollte er zum französischen Militär eingezogen werden. Da er sich polizeilich nicht gemeldet hatte, konnte er erst nach einigen Wochen ausfindig gemacht werden und kam dann zum Infanterieregiment 171 in Le Puy (genauere Ortsangaben fehlen, wahrscheinlich ist Le Puy/Doubs gemeint). Bei der Kapitulation der französischen Armeen (Waffenstillstand von Compiègne am 22. Juni 1940) wurde er – nach eigenen Angaben „als Elsässer“ - aus dem Militärdienst entlassen. Er meldete sich beim Arbeitsamt Colmar an und kam nach Freiburg im Breisgau zur Reichsbahn als Gleisarbeiter zu einem Weichenbautrupp, wurde aber im Mai 1941 wegen seines Herzleidens entlassen.
Bienz feierte seinen Abschied von der Reichsbahn in verschiedenen Gaststätten mit reichlich Alkohol. Schließlich gelangte er am Abend des 13. Mai 1941 mit einem Zufallsbekannten in die „Krone“ in Muggensturm, wo er weiter Bier trank. Nach Angaben der Wirtin soll er vor den Anwesenden die NS-Führungsriege mehrfach als „Lumpenseckel“ und Adolf Hitler als deren „Puppe“ bezeichnet und zudem gesagt haben, die „Saubande“ hätte „uns in den Krieg gejagt“. Von der Wirtin und anderen Gästen sei er wegen dieser Äußerungen zurechtgewiesen worden.
GLA 507 Nr. 4168-4171
Dabei blieb es nicht. Bienz wurde festgenommen und am Tag nach seiner Zechtour in das Gerichtsgefängnis I Rastatt gesteckt. Da er ohne Arbeit war, galt er als fluchtverdächtig und kam in Untersuchungshaft. Am 1. August 1941 verurteilte ihn das Sondergericht Mannheim wegen Vergehens gegen § 2 des Gesetzes gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei vom 20.12.1934 zu acht Monaten Gefängnis abzüglich zwei Monaten U-Haft. Vor Gericht hatte Bienz zu seiner Entlastung vorgebracht, er habe damals seinem Ärger über die Entlassung aus dem Reichsbahndienst Luft machen wollen. Etwaige negative Äußerungen über die Reichsregierung führte er auf seine damalige Bewusstseinstrübung aufgrund von Trunkenheit zurück. Letzteres ließ das Gericht nicht gelten: der Angeklagte sei zwar "betrunken, aber nicht sinnlos“ betrunken gewesen. Er habe wohl geschwankt, sich aber „noch alleine fortbewegen" können. Über seine politische Einstellung gab es keine Ermittlungsergebnisse. Gleichwohl hieß es in der Urteilsbegründung: die fragliche Wirtshausäußerung „entspringt einer feindlichen Einstellung des Angeklagten zum heutigen Staate. Trotzdem hat das Gericht mildernd berücksichtigt, dass der Angeklagte lange Zeit und insbesondere während des Krieges in Frankreich lebte. Er ist ein Opfer der von Frankreich gegen Deutschland betriebenen Hetze im Rundfunk und Presse."
Die vom Sondergericht unterstellte staatsfeindliche Gesinnung dürfte der Hauptgrund gewesen sein, dass Bientz, der mittlerweile amtlich als deutscher Staatsbürger galt, von der Karlsruher Gestapo in Schutzhaft genommen wurde. Die Inschutzhaftnahme erfolgte am 1. Februar 1942, dem Tage seiner Entlassung aus der Strafhaft im Gefängnis Pforzheim. Am 13. Februar kam er in das Konzentrationslager Dachau, wo er als Schutzhäftling Nummer 29.199 geführt wurde.
Am 29. März 1943 wurde er von Dachau in das KZ Auschwitz überstellt. Als das KZ Auschwitz aufgrund des Vorrückens der Roten Armee geräumt wurde, kam er am 25. Januar 1945 von dort in einem Tausende Häftlinge umfassenden Massentransport in das KZ Mauthausen (Häftlingsnummer 117.564). Nach viertägiger Quarantäne in Mauthausen wurde er als „Hilfsarbeiter“ im Außenlager Melk eingesetzt, wo unter dem Decknamen „Quarz“ für die Rüstungsproduktion unter Tage riesige Stollen in den Berg getrieben wurden. Als sich US-Truppen dem Lager Melk näherten, kam er am 11. April 1945 mit einem 1.500 Häftlinge umfassenden Transport zurück ins Stammlager Mauthausen und dort in das Krankenrevier. Eine Todesmeldung liegt nicht vor. Daher erscheint es als möglich, dass er in Mauthausen die Befreiung erlebte.
Nach dem Krieg stellte weder er selbst noch eine andere Person in seinem Namen einen Antrag auf Wiedergutmachung. Weitere biographische Angaben liegen uns nicht vor.
Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt die unmittelbar nach seiner Verhaftung 1941 und während seiner KZ-Haft genannte Wohnadresse: Brunnengasse 2 in Muggensturm (Landkreis Rastatt).
Quellen
ITS Digital Archive, Arolsen Archives
1.1.6.7 Schreibstubenkarten Dachau
DocID: 130430957 (Zugangsbuch Dachau)
1.1.26.3 Individuelle Unterlagen Männer Mauthausen, Albert Bientz
Bundesarchiv
R 58/9674
R 3001/122527
Generallandesarchiv Karlsruhe
507 Nr. 4168-4171 (Sondergericht Mannheim)
KZ-Gedenkstätte Mauthausen
Datenbankauszug
Bundeszentralkartei (BZK) Düsseldorf
Auskunft v. 9.1.2025
© Text und Recherche:
Roland Maier, Stuttgart
Stand: Februar 2025
www.kz-mauthausen-bw.de