Erich Selzle (1906 - 1952)
Homosexueller Geistlicher
27.12.1937 Verhaftung
07.06.1939 KZ Dachau
27.09.1939 KZ Mauthausen
08.12.1940 KZ Dachau
Erich Selzle wurde am 21. März 1906 im württembergischen Gmünd geboren. Vermutlich handelt es sich dabei um den Ortsteil Gmünd von Eriskirch im Bodenseekreis, wohin er nach dem Krieg zurückkehrte. Er wurde von Beruf katholischer Geistlicher, darüber hinaus ist über sein Leben in der Zeit vor seiner Verhaftung nichts bekannt.
1935 wurde Erich Selzle erstmalig verhaftet und vom Landgericht Ravensburg auf Grundlage des § 175 zu 16 Monaten Gefängnis verurteilt, die er in Ulm und in Freiburg verbüßte. In der Zeit des Nationalsozialismus war im Juni 1935 der Straftatbestand des Homosexuellenparagraphen 175 im Strafgesetzbuch beträchtlich erweitert und das Strafmaß deutlich erhöht worden. Sämtliche sexuellen Handlungen zwischen Männern waren fortan unter Strafe gestellt.
Am 27. Dezember 1937 wurde er, nun in München in der Senftlestraße 9 wohnend, erneut verhaftet. Selzle wurde ein Verstoß gegen das "Heimtückegesetz" vorgeworfen. Mit diesem Gesetz vom 20. Dezember 1934 konnte nahezu jede kritische Äußerung geahndet werden. Das Sondergericht München klagte ihn an, "fortgesetzt böswillige, hetzerische und gehässige Äußerungen über leitende Persönlichkeiten des Staates und der NSDAP, ihre Anordnungen und die von ihnen geschaffenen Einrichtungen gemacht zu haben, die geeignet sind, das Vertrauen des Volkes zur politischen Führung zu untergraben, wobei er damit rechnen musste, dass seine Äußerungen in die Öffentlichkeit dringen würden.“
Ob das "Heimtücke"-Verfahren in München zu einer Verurteilung führte ist nicht bekannt. Aus einem Schreiben des Oberbürgermeisters von Friedrichshafen an das Ordinariat in Rottenburg vom 26. November 1945 geht jedoch hervor, dass Erich Selzle vor seiner Einweisung in das Konzentrationslager Dachau im württembergischen Gestapogefängnis Welzheim inhaftiert war: „Während der Haft in Welzheim wurde Herr Selzle wiederum des Vergehens gegen § 175 bezichtigt, aber vom Landgericht Stuttgart am 24.03.1939 freigesprochen."
Selzles Inhaftierung in Welzheim lässt darauf schließen, dass es die Gestapo – Stapoleitstelle Stuttgart – war, die ihn ins Konzentrationslager brachte. Am 7. Juni 1939 kam Erich Selzle in das KZ Dachau. Er erhielt die Häftlingsnummer 21997 und die Kategorie "§ 175 Schutz". Im Zuge der vorübergehenden Räumung des Lagers Dachau für Ausbildungszwecke der SS wurde er am 27. September 1939 zusammen mit rund 1600 weiteren Dachau-Häftlingen, darunter 64 "§ 175" Häftlinge, in das KZ Mauthausen (Häftlingsnummer 33638, Kategorie "§ 175 Schutz") überstellt. Am 8. Dezember 1940 gehörte er zu den Glücklicheren, die nach Dachau rücküberstellt wurden. Dort wurde er am 29. April 1945 von der US-Armee befreit.
Nach der Befreiung erhielt er einen Ausweis ("fiche provisoire") der Internationalen Flüchtlingsorganisation IRO und lebte in Friedrichshafen in der Katharinenstr. 65, wo er am 28. Dezember 1952 verstorben ist.
Da keine genaue Adresse seines Aufenthalts im Gebiet des heutigen Baden-Württemberg aus der Zeit vor seiner Verhaftung bekannt ist, zeigt die Markierung auf der Übersichtskarte seine Nachkriegsadresse Katharinenstraße 65 in Friedrichshafen.
Quellen und Literatur
ITS Digital Archive, Arolsen Archives
1.1.26.3 Individuelle Häftlingsunterlagen Männer KL Mauthausen/ Erich Selzle
1.1.6.2. Individuelle Häftlingsunterlagen Männer KL Dachau/ Erich Selzle
1.1.6.1 Listenmaterial Dachau / Zugangsbücher des Konzentrationslagers Dachau / Erich Selzle
DocID: 69016008 (Erich Selzle)
Korrespondenzakte, Erich Selzle, TD 1012219
Searching Dachau Concentration Camp Records in One Step (https://stevemorse.org/dachau/dachau.html)
Staatsarchiv Sigmaringen
Wü 13 T 2 Nr. 2017/055
Diözesanarchiv Rottenburg
G 1.5. Bü 38
https://www.der-liebe-wegen.org/Erich Selzle
© Text und Recherche:
Sigrid Brüggemann, Stuttgart
Stand: Mai 2023
www.kz-mauthausen-bw.de