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Ernst Arndt (1894 - 1942)

Weltkriegsleutnant und ehemaliger Freikorpsangehöriger

11.11.1938 – 13.12.1938 KZ Dachau
19.09.1942 Verhaftung durch Gestapo Karlsruhe
07.11.1942 Einweisung ins KZ Mauthausen
14.11.1942 gestorben im KZ Mauthausen

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Arndt
Ernst Arndt. Foto: Schwarz, S. 54, Stadtarchiv Karlsruhe

Ernst Hans Arndt kam am 8. Dezember 1894 in Augsburg als Sohn des jüdischen Ehepaars Karl Arndt und Fannie, geborene Kahn, zur Welt. In seiner Geburtsstadt besuchte er das Humanistische und anschließend bis zur 6. Klasse das Realgymnasium. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs meldete er sich als Freiwilliger zum Fronteinsatz, von welchem er im Range eines Leutnants und dekoriert mit dem Eisernen Kreuz II. und I. Klasse zurückkehrte. Durchdrungen von konservativen, deutsch-nationalen Ideologien beteiligte er sich im Mai 1919 als Freikorpsmitglied an der blutigen Niederschlagung der Münchner Räterepublik.

1921 heiratete Ernst Arndt die Karlsruherin Erna Schüssler (1900-1983) – eine Protestantin, die teilweise jüdischer Abstammung war – und stieg in die florierende

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Arndt Logo
Werbelogo der Fa. Schüssler

Weingroßhandlung seines Schwiegervaters Robert Schüssler in Karlsruhe ein. Die beiden 1923 und 1934 aus der Ehe hervorgegangenen Töchter wurden ebenfalls protestantisch getauft. Die wohlhabende Familie pflegte einen bürgerlich-repräsentativen Lebensstil und wohnte an wechselnden Adressen in Karlsruhe: Schwarzwaldstraße 13, Hans-Sachs-Straße 1, Wirthstraße 4 und zuletzt Maxaustraße 10 (heute: Ludwig-Marum-Straße).

Im Zuge des Novemberpogroms wurde Ernst Arndt am 10. November 1938 in Karlsruhe von Gestapobeamten verhaftet und kam ins KZ Dachau, wo er mit der Häftlingsnummer 21810 „Sch. Jude“ (Schutzhaft) in Block 12/2 einsaß. Am 13. Dezember 1938 wurde er aus dem KZ wieder entlassen, da er seine Auswanderungsabsicht durch Visazusagen von Kuba und Griechenland glaubhaft machen konnte. Von diesen Optionen machte er dann allerdings keinen Gebrauch.

Von der Deportation der badischen Juden am 22. Oktober 1940 in das südfranzösische Internierungslager Gurs blieb die Familie Arndt ausgenommen, da der damalige Deportationsbefehl für alle „transportfähigen Volljuden“ galt, sogenannte „Mischlinge“ und ihre Ehepartner jedoch noch nicht mit erfasste. Zwar verfügte Ehefrau Erna über drei jüdische Großelternteile. Doch scheint sie – wie auch die beiden Töchter – bei den Behörden zumindest anfangs als „Halbjüdin“ geführt worden zu sein. In einem Gnadengesuch an das Innenministerium vom September 1942 rang Arndts Schwiegervater allerdings vergeblich um die Aufrechterhaltung des amtlichen Status seiner Tochter als „Halbjüdin“.

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Arndt Dep.liste
Von der Deportationsliste gestrichen: „abgeschoben 22.8.42“, Transportliste Gestapo Karlsruhe, ITS Digital Archive, Arolsen Archives, Dok. 11201222

Trotz der Verschonung von der Verschleppung nach Gurs war die Gestapo entschlossen, die Familie  zu deportieren, und zwar – so zunächst die Absicht - mit dem Massentransport, der via Stuttgart am 22. August 1942 nach Theresienstadt führte. Ernst Arndts Name findet sich neben dem seiner Ehefrau und der jüngeren Tochter (die ältere Tochter ist nicht aufgeführt) auf einer rund 160 Personen umfassenden Liste, die aus dem Bereich der Stapoleitstelle Karlsruhe über Stuttgart „abgeschoben“ werden sollten. Noch lange nach dem Krieg, in einem Antwortscheiben vom 1. Oktober 1956, glaubte daher der Internationale Suchdienst (ITS) in Arolsen auf eine Anfrage des Landesamtes für Wiedergutmachung Karlsruhe hin, die Feststellung treffen zu können, Ernst Arndt sei „am 22. August 1942 von Baden mit unbekanntem Bestimmungsort evakuiert“ worden. Eine Prüfung der einschlägigen Originalquelle ergibt jedoch, dass die drei Namen der Familienmitglieder Arndt auf der fraglichen maschinengeschriebenen Aufstellung für die Deportation von Karlsruhe nach Theresienstadt durchgestrichen wurden. Da die – von unbekannter Hand vorgenommene – Streichung einen etwas fahrigen Eindruck macht, ist anzunehmen, dass sie nicht am Verwaltungs-Schreibtisch, sondern auf die Schnelle direkt bei der Sammelstelle kurz vor Abgang des Transportes in Karlsruhe oder wahrscheinlicher sogar erst in Stuttgart vorgenommen wurde.

Demnach hatte die Familie sich dem Gestellungsbefehl für den 22. August 1942 entweder eigenmächtig entzogen oder sie war wegen der – möglicherweise als seinerzeit noch klärungsbedürftig angesehenen – rassistischen Statusbestimmung der Frau und der beiden Kinder von der Gestapo selbst in letzter Minute von der Deportation zurückgestellt worden.

Bald nach diesen Vorgängen erhielt Ernst Arndt eine Vorladung der Stapoleitstelle Karlsruhe. Als er dieser am 19. September 1942 Folge leistete, wurde er festgenommen und inhaftiert. Gut sieben Wochen später, am 7. November 1942, erfolgte seine Einweisung ins KZ Mauthausen. Dort bekam er die Häftlingsnummer 14000, Kategorie „Jude DR.“ (Deutsches Reich), und es wurde ihm der Stammblock 5 zugewiesen (in der Stube B des Block 5 des Mauthausen-Hauptlagers wurden 1941 bis Ende 1943 jüdische Häftlinge isoliert).

Nach gerade einmal einer Woche Aufenthalt im Konzentrationslager Mauthausen starb Ernst Arndt am 14. November 1942 unter bisher nicht abschließend geklärten Umständen im Alter von 47 Jahren. Das Totenbuch des KZ verzeichnet an diesem Tag acht Todesfälle, und zwar ausschließlich von jüdischen Häftlingen mit Häftlingsnummern zwischen 13 997 und 14 365. Sechs von ihnen verstarben den Eintragungen zufolge auffälligerweise in dem kurzen Zeitraum zwischen 13.20 und 13.40 Uhr, also in weniger als im Fünf-Minutentakt. Diese Angaben zwingen zu dem Schluss, dass Ernst Arndt als Jude bei einer Gruppenexekution durch die Lager-SS gezielt ermordet wurde. Mit ein Motiv für den Massenmord dürfte die im Monat zuvor ergangene Weisung Heinrich Himmlers gewesen sein, sämtliche im Deutschen Reich liegenden Konzentrationslager „judenfrei“ zu machen.

Am 22. November 1942 erhielt seine Witwe Erna Arndt die Mitteilung der KZ-Kommandantur Mauthausen, dass ihr Ehemann Ernst Arndt am 14. November um 13.40 Uhr in der Krankenbaracke an einem „eitrigen Dickdarmkatarrh“ verstorben und am 17. November im Krematorium eingeäschert worden sei.

Erna Arndt sollte am 1. März 1943 mit ihren beiden Töchtern nach Auschwitz deportiert werden. Sie entzog sich jedoch dem Gestellungsbefehl, tauchte mit falschen Papieren in Oberbayern unter und überlebte mit ihren Töchtern die Zeit des Nationalsozialismus. Die Auseinandersetzung mit dem Amt für die Wiedergutmachung Karlsruhe um die Gewährung von Wiedergutmachungsleistungen zog sich über viele Jahre hin. Erst 1983, im Todesjahr der Witwe Erna Arndt, wurden die Akten geschlossen.
 
Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt Ernst Arndts Wohnadresse Ludwig-Marum-Straße 10 (ehemals Maxaustraße) in Karlsruhe.


Quellen und Literatur

ITS Digital Archive, Arolsen Archives
1.1.6.7 Schreibstubenkarten Dachau Dok. 10608455 - Ernst ARNDT
Korrespondenzakte TD 566784

Stadtarchiv Karlsruhe 1/AEST/36, 38 und 1237; 6/BezVerwAmt 60; AGA 5331

Generallandesarchiv Karlsruhe
480 Nr. 1258, 14546, 24690, 24691

Archiv Gedenkstätte KZ Dachau

Sebastian Barton: Das Schicksal der Familie Arndt. September 2003, in: Gedenkbuch für die Karlsruher Juden: http://gedenkbuch.informedia.de/index.php/PID/12/name/65/suche/A.html, (abgerufen 16.9.2019)

Sebastian Barton: Ernst Arndt 1894 – 1942 (https://raumdernamen.mauthausen-memorial.org/)

Christoph Schwarz: Verfolgte Kinder und Jugendliche aus Baden-Württemberg 1933-1945, Konstanz 2007, S. 53f.

Josef Werner: Hakenkreuz und Judenstern. Das Schicksal der Karlsruher Juden im Dritten Reich, Karlsruhe 1990, S. 398 f., 412 u. 533.

 

© Recherche und Text:
Roland Maier, Stuttgart
Stand: Juni 2022
www.kz-mauthausen-bw.de