Erwin M.
geb. 1913
Kapo des KZ-Außenlagers Schloss Lind
13.10.1932 einjährige Haftstrafe
11.03.1933 bis 07.08.1933 Schutzhaft Heuberg
1934 zwei Haftstrafen
28.05.1936 Verhaftung
16.01.1937 KZ Dachau
27.09.1939 KZ Mauthausen
17./18.2.1940 KZ Dachau
15.11.1942 KZ Schloss Lind
04.05.1945 Befreiung
Erwin M. wurde am 19. Februar 1913 als Sohn von Karl und Barbara M. in Stetten (heute ein Ortsteil der Stadt Mühlheim an der Donau im Landkreis Tuttlingen) geboren. Auf überlieferten Häftlingspersonalkarten ist abweichend "Anna" als Name der Mutter angegeben. Er lebte in der Kniebisstraße 41 in Schwenningen (heute: Villingen-Schwenningen), wo auch seine Mutter wohnte, und arbeitete bei der dortigen Schuhfabrik Haller. M. wurde Mitglied des 1930 gegründeten kommunistischen „Kampfbund gegen den Faschismus“. Wiederholt scheint er an tätlichen Auseinandersetzungen mit Nazis beteiligt gewesen zu sein. Am 10. Oktober 1932 verurteilte ihn das Landgericht Rottweil wegen zweier Vergehen der gefährlichen Körperverletzung nach § 223a Reichsstrafgesetzbuch in Verbindung mit der Verordnung gegen politische Ausschreitungen zu einem Jahr Gefängnis. Er wurde zwar amnestiert, kam dann aber vom März 1933 bis August 1933 in das Schutzhaftlager Heuberg. Danach war er offenbar wieder in Handgreiflichkeiten verwickelt, denn im Jahr 1934 wurde er zweimal verurteilt, wiederum wegen Körperverletzung. Die ausgesprochenen Haftstrafen beliefen sich allerdings nur auf zwei beziehungsweise zweieinhalb Monate.
Am 28. Mai 1936 wurde er aus politischen Gründen verhaftet und von der Gestapo in Stuttgart am 16. Januar 1937 in das KZ Dachau eingewiesen. Er trug als „rückfälliger Schutzhäftling“ die Häftlingskategorie „Sch.2xKL“ und die Nummer 11315. Im März 1937 kam er für vier Tage in ein nicht genanntes Gefängnis außerhalb des KZ, möglicherweise wurde er der Justiz kurzfristig zur Verfügung gestellt.
Als das KZ Dachau wegen vorübergehender Umnutzung durch die SS geräumt wurde, kam er am 27. September 1939 mit einem Häftlings-Massentransport in das KZ Mauthausen (Häftlingsnummer 13550). Im Februar 1940 wurde er nach Dachau rücküberstellt (Häftlingsnummer nunmehr 152), wo er vom 5. April 1941 bis zum 23. Mai 1941 in „Kommandantur-Arrest“ war. Am 15. November 1942 verlegte man ihn von Dachau nach Schloss Lind. Das Außenlager Schloss Lind in Sankt Marein bei Neumarkt in Österreich unterstand zu diesem Zeitpunkt noch dem KZ Dachau, wurde aber eine Woche später vom KZ Mauthausen übernommen und bildete mit seinen höchstens dreißig KZ-Häftlingen – allesamt „Politische“ – das kleinste Außenlager des Mauthausen-Komplexes. Da es sich bei Schloss Lind um ein landwirtschaftliches Gut handelte, war die Ernährungslage vergleichsweise günstig. Doch auch hier litten Häftlinge an Mangel und unter den Brutalitäten des Kommandoführers, eines gewissen Josef Schmidt.
M., der die Mauthausen-Häftlingsnummer 14891 Kategorie „Schutz-DR“ beziehungsweise „Polit.“ (Politisch) trug, galt laut Häftlings-Personalkarte als „Landarbeiter“ und wurde zunächst als „Hilfsarbeiter“, schließlich ab September 1943 als „Facharbeiter“ eingesetzt. Faktisch fungierte M. die gesamte Zeit als Kapo des Kommandos. Polnische Häftlinge sagten später aus, er habe seine damit verbundene Machtposition in keiner Weise missbraucht.
Eine am 3. Mai 1945 anstehende Evakuierung des Lagers scheiterte, da an ein Durchkommen zum 200 Straßenkilometer nördlich gelegenen KZ-Stammlager Mauthausen nicht mehr zu denken war. Zwei Tage später wurden die Häftlinge von Angehörigen der sogenannten „Österreichischen Freiheitsbewegung“, unter welchem Titel sich verschiedene katholisch-konservative Widerstandsgruppen versammelt hatten, offiziell befreit und mit Ausweisen, teilweise aber auch mit Waffen versehen. Die britische Armee brachte die Häftlinge über St. Salvator in Kärnten in ein Lager der United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA) in Udine.
Erwin M. arbeitete in der Nachkriegszeit in seiner Heimat als Dachdecker. Laut Bescheid der Entnazifizierungsspruchkammer vom 11. Januar 1950 war M. lediglich Mitglied der nationalsozialistischen Deutschen Arbeitsfront (DAF) gewesen und galt als „unbelastet“. Für seine Haftentschädigung war zunächst das Amt für Wiedergutmachung beim Landratsamt Rottweil, später das Landesamt für die Wiedergutmachung Tübingen zuständig.1
Die Markierung auf der Übersichtskarte verweist auf Erwin Ms. Wohnadresse Kniebisstraße 41 in 78054 Villingen-Schwenningen.
1 Die Wiedergutmachungsakte konnte von uns aufgrund unserer begrenzten Ressourcen noch nicht eingesehen werden.
Quellen und Literatur
ITS Digital Archive, Arolsen Archives
1.1.26 Individuelle Häftlingsunterlagen – KL Mauthausen, Erwin M.
6.3.3.2 Korrespondenzakte T/D 696968
Staatsarchiv Sigmaringen
Wü 32/2 Z. 1991/89 Nr. 2351 Personalakte Gefängnis Rottenburg
Wü 13 T 2 Nr. 1832/028 Fragebogen
Wü 13 T 2 Nr. 2581/267 Staatskommissariat für die polit. Säuberung Land Württemberg Hohenzollern
StASig Wü 33 T 1 Nr. 2541 Wiedergutmachung
Searching Dachau Concentration Camp Records in One Step (https://stevemorse.org/dachau/dachau.html)
Dietmar Seiler: Zur Geschichte des KZ-Nebenlagers Schloss Lind (www.schlosslind.at, 2.4.2021)
© Text und Recherche:
Roland Maier, Stuttgart
Stand: April 2021
www.kz-mauthausen-bw.de
Kapo des KZ-Außenlagers Schloss Lind
13.10.1932 einjährige Haftstrafe
11.03.1933 bis 07.08.1933 Schutzhaft Heuberg
1934 zwei Haftstrafen
28.05.1936 Verhaftung
16.01.1937 KZ Dachau
27.09.1939 KZ Mauthausen
17./18.2.1940 KZ Dachau
15.11.1942 KZ Schloss Lind
04.05.1945 Befreiung
Erwin M. wurde am 19. Februar 1913 als Sohn von Karl und Barbara M. in Stetten (heute ein Ortsteil der Stadt Mühlheim an der Donau im Landkreis Tuttlingen) geboren. Auf überlieferten Häftlingspersonalkarten ist abweichend "Anna" als Name der Mutter angegeben. Er lebte in der Kniebisstraße 41 in Schwenningen (heute: Villingen-Schwenningen), wo auch seine Mutter wohnte, und arbeitete bei der dortigen Schuhfabrik Haller. M. wurde Mitglied des 1930 gegründeten kommunistischen „Kampfbund gegen den Faschismus“. Wiederholt scheint er an tätlichen Auseinandersetzungen mit Nazis beteiligt gewesen zu sein. Am 10. Oktober 1932 verurteilte ihn das Landgericht Rottweil wegen zweier Vergehen der gefährlichen Körperverletzung nach § 223a Reichsstrafgesetzbuch in Verbindung mit der Verordnung gegen politische Ausschreitungen zu einem Jahr Gefängnis. Er wurde zwar amnestiert, kam dann aber vom März 1933 bis August 1933 in das Schutzhaftlager Heuberg. Danach war er offenbar wieder in Handgreiflichkeiten verwickelt, denn im Jahr 1934 wurde er zweimal verurteilt, wiederum wegen Körperverletzung. Die ausgesprochenen Haftstrafen beliefen sich allerdings nur auf zwei beziehungsweise zweieinhalb Monate.
Am 28. Mai 1936 wurde er aus politischen Gründen verhaftet und von der Gestapo in Stuttgart am 16. Januar 1937 in das KZ Dachau eingewiesen. Er trug als „rückfälliger Schutzhäftling“ die Häftlingskategorie „Sch.2xKL“ und die Nummer 11315. Im März 1937 kam er für vier Tage in ein nicht genanntes Gefängnis außerhalb des KZ, möglicherweise wurde er der Justiz kurzfristig zur Verfügung gestellt.
Als das KZ Dachau wegen vorübergehender Umnutzung durch die SS geräumt wurde, kam er am 27. September 1939 mit einem Häftlings-Massentransport in das KZ Mauthausen (Häftlingsnummer 13550). Im Februar 1940 wurde er nach Dachau rücküberstellt (Häftlingsnummer nunmehr 152), wo er vom 5. April 1941 bis zum 23. Mai 1941 in „Kommandantur-Arrest“ war. Am 15. November 1942 verlegte man ihn von Dachau nach Schloss Lind. Das Außenlager Schloss Lind in Sankt Marein bei Neumarkt in Österreich unterstand zu diesem Zeitpunkt noch dem KZ Dachau, wurde aber eine Woche später vom KZ Mauthausen übernommen und bildete mit seinen höchstens dreißig KZ-Häftlingen – allesamt „Politische“ – das kleinste Außenlager des Mauthausen-Komplexes. Da es sich bei Schloss Lind um ein landwirtschaftliches Gut handelte, war die Ernährungslage vergleichsweise günstig. Doch auch hier litten Häftlinge an Mangel und unter den Brutalitäten des Kommandoführers, eines gewissen Josef Schmidt.
M., der die Mauthausen-Häftlingsnummer 14891 Kategorie „Schutz-DR“ beziehungsweise „Polit.“ (Politisch) trug, galt laut Häftlings-Personalkarte als „Landarbeiter“ und wurde zunächst als „Hilfsarbeiter“, schließlich ab September 1943 als „Facharbeiter“ eingesetzt. Faktisch fungierte M. die gesamte Zeit als Kapo des Kommandos. Polnische Häftlinge sagten später aus, er habe seine damit verbundene Machtposition in keiner Weise missbraucht.
Eine am 3. Mai 1945 anstehende Evakuierung des Lagers scheiterte, da an ein Durchkommen zum 200 Straßenkilometer nördlich gelegenen KZ-Stammlager Mauthausen nicht mehr zu denken war. Zwei Tage später wurden die Häftlinge von Angehörigen der sogenannten „Österreichischen Freiheitsbewegung“, unter welchem Titel sich verschiedene katholisch-konservative Widerstandsgruppen versammelt hatten, offiziell befreit und mit Ausweisen, teilweise aber auch mit Waffen versehen. Die britische Armee brachte die Häftlinge über St. Salvator in Kärnten in ein Lager der United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA) in Udine.
Erwin M. arbeitete in der Nachkriegszeit in seiner Heimat als Dachdecker. Laut Bescheid der Entnazifizierungsspruchkammer vom 11. Januar 1950 war M. lediglich Mitglied der nationalsozialistischen Deutschen Arbeitsfront (DAF) gewesen und galt als „unbelastet“. Für seine Haftentschädigung war zunächst das Amt für Wiedergutmachung beim Landratsamt Rottweil, später das Landesamt für die Wiedergutmachung Tübingen zuständig.1
Die Markierung auf der Übersichtskarte verweist auf Erwin Ms. Wohnadresse Kniebisstraße 41 in 78054 Villingen-Schwenningen.
1 Die Wiedergutmachungsakte konnte von uns aufgrund unserer begrenzten Ressourcen noch nicht eingesehen werden.
Quellen und Literatur
ITS Digital Archive, Arolsen Archives
1.1.26 Individuelle Häftlingsunterlagen – KL Mauthausen, Erwin M.
6.3.3.2 Korrespondenzakte T/D 696968
Staatsarchiv Sigmaringen
Wü 32/2 Z. 1991/89 Nr. 2351 Personalakte Gefängnis Rottenburg
Wü 13 T 2 Nr. 1832/028 Fragebogen
Wü 13 T 2 Nr. 2581/267 Staatskommissariat für die polit. Säuberung Land Württemberg Hohenzollern
StASig Wü 33 T 1 Nr. 2541 Wiedergutmachung
Searching Dachau Concentration Camp Records in One Step (https://stevemorse.org/dachau/dachau.html)
Dietmar Seiler: Zur Geschichte des KZ-Nebenlagers Schloss Lind (www.schlosslind.at, 2.4.2021)
© Text und Recherche:
Roland Maier, Stuttgart
Stand: April 2021
www.kz-mauthausen-bw.de