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Friedrich Mugler (1902 - 1949)

Kontakte zu sowjetischen Zwangsarbeiterinnen

08.05.1944 Verhaftung Stuttgart
20.05.1944 Gefängnis Welzheim
24.08.1944 KZ Dachau
14./16.09.1944 KZ Mauthausen
21.09.1944 KZ Außenlager Melk
06.05.1945 Befreiung im KZ Außenlager Ebensee

Friedrich Mugler wurde am 15. Januar 1902 in Marbach am Neckar im heutigen Landkreis Ludwigsburg geboren. Der Vater, August Mugler, stammte aus Niedernhall im heutigen Hohenlohekreis.

Nach dem Ersten Weltkrieg beteiligte Friedrich Mugler sich im Bürgerkrieg im Baltikum an Kämpfen gegen sowjetische Kräfte. Danach lebte und arbeitete er von 1923 bis 1938 in der Sowjetunion und war dort mit einer Russin verheiratet. Angeblich weil er die sowjetische Staatsbürgerschaft nicht annehmen wollte, wurde er 1938 nach Deutschland abgeschoben. Hier wohnte er in der Stammheimerstraße 84 in Stuttgart-Zuffenhausen und arbeitete als Kraftfahrer bei der Firma Robert Bosch in Stuttgart-Feuerbach. Nach 1941, als nach dem Überfall auf die Sowjetunion sowjetische Arbeitskräfte nach Deutschland gekommen waren, fungierte er aufgrund seiner Russischkenntnisse als Dolmetscher und vermutlich auch als Leiter eines Lagers für sowjetische zivile Zwangsarbeiterinnen der Firma Rob. Bosch.

Aufgrund einer Denunziation wegen unerlaubten Umgangs mit einer der sowjetischen Arbeiterinnen wurde er im Mai 1944 von der Gestapo verhaftet. Über die Polizeigefängnisse Stuttgart und Welzheim kam er am 24. August 1944 in das Konzentrationslager Dachau (Häftling Nummer 93253 „Sch.DR.“). Kategorisiert war er als politischer Häftling und trug den Roten Winkel. Mitte September 1944 wurde er in das Konzentrationslager Mauthausen überstellt und mit der Häftlingsnummer 98750 versehen. Am 21. September 1944 kam er als „Hilfsarbeiter“ zum Mauthausen-Außenlager Melk. Das im April 1944 in der niederösterreichischen Gemeinde Melk errichtete Lager diente unter der Tarnbezeichnung "Quarz" hauptsächlich der Rüstungsproduktion der Steyr-Daimler-Puch AG. Die Häftlinge mussten dort ausgedehnte Stollenanlagen in den Berg treiben. Bei der Annäherung der US-Truppen Mitte April 1945 wurden die Häftlinge von Melk in das Mauthausen-Außenlager Ebensee verlegt. Dort erlebten Friedrich Mugler und seine Leidensgenossen am 6. Mai 1945 die Befreiung. Er erhielt eine Bescheinigung des Deutschen Komitees des ehemaligen K.L. Mauthausen, die bestätigte, dass er als politischer Häftling inhaftiert war und auf Anordnung der US-Militärregierung aus dem KZ Mauthausen entlassen wurde. Es sei ihm, hieß es in diesem Papier, „bei seiner Heimreise und in seinem Heimatort jede Unterstützung zu gewähren“.

Mugler, der bereits ab November 1944 zwei Monate mit einer Lungen- und Rippenfellentzündung im Mauthausen-Krankenrevier gelegen hatte, kam nach der Befreiung zur weiteren medizinischen Betreuung drei Wochen in ein US-amerikanisches Lazarett. Auch danach blieb er in ständiger ärztlicher Behandlung wegen seiner im Lager erworbenen Tuberkulose-Erkrankung. Wegen seiner aufgrund dieser Krankheit um fünfzig Prozent verminderten Erwerbsfähigkeit erhielt er zunächst eine Rente.

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Mugler_Ehrengabe
"Ehrengabe", VVN-Archiv Stuttgart

Am 21. September 1945 füllte Mugler ein einfaches Formular für eine "Ehrengabe der Stadt Stuttgart an ehemalige politische Gefangene" aus. Die "Ehrengabe" der Stadt Stuttgart belief sich auf einen Betrag von 200 bis 300 Reichsmark.

Am 11. Juli 1946 beantragte Friedrich Mugler beim "Landesausschuss Württemberg-Baden der vom Naziregime politisch Verfolgten, Landesstelle Stuttgart" die Anerkennung als politisch Verfolgter. Er gab an, er sei "wegen nicht nationalsozialistischer Einstellung" und "Untergrabung des deutschen Staates" verfolgt worden. Als Beweismittel legte er seinen Entlassungsschein aus Mauthausen vor und benannte fünf ehemalige Mithäftlinge als Zeugen, darunter den Mauthausen-Häftling Willi Burkhardt. Zunächst prüfte der Ortsausschuss Zuffenhausen des "Landesausschusses" den Antrag - und notierte als Prüfungsvermerk auf dem Antragsformular einen schwerwiegenden Verdacht: "Fall genau überprüfen, soll Müller, Wieland, Forster, Feuerbach denunziert haben". Bei diesen genannten Personen handelte es sich um den Kern der illegalen kommunistischen Müller-Gruppe aus Feuerbach: Hans Müller, Gertrud Müller, geb. Wieland, und Karl Forstner. Die Aufdeckung der Gruppe hatte seinerzeit mit einem Zwischenfall beim "Schützenhaus" in Stuttgart-Weilimdorf begonnen, wo sowjetische Zwangsarbeiter untergebracht waren. Hans Müller, seine Frau Gertrud und Karl Forstner hatten Anfang Juni 1942 versucht, Kontakt aufzunehmen und ein Wachmann, der sie persönlich kannte, hatte den Vorfall der Gestapo gemeldet. Bei dem fraglichen Wachmann könnte es sich um Mugler gehandelt haben, der auf seinem Anerkennungsantrag denn auch angab, vor seiner eigenen Verhaftung als "Lagerhalter, Dolmetscher" gearbeitet zu haben. Vom Arbeitsverhältnis, von den sozialen, örtlichen und zeitlichen Umständen her wäre Mugler jedenfalls in Frage gekommen. Ob die Denunziation nun tatsächlich von ihm ausging oder von einer anderen Person, ist nicht erwiesen. Die Folgen jedenfalls waren verheerend: Im Zuge der Ermittlungen gegen die vermutete kommunistische Zelle wurden 32 weitere Personen festgenommen und zum Teil im Zuge "verschäfter Vernehmungen" von der Stuttgarter Gestapo damals exzessiv gefoltert.

Zur weiteren Bearbeitung von Muglers Antrag auf Anerkennung als politisch Verfolgter schaltete der Landesausschuss der politisch Verfolgten am 24. Oktober 1946 die Stuttgarter kriminalpolizeiliche "KZ-Prüfstelle" ein. Ob diese polizeilichen Ermittlungen Hinweise auf den Verrat der Müller-Gruppe ergaben, ist (uns) nicht bekannt. Die Landesstelle des Landesausschusses jedenfalls lehnte Muglers Antrag am 28. Mai 1947 ab. In der Ablehnung wurde auf den Denunziationsverdacht allerdings kein Bezug genommen, zur Begründung hieß es über Mugler lediglich: "gibt zu, aus nicht polit. Gründen inhaftiert gewesen zu sein".

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Mugler_Antrag
Antrag auf Anerkennung als polit. Verfolgter (abgelehnt), Auszug, VVN-Archiv  Stuttgart
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Mugler_Friedr.

Eine Folge der Ablehnung war, dass Friedrich Mugler seine Rente im März 1948 wieder aberkannt wurde. Am 25. September 1949 verstarb er in Stuttgart, vermutlich an den Haftfolgen.

 

Im Wiedergutmachungsverfahren klagte der Vater August Mugler wiederholt gegen ablehnende Bescheide, in denen politische Gründe für die KZ-Inhaftierung seines Sohnes nicht anerkannt wurden. Im Sommer 1957 ersuchte das Landgericht Stuttgart, Entschädigungskammer II, den Internationalen Suchdienst (ITS) in Arolsen um Angaben über Haftgrund und Krankheiten während der Haftzeit. Der Suchdienst konnte bestätigen, dass Mugler im KZ den Roten Winkel trug und dass in einer Befreiungsliste „Umgang mit einer Russin“ vermerkt war.

An seinem Wohnort Stuttgart-Zuffenhausen ist über Friedrich Mugler nichts bekannt. Auch kein Stolperstein erinnert (Stand Juni 2022) an ihn.

Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt Friedrich Muglers Wohnadresse Stammheimerstraße 84 in 70435 Stuttgart-Zuffenhausen.


Quellen und Literatur

ITS Digital Archive, Arolsen Archives
1.1.26 Individuelle Häftlingsunterlagen – KL Mauthausen
1.1.16 Individuelle Häftlingsunterlagen – KL Dachau
1.1.6.12 Dachau, Transportliste nach KZ Mauthausen Dok. Nr. 128452097
6.3.3.2 Korrespondenzakte T/D 655715

Staatsarchiv Ludwigsburg
EL 350 I Bü 2080, Bü 2097, Bü 2079

VVN-Archiv Stuttgart
Formular "Ehrengabe"
Fragebogen (mit Dank an Volger Kucher)

Searching Dachau Concentration Camp Records in One Step (https://stevemorse.org/dachau/dachau.html)

Ingrid Bauz, Sigrid Brüggemann, Roland Maier (Hg.): Die geheime Staatspolizei in Württemberg und Hohenzollern. Stuttgart, 3. Aufl. 2018, S. 187-192 (zum Fall Hans-Müller-Gruppe).


© Text und Recherche:
Roland Maier, Stuttgart
Stand: Juni 2022
www.kz-mauthausen-bw.de