Direkt zum Inhalt
« Zurück

Georg Breitinger

geb. 1898

Kommunistischer Arbeiter aus Heidenheim

 

08.02.1933 Verhaftung, Gefängnis Rottenburg bis 15.05.1934
11.07.1934 erneute Verhaftung, Zuchthaus Ludwigsburg
27.07.1936 Polizeigefängnisse Stuttgart und Welzheim
12.10.1936 KZ Dachau
27.09.1939 KZ Mauthausen
21.04.1944 Mauthausen Außenlager Melk und Ebensee
06.05.1945 im KZ Ebensee befreit

Georg Breitinger wurde am 27. Februar 1898 in Heidenheim an der Brenz geboren. Er hatte sechs Geschwister. Da die Mutter bei seiner Geburt starb, wurde er bei Pflegeeltern untergebracht. Nach der Volksschule machte er eine Lehre als Gießer, später legte er seine Meisterprüfung als Former ab. 1915 kam er als Kriegsfreiwilliger zum Fronteinsatz, für den er mit dem Eisernen Kreuz zweiter Klasse ausgezeichnet wurde. Von 1922 bis 1925 tat er Dienst bei der Württembergischen Schutzpolizei, wurde dann aber wegen Dienstverweigerung entlassen. Seit 1925 wohnte er in Stuttgart, zunächst in der Silberburgstraße, zuletzt in der Falkertstraße 48 im ersten Stock. 1930 wurde er arbeitslos. Spätestens seit dieser Zeit war er politisch überaus aktiv. 1931 trat Breitinger der Kommunistischen Partei (KPD) bei, wurde Mitglied des kommunistischen „Kampfbund gegen den Faschismus" und der „Internationale Arbeiterhilfe (IAH)". Er leitete die Straßenzelle Rosenbergstraße seiner Partei und beteiligte sich an öffentlichen „Agitprop"-Auftritten.

Am 8. Februar 1933 wurde er wegen des Verteilens politischer Flugblätter verhaftet und ins Stuttgarter Untersuchungsgefängnis verbracht. Das Reichsgericht, der oberste Gerichtshof im Deutschen Reich mit Sitz in Leipzig, legte ihm den Besitz von zehn Exemplaren der „Roten Sturmfahne" zur Last und verurteilte ihn am 15. Juni 1933 wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu einer Haftstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Die Strafe saß er bis zum 15. Mai 1934 im Gefängnis Rottenburg ab.

Das Leben in Freiheit währte nur kurz und war geprägt von Hausdurchsuchungen und Observation. Nachdem die Polizei eine „vertrauliche Mitteilung" von einer nicht genannten Person erhalten hatte, wurde er am 11. Juli 1934 wieder verhaftet. Möglicherweise kam die Denunziation aus dem Beziehungsumfeld seiner Ehefrau Elise, geborene Kaiser. Dies ist jedoch nicht erwiesen. Jedenfalls wurde die Ehe im folgenden Jahr geschieden. Erneut wurde Breitinger wegen „Vorbereitung zum Hochverrat" verurteilt. Das Oberlandesgericht Stuttgart erkannte am 26. September 1934 auf 2 Jahre Zuchthaus, die er in der Haftanstalt Ludwigsburg verbüßte. In deren Abschlussgutachten vom 11. Mai 1936 hieß es, Breitinger trage die Haft ruhig, arbeite fleißig und sei ansonsten zurückhaltend. Er habe keinen eigentlichen kriminellen Hang, dem Eindruck nach sei er aber nach wie vor dem Nationalsozialismus feindlich gesonnen, weshalb die soziale Prognose ungünstig sei: „ein Verzicht auf die Inschutzhaftnahme scheint daher nicht angebracht." Auch dem NS-Justizvollzug erschien hier offenbar das Strafrecht als zu lax, weshalb er auf die Vollmachten der Polizei und der SS setzte. Tatsächlich bemächtigte sich die Gestapo seiner bei der Entlassung durch die Justiz und brachte ihn über das Stuttgarter Polizeigefängnis II bis zum Eintreffen des Schutzhaftbefehls aus Berlin in das Gestapogefängnis Welzheim. Von dort kam er am 12. Oktober 1936 in das Konzentrationslager Dachau, wo er als „Sch.DR" (deutscher Schutzhäftling) Nummer 10891 den „roten Winkel" der „Politischen" trug. Am 2. November 1938 wurde er an einen nicht genannten Ort überstellt; nach späteren Hinweisen seines damaligen Mithäftlings Fritz Schock dürfte es sich um das Polizeigefängnis Welzheim gehandelt haben. Sehr wahrscheinlich wurden Schock und Breitinger weiteren Vernehmungen durch die Stuttgarter Gestapo unterzogen. Die lange Dauer der Aussetzung der Dachau-Haft - immerhin fünf Monate - könnte auch darauf hindeuten, dass gegen Breitinger noch ein weiteres Strafverfahren anhängig war. Quellen, die diese Hypothese stützen könnten, sind uns allerdings keine bekannt. Am 3. April 1939 kam Breitinger wieder zurück ins KZ Dachau.

Anlässlich der temporären Umwidmung des Lagers Dachau für Ausbildungszwecke der SS kam Breitinger mit einem 1.600 Häftlinge umfassenden Massentransport am 27. September 1939 in das KZ Mauthausen. Er gehörte zu dem Teil der Dachauer Häftlinge, die dort eine eigene Mauthausen KZ-Nummer (Nr. 345) erhielten, und er kam auch nicht wieder zurück nach Dachau. Auf seiner Häftlings-Personalkarte finden sich die Angaben: „geschieden, 3 Kinder, ohne Religion". Ende Mai 1943 wurde er im Krankenbau Mauthausen einer Operation unterzogen. Innerhalb der von Mangel und Unterernährung gezeichneten Lagerwelt hatte er eine vergleichsweise geradezu optimale, wenn wohl auch nicht ganz ungefährliche Position inne: bis 21. April 1944 war er, lediglich unterbrochen von einem kurzen Aufenthalt im Krankenrevier im Januar 1944, im Lebensmittelmagazin des KZ Mauthausen eingesetzt. Danach wurde er in das neu errichtete Außenlager Melk versetzt, wo unter dem Projektnamen „Quarz" für die Untertage-Rüstungsproduktion der Steyr Daimler Puch AG riesige Stollen in den Berg getrieben wurden. Breitinger war hier, wie auf seiner Häftlingspersonalkarte vermerkt ist, als „Blockpersonal" eingesetzt. Nach späteren Angaben seines Mithäftlings Otto Wahl, mit dem er über Jahre gut bekannt war, kam er ab und zu in das Lager Mauthausen zurück. Beim Nahen der alliierten Truppen wurde die geplante Ermordung der „Quarz"-Häftlinge durch Sprengung der Stollen nicht in die Tat umgesetzt. Statt dessen kamen die meisten von ihnen Mitte April 1945 in das KZ-Außenlager Ebensee. So auch Georg Breitinger. Das Lager Ebensee wurde am 6. Mai 1945 von US-Soldaten befreit. Tags darauf wurde Breitinger formell aus dem Lager entlassen.

Breitinger kehrte in seine Heimat zurück. Vom 18. Mai 1945 bis Ende 1947 war er in Heidenheim, Talstraße 48, gemeldet. Nach seinen eigenen Angaben hatte er aufgrund seiner Inhaftierung und seiner Ehescheidung „Hab und Gut verloren" und stand nach seiner Entlassung 1945 „völlig mittellos" da.

Im Zuge der „Entnazifizierung" arbeitete Breitinger als Angestellter bei der Spruchkammer Heidenheim. Danach – wahrscheinlich im Jahr 1948 – übersiedelte er in die Ostzone/DDR, wo er sich mindestens bis Ende der 1950er Jahre in Hohenelse im Kreis Neuruppin aufhielt und in der Verwaltungsleitung des dortigen Sanatoriums tätig war. Am 26. Mai 1961 teilte Alfred Hausser (VVN Stuttgart) dem Landesamt für die Wiedergutmachung in Stuttgart, das noch ein gutes Jahr zuvor beim Internationalen Suchdienst in Arolsen eine Inhaftierungsbescheinigung angefordert und erhalten hatte, mit, dass Breitinger, Hohenelse, „keinerlei Ansprüche" nach Bundesentschädigungsgesetz (BEG) geltend mache. Er sei nicht mehr Mitglied der VVN Baden-Württemberg. Die Entschädigungssache könne als vollständig erledigt betrachtet werden.

Über Breitingers weiteres Schicksal liegen uns keine Informationen vor. Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt Georg Breitingers Wohnadresse Falkertstraße 48 in Stuttgart.


Quellen

ITS Digital Archive, Arolsen Archives
1.1.6.7 Schreibstubenkarten Dachau / Georg Breitinger
1.1.26.3 Individuelle Häftlings Unterlagen - KL Mauthausen / Georg Breitinger
6.3.3.2 Korrespondenzakte T/D - 783 758

Staatsarchiv Ludwigsburg
EL 350 I Bü 37027
E 356 d V Bü 516

Hauptstaatsarchiv Stuttgart EA 11/150 Bü 443

VVN-Archiv Baden-Württemberg, Stuttgart, D 2948

Searching Dachau Concentration Camp Records in One Step (https://stevemorse.org/dachau/dachau.html)

 

© Text und Recherche:
Roland Maier, Stuttgart
Stand: August 2021
www.kz-mauthausen-bw.de