Gustav Weissenberger (1896 - 1963)
Kommunist; „Gewitter“-Häftling
23.08.1944 KZ Natzweiler
06.09.1944 KZ Dachau
16.09.1944 KZ Mauthausen
05.05.1945 im KZ Mauthausen befreit
Gustav Weissenberger wurde am 14. Dezember 1896 im südbadischen Zell im Wiesental im heutigen Landkreis Lörrach geboren. Von Beruf war er Korbmacher, verdiente seinen Lebensunterhalt aber als Bauarbeiter. Er war verheiratet mit Hilda Form (1895-1982) und hatte eine 1918 geborene Tochter. Die Familie wohnte im Paradies 4 in Zell.
Weissenberger war von 1920 bis 1923 Mitglied der SPD. Im Sommer 1923 kam es in der Lörracher Gegend zu Unruhen. Aufgrund der galoppierenden Inflation erlitt die Arbeiterschaft starke Reallohneinbußen. Die wachsende Unzufriedenheit der Arbeiterinnen und Arbeiter war insbesondere in Zell mit einem Erstarken der Kommunistischen Partei (KPD) verbunden. Als am 14. September 1923 in Lörrach ein Generalstreik begann, wurde die Stadt von 300 Schutzpolizisten besetzt. Drei Tage darauf begann auch in Zell ein Generalstreik. Alle Fabrikanten wurden gefangengenommen und die Stadt verbarrikadiert. Über die Region wurde der Ausnahmezustand verhängt. Zwar konnte man sich darauf einigen, dass jeder Arbeiter 30 Schweizer Franken oder den Gegenwert in Lebensmitteln erhielt, doch blieb das aufständische Potential in Zell weiter aktiv. Im November wurde dort der umstürzlerische Plan, eine kommunistische „Süddeutsche Republik“ zu errichten, aufgedeckt. Eine aus Waldshut angerückte Polizeihundertschaft fand Munitions- und Sprengstoffvorräte und verhaftete die Aktivisten. 32 Zuchthausstrafen wurden verhängt, 17 davon gegen Zeller Bürger. Die Kommunisten hatten am Ort erheblichen Zulauf. Bei der Reichstagswahl 1924 erhielten sie dort 17,7 Prozent der Stimmen.
Gustav Weissenberger, der 1923 an den Unruhen in Lörrach beteiligt gewesen war, wurde, nachdem er sich zwischenzeitlich in die Schweiz zurückgezogen hatte, im Dezember 1923 verhaftet. Im Herbst 1924 wurde er wegen Sprengstoffverbrechens und Vorbereitung zum Hochverrat zu 4 Jahren Zuchthaus abzüglich der Untersuchungshaft verurteilt. Nach Verbüßung dieser Strafe im November 1927 trat er der KPD bei. Als Mitglied der KPD saß er im Gemeinderat in Zell, dem er bis 1931 angehörte. Auch trat er als Redner in Versammlungen auf und betätigte sich in vielfältiger Weise für die Ziele seiner Partei.
Als in der Region bekannter Kommunist war er auch im NS-Staat der Verfolgung ausgesetzt. So wurde ihm zur Last gelegt, er habe am 8. Oktober 1936 im Gasthaus „Zum Ochsen“ in Zell gegenüber einem ihm bekannten SA-Mann die Nazis als „Strolche“ und als „Lumpen“ bezeichnet, die „mit ihrem Hitler sterben“ müssten. Zudem habe er unumwunden bekundet: „Ich bin Gegner der Nazi und bleibe was ich vorher war, für mich kommt nur Moskau in Frage. (...) Ich bin früher im kommunistischen Räterat gewesen, dafür bin ich jahrelang im Zuchthaus gesessen und ich bin heute immer noch der Gleiche". Bereits vier Tage nach dem fraglichen Wirtshausbesuch saß er in Untersuchungshaft im Gerichtsgefängnis Schopfheim wegen des Verdachts der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens. Weissenberger bestritt, die ihm vorgeworfenen Äußerungen getan zu haben. Das Sondergericht Mannheim hielt dies in Anbetracht seiner notorisch kommunistischen Haltung für nicht glaubhaft und stützte sich auf die Zeugenaussage des SA-Mannes. Die ursprünglich vorgesehene Anklage wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ wurde zunächst fallengelassen, doch wurde er durch das Oberlandesgericht Stuttgart am 11. Juni 1937 dennoch wegen zweier Verbrechen der Vorbereitung zum Hochverrat zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt .Die Strafe verbüßte er im Zuchthaus Ludwigsburg und im Strafgefangenenlager II Aschendorfermoor (einem Emslandlager).
Am 22. August 1944 wurde Gustav Weissenberger im Rahmen der nach dem Umsturzversuch des 20. Juli 1944 erfolgten reichsweiten Verhaftungsaktion „Aktion Gewitter“ (auch Aktion Gitter und Aktion Himmler genannt) erneut festgenommen und ins Gerichtsgefängnis Lörrach eingeliefert. Die Gestapoaktion „Gewitter“ betraf ehemalige Funktionäre und Mandatsträger der Sozialdemokraten, Kommunisten, der Zentrumspartei sowie weiterer Parteien der Weimarer Republik. Am folgenden Tag wurde er von der Gestapo – Stapoleitstelle Karlsruhe – in das Konzentrationslager Natzweiler im Elsass eingewiesen (Häftlingsnummer 23385). Als das Hauptlager Natzweiler wenig später angesichts der näherrückenden Front aufgelöst wurde, kam er per Sammeltransport vom 4./6. September 1944 in das KZ Dachau (Häftlingsnummer 101420 „Sch.“ - Schutzhaft). Hier wurde er im Außenlager Allach eingesetzt. Bereits am 14./16. September 1944 erfolgte jedoch, ebenfalls per Sammeltransport, die Überstellung in das Konzentrationslager Mauthausen (Häftlingsnummer 99387 „Polit“). Ab 23. März 1945 war er als Hilfsarbeiter in dem wenige Tage zuvor zu Bahnbauzwecken errichteten Mauthausen-Außenlager Amstetten eingesetzt. Anfang April kamen die ersten Häftlinge von dort wieder zurück ins Hauptlager. Am 18. April 1945 wurde das KZ-Außenlager in Amstetten geschlossen und die restlichen verbliebenen Häftlinge wurden ebenfalls ins KZ Mauthausen rücküberstellt. Gustav Weissenberger wurde hier am 5. Mai 1945 von der US-Armee befreit.
Am 25. November 1945 beantragte Weissenberger Wiedergutmachung bei der Zweigstelle Lörrach der Badischen Landessstelle für die Betreuung der Opfer des Nationalsozialismus. Diese Stelle befand im Mai 1948 hinsichtlich seiner Einstufung: "Weissenberger bleibt in Gruppe I [...]. In die Kämpfer-Gruppe kann Weissenberger aufgrund seiner Vorstrafe 1933 nicht kommen" (er war 1933 wegen Erpressung zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden. Die Einstufung der NS-Opfer durch die Betreuungsstellen nach dem Krieg ist allerdings noch weitgehend unerforscht). Für die beantragte Entschädigung für die erlittene NS-Verfolgung war das Landesamt für Wiedergutmachung Karlsruhe zuständig, Weissenberger ließ sich dabei von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) Stuttgart vertreten. Das Urteil wegen Hochverrat wurde per Beschluss des Landgerichts Waldshut 1947 aufgehoben.
Gustav Weissenberger starb am 26. Dezember 1963.
Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt seinen Wohnsitz Paradies 4 in Zell im Wiesental im Landkreis Lörrach.
Quellen und Literatur
ITS Digital Archive, Arolsen Archives
DocID: 10779290
1.1.26.3 Individuelle Unterlagen Männer Mauthausen – Gustav Weissenberger
Korrespondenzakte T/D 5114964 (gesperrt)
Generallandesarchiv Karlsruhe
507 Nr. 6447
Staatsarchiv Ludwigsburg
E 356 d V Bü 1656
Staatsarchiv Freiburg
F 196/1 Nr. 1033
F 166/3 Nr. 5906
F 166/3 Nr. 6090
D 180/2 Nr. 126075
VVN-Archiv Stuttgart
EF 1033
Landesarchivdirektion Baden-Württemberg in Verbindung mit dem Landkreis Lörrach (Hg.): Der Landkreis Lörrach. Band 2: B. Gemeindebeschreibungen Kandern bis Zell im Wiesental. Sigmaringen 1994, S. 901f.
© Text und Recherche:
Roland Maier, Stuttgart
Stand: Oktober 2023
www.kz-mauthausen-bw.de