Heinrich Focken (1898 - 1992)
Arbeiter, Kommunist, Kommunalpolitiker
01.03.1933 Verhaftung
29.05.1933 bis März 1934 KZ Heuberg und Kislau
Dezember 1936 bis Juli 1937 Gefängnis Rastatt
23.08.1944 KZ Natzweiler-Struthof
06.09.1944 KZ Dachau
16.09.1944 bis 23.11.1944 KZ Mauthausen
Heinrich („Heinz“) Focken wurde am 16. Juli 1898 in Berlin geboren, erlernte den Beruf des Messingschlossers und nahm als Soldat am Ersten Weltkrieg teil. Mit seiner späteren Ehefrau Rosa Loffaier ließ er sich 1927 in Ottenau (heute: Gaggenau-Ottenau im Kreis Rastatt) nieder. Das Paar wohnte in der heutigen Marxstraße 5 und hatte drei Kinder. Heinrich Focken arbeitete beim ortsansässigen Benz-Werk Gaggenau.
1927 trat er der SPD bei und engagierte sich im Bürgerausschuss. Als die NSDAP immer mehr an Zuspruch erfuhr, verließ er die Sozialdemokraten und gründete 1929 zusammen mit fünf weiteren Gesinnungsgenossen in Ottenau eine Ortsgruppe der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Die Ortsgruppe gab als Parteiblatt die „Dorfzeitung“ heraus. Focken engagierte sich gegen die NSDAP und agitierte gegen sie auch bei von dieser selbst veranstalteten Versammlungen, weshalb er am 30. Mai 1933 im „Rastatter Tageblatt“ als „Ottenaus größter Hetzer“ öffentlich diffamiert wurde.
Heinrich Focken wurde bereits Anfang März 1933 verhaftet und kam über das Gefängnis Rastatt Ende Mai ins Konzentrationslager Heuberg bei Stetten am Kalten Markt. Als dieses Lager zum Jahresende geschlossen wurde, wurde er in das badische Schutzhaftlager Kislau bei Mingolsheim verlegt, aus dem er im März 1934 entlassen wurde.
Im Juli 1936 wurde Focken erneut verhaftet, nachdem er wegen despektierlicher Äußerungen über Nazi-Führer an seiner Arbeitsstätte in den Benz-Werken denunziert worden war. Das Sondergericht Mannheim verurteilte ihn wegen Vergehens gegen das nationalsozialistische „Heimtückegesetz“ zu zwölf Monaten Gefängnis. Nach Verbüßung seiner Haftstrafe im Rastatter Gefängnis, wo er in Einzelhaft saß, fand er eine Anstellung bei der Papierfabrik Schöller& Hoesch in Gernsbach. Als Soldat diente Focken bei der Befestigung des Westwalls. Danach fand er 1941 wieder eine Anstellung als Rundschleifer bei den Daimler-Benz-Werken in Gaggenau.
Der nächste Freiheitsentzug erfolgte nach dem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944. Im Rahmen der „Aktion Gewitter“ (auch: „Aktion Gitter“ oder Aktion Himmler) wurde er in den frühen Morgenstunden des 22. August 1944 von der Gestapo Karlsruhe verhaftet. Diese Verhaftungsaktion betraf ehemalige Funktionäre und Mandatsträger der Sozialdemokraten, Kommunisten und des Zentrums sowie weiterer Partien der Weimarer Republik. Am folgenden Tag wurde er in das KZ Natzweiler-Struthof eingewiesen (Häftling Nummer 23140). Da dieses Lager wenig später angesichts der sich nähernden Front von der SS aufgelöst wurde, kam er am 6. September 1944 mit einem großen Häftlingssammeltransport in das Konzentrationslager Dachau, wo er die Häftlingsnummer 101917 „Sch DR“ (Schutzhaft Deutsches Reich) zugeteilt bekam. Bereits eine Woche später erfolgte seine Überstellung in das Konzentrationslager Mauthausen, seine dortige Häftlingsnummer war 98046 „Polit.RD.“
Er wurde zu Arbeiten im Steinbruch „Wiener Graben“ eingeteilt. Dazu Focken in seinen Lebenserinnerungen: „Morgens traten wir an zum Steine tragen aus dem Steinbruch. Zirka 1000-1500 Mann, zu fünft in Kolonnen geordnet, so geht's im Gleichschritt in den Bruch. Einhundertfünfundachzig ausgehauene Stufen, auf einer Seite die hohe Wand des Steinbruchs, auf der anderen geht die Tiefe 35-40 Meter hinab. Entkräftet, vom Hunger geplagt, ist jeder Weg auch ohne Stein für den geschwächten Körper schon eine Plage. Wir sind an den Stufen der Todestreppe angelangt. Am Fuße der Treppe liegt ein Klumpen. Unkenntlich im Gesicht, das Nasenbein eingeschlagen, blutüberströmt liegt da ein Mensch. Er ist fertig, kann nicht mehr gehen. Rechts neben uns eine besondere Strafkolonne, gehetzt von Nazis, mit Gummiknüppeln bewaffnet, treiben einzelne Häftlinge vor sich her. Die Häftlinge schleppen einen Stein von zirka 40 kg ächzend die Treppe herauf, getrieben von ihren sadistischen Peinigern. Ein Häftling stürzt, Schläge, Tritte bis er sich aufrafft, den Stein versucht zu heben. Es geht einfach nicht, wieder stürzt er [...]“.
Am 23. November 1944 wurde Heinrich Focken aus dem KZ Mauthausen entlassen. Er kehrte völlig abgemagert und krank nach Hause zurück. Noch bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs galt er als Staatsfeind und wurde von der Gestapo überwacht.
Nach dem Einmarsch der französischen Truppen am 11. April 1945 in Gaggenau wurde er von der Ortskommandantur als Bürgermeister von Ottenau und bald darauf als Bürgermeister der gesamten Stadt Gaggenau eingesetzt. Damit übernahm er die schwierige Aufgabe des Wiederaufbaus der zu 75 Prozent zerstörten Stadt sowie die Entnazifizierung. Er verhinderte federführend eine Demontage der Daimler-Benz-Werke. Auch sorgte er für die Umbenennung von Straßen, die Namen von Nationalsozialisten und Militaristen trugen, unter anderem erhielt die Mackensenstraße, in der Focken mit seiner Familie wohnte, den Namen Marxstraße. Im Februar 1946 wurde er als Bürgermeister abgesetzt. Im selben Jahr trat er aus der KPD aus. Er betätigte sich fortan künstlerisch als Maler. Auch spielte er in dem von ihm 1930 gegründeten Arbeiter-Schachclub Ottenau.
Als "Henri Focken" wurde ihm ein "fiche provisoire" ausgestellt. Aus dem Dokument geht hervor, dass er am 22. Januar 1948 in Rastatt überprüft worden war. Wahrscheinlich hatte er bei der Internationalen Flüchtlingsorganisation IRO Unterstützung beantragt. Der Zusatz "A" zu seiner Identifikationsnummer dürfte darauf hinweisen, dass er als unterstützungsberechtigt eingestuft wurde.
1970 war er Mitbegründer der Städtepartnerschaft mit der französischen Stadt Annemasse. Beruflich blieb er bei den Daimler-Benz-Werken, wo er bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand 1963 im Ersatzteillager arbeitete.
1983 strahlte der Südwestfunk einen Dokumentarfilm über Heinrich und Rosa Focken aus. Heinrich Focken verstarb am 27. April 1992 im Alter von 93 Jahren in Bühl, Kreis Rastatt.
Auf der Übersichtskarte ist Heinrich Fockens Wohnadresse markiert: Marxstraße 5 in Gaggenau-Ottenau (Landkreis Rastatt).
Quellen und Literatur
ITS Digital Archive, Arolsen Archives
1.1.29.2 Individuelle Unterlagen Natzweiler / Heinrich Focken
1.1.6.2 Individuelle Unterlagen Dachau / Heinrich Focken
1.1.26.3 Individuelle Unterlagen Männer Mauthausen / Heinrich Focken
1.1.6.12 Dachau-Sammlung des Zentralkomitees der befreiten Juden in der US Zone / Transportliste nach dem KL. Mauthausen ObD, Dok.Nr. 128452119
DocID: 67065616 (Henri FOCKEN)
Staatsarchiv Freiburg
D 180/2 Nr. 221760
F 166/3 Nr. 2705
P 303/4 Nr. 2279
Generallandesarchiv Karlsruhe
Karteikarte Kislau (Laufzeit 1933-1936)
GLA 507 Nr. 2143-2145
Heinrich Focken: Lebenserinnerungen. Unveröffentlichtes Manuskript, ca. 80 Seiten, o.O.o.J.
Adalbert Metzinger: Menschen im Widerstand – Mittelbaden 1933–1943 (= Sonderveröffentlichung des Kreisarchivs Rastatt, Band 13). Rastatt 2017, S. 51–58.
Ursula Krause-Schmitt u.a. (Red.): Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945, Baden-Württemberg I. Frankfurt/M. 1991, S. 116/17.
„Ich kann alles ertragen, bloß keine Ungerechtigkeit“ – Portrait des Ehepaares Rosa und Heinrich Focken, SWF III. Programm (Sarah Palmer), Baden-Baden 1983.
leo-bw.de: Focken, Heinrich
Wikipedia Personenartikel: Heinrich Focken
© Text und Recherche:
Roland Maier, Stuttgart
Stand: Mai 2023
www.kz-mauthausen-bw.de