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Hermann Währer (1884 - 1945)

Opfer der Aktion „Gewitter“

23.08.1944 KZ Natzweiler
06.09.1944 KZ Dachau
16.09.1944 KZ Mauthausen
17.03.1945 gestorben im KZ Mauthausen

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Währer Foto
Hermann Währer, erkennungsdienstliches Foto vom 27.9.1935. GLA 509 Nr. 498

Hermann Währer wurde am 15. Juli 1884 in Raitbach (heute ein Stadtteil von Schopfheim im Landkreis Lörrach) geboren. An seinem Geburtsort besuchte er acht Jahre die Volksschule, danach zwei Jahre die Gewerbeschule in Basel. Von Beruf war er Schlosser beziehungsweise Eisendreher. Er war konfessionslos, verheiratet mit Emma Gruner und hatte zwei Kinder. Die Familie wohnte in einem Einfamilienhaus der Baugenossenschaft Gartenstadt Haltingen-Weil in der Kaiserstraße 46 in Haltingen (heute ein Stadtteil von Weil am Rhein) zur Miete.

Währer war seit 1921 Mitglied der Ortsgruppe Haltingen der Kommunistischen Partei (KPD). Er arbeitete als Dreher beim Bahnbetriebswerk in Haltingen, wo er auch Betriebsratsvorsitzender war. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde er am 4. März 1933 als Kommunist in das Gerichtsgefängnis in Lörrach eingeliefert und eine knappe Woche in Schutzhaft genommen. Einen Monat später verlor er seinen Arbeitsplatz, nachdem der Generaldirektor der Deutschen Reichsbahn verfügt hatte, dass Beamte und Arbeiter, die sich kommunistisch betätigen, bei der Deutschen Reichsbahn zu entlassen sind. Für Währer und weitere etwa 20 Bedienstete des Haltinger Bahnbetriebswerks – darunter Heinrich Haas – bedeutete dies die fristlose Kündigung. Danach war er einige Zeit erwerbslos, bis er bei der Waschmaschinenfabrik Kern in Lörrach eine neue Beschäftigung fand.

Am 2. September 1935 wurde Währer in den Rheinwaldungen, wo er zu dieser Zeit für die Gemeinde Haltingen Pflichtarbeiten verrichtete, vorläufig festgenommen, auf der Polizeidienststelle verhört und unter dem Verdacht, eine kommunistische Zeitschrift verbreitet zu haben, in das Bezirksgefängnis eingeliefert. Hintergrund war, dass bei einem Arbeitskollegen der Firma Kern, der einige Tage zuvor wegen Werkzeugdiebstählen verhaftet worden war, von der Polizei nebenbei die kommunistische Schrift „Einheit“ aufgefunden wurde. Der Kollege hatte daraufhin ausgesagt, diese in der Schweiz hergestellte kleingedruckte illegale Schrift von Währer, der in der Firma im selben Raum arbeitete, in einem Briefumschlag während der Frühstückspause erhalten zu haben.

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Währer Einheit
Inkriminierte Druckschrift „Einheit“ vom April 1935. GLA 509 Nr. 498

Eine über Weitergabe eines einzelnen Exemplars der „Einheit“ an den Kollegen hinausgehende propagandistische Tätigkeit konnte Währer aber nicht nachgewiesen werden. Auch wurde bei einer Hausdurchsuchung bei Währer außer dem als "kommunistisch" eingestuften Buch "Zehn Tage, die die Welt erschütterten" von John Reed kein weiteres belastendes Material gefunden. Dennoch wurde er weiter in Haft gehalten, und auch eine Bitte, ihn im Gefängnis besuchen zu dürfen, um Fragen im Zusammenhang mit dem von Währer und seiner Frau beabsichtigten Bau eines Wohnhauses in Haltingen besprechen zu können, wurde vom zuständigen Generalstaatsanwalt abgewiesen.

Da die Ermittlungen nicht ausreichten, Währer ein "Verbreiten" der Druckschrift "Einheit“ nachzuweisen, war er nicht eines Verbrechens nach § 83 StGB (Vorbereitung zum Hochverrat) zu überführen. Deshalb wich die Justiz auf einen anderen Straftatbestand mit einem etwas geringeren Strafmaß aus: Am 9. Dezember 1935 verurteilte ihn das Sondergericht Mannheim auf der Grundlage des § 4 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 zu zehn Monaten Gefängnis abzüglich der dreimonatigen Untersuchungshaft. Nach der Strafverbüßung scheint Währer wieder auf freien Fuß gesetzt worden und von den Strafverfolgungsbehörden nicht weiter belangt worden zu sein.

Am 22. August 1944 wurde Hermann Währer im Rahmen der nach dem Umsturzversuch des 20. Juli 1944 erfolgten reichsweiten Verhaftungsaktion „Aktion Gewitter“ (auch Aktion Gitter und Aktion Himmler genannt) erneut festgenommen. Die Gestapoaktion „Gewitter“ betraf ehemalige Funktionäre und Mandatsträger der Sozialdemokraten, Kommunisten und der Zentrumspartei sowie weiterer Parteien der Weimarer Republik. Am folgenden Tag wurde er von der Gestapo – Stapoleitstelle Karlsruhe – in das Konzentrationslager Natzweiler im Elsass eingewiesen (Häftlingsnummer 23386). Als das Hauptlager Natzweiler wenig später angesichts der näherrückenden Front aufgelöst wurde, kam er per Sammeltransport vom 4./6. September 1944 in das KZ Dachau (Häftlingsnummer 102081 „Sch.“ - Schutzhaft). Bereits am 14./16. September 1944 erfolgte jedoch, ebenfalls per Sammeltransport, die Überstellung in das Konzentrationslager Mauthausen (Häftlingsnummer 99368 „Polit“). Am 17. März 1945 verstarb er im Sanitätslager des KZ Mauthausen im Alter von 60 Jahren.

In Haltingen wurde auf einen 1946 gestellten Antrag des "Comité zur Betreuung der Opfer des Nationalsozialismus" hin eine Straße nach Hermann Währer benannt.

Für die Bearbeitung des Wiedergutmachungsantrags der Witwe war die Außenstelle Freiburg des Landesamts für die Wiedergutmachung zuständig.

Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt Hermann Währers Wohnadresse Kaiserstraße 46 in Weil am Rhein (Landkreis Lörrach).


Quellen und Literatur

ITS Digital Archive, Arolsen Archives
1.1.29.2 Individuelle Unterlagen Natzweiler – Hermann Währer
DocID: 10775768 (Hermann Währer)
0.1 / 48485196

Generallandesarchiv Karlsruhe
507 Nr. 495-498 (Sondergericht Mannheim)

Staatsarchiv Freiburg
F 166/3 Nr. 3706 (Landgericht Freiburg, Rückerstattung)
F 166/3 Nr. 6315 (Wiedergutmachung)
F 196/1 Nr. 10744, 1382

VVN-Archiv Stuttgart
unsignierte Akte

Ursula Krause-Schmitt: Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945, Baden-Württemberg II. Frankfurt-Bockenheim 1997, S. 83.

Ulrich Tromm: Naziopfer, die im KZ starben - Weil am Rhein - Badische Zeitung v. 20.5.2015.


© Recherche und Text:
Roland Maier, Stuttgart
Stand: Mai 2023
www.kz-mauthausen-bw.de