Karl Ehmann (1892 - 1944)
Aus „Unvorsichtigkeit und Dummheit“ etwas gesagt
23.02.1942 Urteil Sondergericht Stuttgart wegen „Heimtücke“
24.03.1942 Strafgefängnis Mannheim
22.04.1942 Arbeitshaus Kislau
23.09.1942 Polizeigefängnis Stuttgart
??.10.1942 KZ Mauthausen
05.12.1942 KZ Gusen
12.04.1944 gestorben im KZ Gusen
Karl Ehmann wurde am 24. Juni 1892 in Grötzingen im damaligen Oberamt Nürtingen geboren. Der Vater – er verstarb bereits 1905 – war von Beruf Steinhauer. Die in Grötzingen ansässige Familie war kinderreich, Karl Ehmann hatte acht Geschwister. Nach eigenen Angaben besuchte er die Volksschule an seinem Heimatort und machte anschließend eine Maurerlehre, die er in Stuttgart mit der Gesellenprüfung abschloss. In einem späteren Gutachten der Landesstrafanstalt Ludwigsburg von 1935 hieß es abweichend, er habe kein Handwerk erlernt und sei Tagelöhner. Vermutlich auch aufgrund des frühen Todes des Vaters wurde 1906 Fürsorgeerziehung angeordnet, so dass er in jungen Jahren in die „Rettungsanstalt“ Schönbühl eingewiesen wurde. Die Anstalt lag etwa 20 km östlich von Stuttgart entfernt oberhalb von Beutelsbach und diente, wie es hieß, der christlichen Erziehung und Berufsbildung sittlich gefährdeter Knaben und Jünglinge evangelischen Bekenntnisses.
Im Ersten Weltkrieg war Karl Ehmann von Oktober 1916 bis November 1918 als Infanterist im Fronteinsatz. 1917 heiratete er, die Ehe wurde 1930 geschieden. Zuvor war er in Beziehung zu einer anderen Frau getreten, mit der er eine 1931 unehelich geborene Tochter hatte. Politisch soll er in der Zeit nach dem Krieg sehr radikal gewesen sein, als Spartakusmann gegolten haben und als Vertrauensmann einer radikalen Belegschaft fungiert haben.
Karl Ehmanns Lebensweg war von Kleinkriminalität gezeichnet. Eine erste Strafe verbüßte er bereits 1906 wegen eines Diebstahls. In der Folgezeit wurde er mehrfach erneut straffällig. Dabei verübte er im Einzelnen eher geringfügige bis mittelschwere Eigentumsdelikte in seinem unmittelbaren sozialen Umfeld. Allein innerhalb des Jahres 1921 entwendete er unter anderem ein Fahrrad bei einem Gastwirt, eine Hose von einem Bekanntem, ein Mutterschaf aus dem Pferch, einen Sack Weizen in der Mühle zu Grötzingen, drei Paar Schuhe und ein Sohlenleder bei einem Schuhmacher. Hinzu kamen Scheckbetrug, Heiratsschwindel und Passbetrug. Im Oktober 1921 verurteilte ihn das Schöffengericht Nürtingen deshalb zu einer Gesamtzuchthausstrafe von drei Jahren. Einige Jahre nach seiner Haftentlassung begann er eine weitere Serie von Straftaten, was 1931 zu einer erneuten Verurteilung führte. Diesmal erkannte die Justiz auf vier Jahre Zuchthaus, die er bis Ende 1935 in der Landesstrafanstalt Ludwigsburg verbüßte. Danach kam er wieder auf freien Fuß, da von einer zunächst in Betracht gezogenen nachträglichen Anordnung einer Sicherungsverwahrung Abstand genommen wurde.
Von einem unbekannten Zeitpunkt an scheint er sich bis 20. Dezember 1939 erneut in Haft befunden zu haben. An diesem Tag wurde er nach Esslingen entlassen, wo er bei der Baufirma Wolfer & Goebel in seinem Beruf als Maurer eine Stelle fand. In der zweiten Jahreshälfte 1940 wurde er auf eine Baustelle auf der Insel Helgoland dienstverpflichtet, danach wurde er weiterverpflichtet für kriegswichtige Fabrikbauten bei der Plochinger Bauunternehmung Eugen Osswald. In Plochingen wohnte Ehmann im Bahnwärterhaus Posten 30.
Zu einem Wendepunkt seines Schicksals sollte ein Gaststättenbesuch am 13. Juli 1941 werden. An diesem Tag saß er in der Wirtschaft zur Brücke in Wernau bei Esslingen, wo er sich zu offenbar regimekritischen politischen Bemerkungen hinreißen ließ. Der genaue Inhalt und Wortlaut seiner Meinungsbekundung ist allerdings nicht überliefert, auch nicht von wem er denunziert wurde. Bei der Vernehmung durch die Gendarmerie in Wernau war er geständig und gab an, die ihm zur Last gelegten Äußerungen „aus Unvorsichtigkeit und in meiner Dummheit“ getan zu haben. Einen guten Monat später wurde er ins Polizeiamt Plochingen vorgeladen, vorläufig festgenommen und in das Gefängnis in Esslingen eingeliefert. Am 23. Februar 1942 verurteilte ihn das Sondergericht Stuttgart wegen Vergehens gegen das Heimtückegesetz § 2 Abs. I zu einem Jahr Gefängnis abzüglich fünf Monaten Untersuchungshaft. Nach § 2 des Gesetzes gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniformen vom 20. Dezember 1934 wurde bestraft, „wer öffentlich gehässige, hetzerische oder von niedriger Gesinnung zeugende Äußerungen über leitende Persönlichkeiten des Staates oder der NSDAP, über ihre Anordnungen oder die von ihnen geschaffenen Einrichtungen“ machte. Die Sondergrichte konnten auf dieser Rechtsgrundlage nahezu jede politisch unerwünschte Äußerung ahnden.
Ehmanns Strafe wurde in der Zeit nach dem Stuttgarter Urteil ab 24. März 1942 in badischen Haftanstalten vollzogen, was vermutlich damit zusammenhing, dass noch ein Verfahren gegen ihn beim Landgericht Konstanz anhängig war. Am 22. April 1942 wurde er vom Strafgefängnis Mannheim für den restlichen Strafvollzug dem Arbeitshaus Kislau überstellt. Am 1. September 1942 ordnete die Stapoleitstelle Stuttgart an, Ehmann nach Strafverbüßung am 22. September 1942 „zur Prüfung der Schutzhaftfrage“ in das Polizeigefängnis II in Stuttgart zu verschuben. Im Bericht des Vorstandes des Arbeitshauses Kislau an die Gestapo hieß es, Ehmann sei „als Volksschädling anzusehen, bei dem eine Dauerverwahrung zum Schutze der Allgemeinheit notwendig ist". Die Tatsache, dass für Ehmann nunmehr die Geheime Staatspolizei ihre Zuständigkeit anmeldete, zeigt, dass seinem Fall jedoch wegen des „Heimtücke“-Delikts vor allem politische Relevanz beigemessen wurde.
Im Oktober 1942 (genaues Datum liegt nicht vor) kam er in das Konzentrationslager Mauthausen, wo er die Häftlingsnummer 13.905 „Pol DR“ (politischer Schutzhäftling Deutsches Reich) zugeteilt bekam. Am 5. Dezember 1942 wurde er in das zum Mauthausen-Komplex zählende KZ Gusen verlegt. Als am 23. Januar 1944 Gusener Häftlinge formell in den Stand des KZ Mauthausen übernommen wurden, erhielt er die neue Häftlingsnummer 44.164. Das KZ Gusen galt nun als „Nebenlager“ des KZ Mauthausen. Dort starb er am 12. April 1944 im Alter von 51 Jahren.
Von einem eventuellen Wiedergutmachungsantrag von erbberechtigten Hinterbliebenen, wie etwa der unehelichen Tochter, ist nichts bekannt.
Die Markierung auf der Übersichtskarte verweist auf den Ort Plochingen, wo Karl Ehmann zuletzt wohnte.
Quellen
ITS Digital Archive, Arolsen Archives
1.1.26.3 Individuelle Unterlagen Männer Mauthausen / Karl Ehmann
0.1 / 20100255
0.1 / 20100253
Staatsarchiv Ludwigsburg
E 356 d III Bü 1290
Generallandesarchiv Karlsruhe
521 Nr. 1530 (Kislau)
Hans Maršálek: Die Geschichte des Konzentrationslagers Mauthausen. Wien Linz 3. Aufl. 1995, S. 115, 118 (Häftlingsnummern)
© Text und Recherche:
Roland Maier, Stuttgart
Stand: März 2025
www.kz-mauthausen-bw.de
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3 Illus:
Erkennungsdienstliches Foto Polizeipräsidium Stuttgart, 20.12.1935. StAL E 356 d III Bü 1290
GLA 332 u. 333
Stapoleitstelle Stuttgart v. 1.9.1942. Schutzhaftabteilung II D, gez. Kriminalobersekretär Ludwig Thumm. GLA 521 Nr. 1530
Beurteilung des Arbeitshauses Kislau v. 4.9.1942: "Volksschädling". GLA 521 Nr. 1530