Richard Schwarz (1910 - 1940)
Wollte sich den Internationalen Brigaden in Spanien anschließen
15.04.1933 - 23.06.1933 Schutzhaftlager Heuberg
01.11.1933 Schutzhaftlager Heuberg
05.12.1933 KZ Oberer Kuhberg
21.02.1934 Strafgefängnis Heilbronn
25.09.1936 Bewahrungslager Kislau
04.12.1937 KZ Dachau
27.09.1939 KZ Mauthausen
25.02.1940 gestorben im KZ Mauthausen
Richard Friedrich Schwarz wurde am 5. Dezember 1910 als Sohn des Straßenwarts Heinrich Schwarz (1864-1946) und seiner Ehefrau Pauline, geborene Keller (1878-1956), in Rutesheim (im heutigen Landkreis Böblingen) geboren. Er hatte zwei ältere Brüder: Karl (geb. 1901), der Goldschmied wurde, und Otto (geb.1904), welcher das Schuhmacherhandwerk erlernte.
Richard besuchte vom siebten bis zum vierzehnten Lebensjahr die Volksschule in Rutesheim. In der dortigen evangelischen Kirche wurde er auch konfirmiert. Nach seiner Schulentlassung 1924 machte er in seinem Heimatort eine Malerlehre. Danach war er ein Jahr bei der Daimler-Benz AG in Sindelfingen als Karosserielackierer beschäftigt. Nachdem er diese Arbeitsverhältnis aufgelöst hatte, ging er auf Wanderschaft und arbeitete an verschiedenen Orten, wobei er sich eine Reihe Vorstrafen zuzog. So wurde er in Merseburg wegen Zechbetrugs und Landstreicherei belangt, in Bergzabern wegen Passvergehens und in Müllheim wegen schweren Diebstahls. In der Zeit der Wirtschaftskrise 1932 endgültig erwerbslos geworden, ging er zum freiwilligen Arbeitsdienst in Rutesheim und blieb dort bis Ostern 1933.
Politisch war Richard Schwarz links orientiert. Er war Mitglied des Kommunistischen Jugendverbands Deutschland (KJVD) und soll nach Angaben der Stapoleitstelle Karlsruhe ein "geschulter politischer Leiter der Jungkommunisten" gewesen sein. Seine Nichte berichtete später, dass er oft zusammen mit Arbeitskollegen Plakate, die sich gegen Hitler und die Nazis richteten, klebte.
Nach der NS-Machtübernahme wurde er - wie auch sein Bruder Karl - verhaftet. Am 15. April 1933 kam er in das Oberamtsgefängnis in Leonberg und von dort zwei Wochen später in das Schutzhaftlager auf dem Heuberg bei Stetten am kalten Markt. Am 23. Juni 1933 (nach anderen Angaben bereits am 16. Juni) wurde er nach Rutesheim entlassen. Danach arbeitete er bis zum 1. November 1933 bei einer Maschinenfabrik in Stuttgart als Lackierer. An diesem Tag wurde er im Betrieb erneut verhaftet, weil er von einem Genossen illegale Zeitungen erhalten hatte. Wiederum kam er auf den Heuberg. Da dieses Lager zum Jahresende aufgelöst wurde, wurde er am 5. Dezember in das Schutzhaft- bzw. Konzentrationslager auf dem Oberen Kuhberg in Ulm verlegt, wo er bis zum 20. Februar 1934 inhaftiert war. Anschließend kam er in das Oberlandesgerichtsgefängnis Stuttgart in Untersuchungshaft. Angeklagt war er wegen Vorbereitung zum Hochverrat. Das OLG verurteilte ihn eine Woche später jedoch wegen Vergehens gegen das Sprengstoffgesetz zu neun Monaten Gefängnis. Diese Strafe verbüßte er bis auf zwei Monate im Gefängnis Heilbronn. Für die restlichen acht Wochen erhielt er Strafaufschub auf Wohlverhalten.
Nach seiner Haftentlassung am 28. September 1934 arbeitete er als Notstandsarbeiter an der Reichsautobahn und später bei seiner alten Firma in Stuttgart als Lackierer. Wegen Streitigkeiten mit seinem Betriebsleiter verließ er die Firma und entschloss sich, sich nach Spanien zu begeben, um im Bürgerkrieg am Kampf der Internationalen Brigaden gegen die rechtsgerichteten Putschisten unter General Franco teilzunehmen. Am 23. September 1936 überschritt er bei Neulauterburg (Germersheim) illegal die Grenze nach Frankreich. Bereits nach zwei Tagen kam er allerdings auf demselben Wege wieder zurück und stellte sich freiwillig der Polizei in Rastatt. Das Bezirksamt in Rastatt bestrafte ihn wegen Passvergehens mit zehn Tagen Haft.
Das zuständige Geheime Staatspolizeiamt Karlsruhe ließ es mit dieser milden Strafe nicht bewenden und ordnete am 6. Oktober 1936 die Schutzhaft an. Begründung: "staatsfeindliches Verhalten (wollte nach Spanien)". Eine Woche darauf kam er in das badische "Bewahrungslager" Kislau bei Mingolsheim (Landkreis Karlsruhe). Die staatspolizeiliche Schutzhaftverhängung bestätigte der badische Innenminister, das diesbezügliche Schreiben bekam Richard Schwarz ausgehändigt. Jedoch erhob nun die württembergische Justiz Anspruch auf den in Baden Einsitzenden. Der Generalstaatsanwalt beim Oberlandesgericht Stuttgart widerrief am 1. Dezember 1936 die bedingte Aussetzung für die letzten zwei Monate der seinerzeit wegen des Sprengstoffvergehens zuerkannten Gefängnisstrafe. Der - gerade einmal zu zehn Tagen(!) - Verurteilte habe durch sein Verhalten und durch seine Bestrafung seitens des Bezirksamts Rastatt sich des gewährten Gnadenerweises unwürdig gezeigt. Die Reststrafe sei in Heilbronn zu vollstrecken und Schwarz daher "alsbald" in das Strafgefängnis Heilbronn zu "verschuben".
Das Geheime Staatspolizeiamt Karlsruhe, das mittlerweile als "Stapoleitstelle" firmierte, genehmigte die "Unterbrechung der Schutzhaft". Schwarz kam mit dem Gefangenenwagen nach Heilbronn, saß dort die zwei Monate Reststrafe ab, und wurde danach am 3. März 1937 wieder dem Bewahrungslager Kislau "zugeliefert". Nun drängte wieder die Stapoleitstelle Karlsruhe. Schon zwei Tage vor der "Zulieferung" ersuchte sie die Kislauer Anstalt "um sofortige Mitteilung eines Führungszeugnisses des Schwarz". In der angeforderten Beurteilung durch die Anstalt Kislau hieß es dann: „Schwarz ist ein leichtsinniger, gleichgültiger Mensch, der leicht schlechten Einflüssen unterliegt. [...] Die Arbeitsleistung des Schw. sind [sic] nur bei strenger Beaufsichtigung als zufriedenstellend zu betrachten. Die Führung im Lager hat zu Beanstanden [sic] keinen Anlass gegeben. Besondere geistige Eigenschaften sind bei Schwarz nicht erkennbar.“ Und zu der entscheidenden Frage "kann Entlassung befürwortet werden?" hieß es: "Ja, da anzunehmen ist, dass Schwarz zur Einsicht gekommen ist." Schwarz bekam seinen Farbkasten ausgehändigt und durfte in seiner Freizeit malen. Ein weiteres Kislauer Führungszeugnis von Ende September 1937 kam zu einem rundum positiven Fazit: "In Bezug auf seine Arbeitsleistungen hat sich Schwarz in letzter Zeit sehr gebessert. Die Führung im Lager war nicht zu beanstanden".
Eine Woche darauf die radikale Wende. Richard Schwarz unternahm einen Fluchtversuch. Unter der Aufsicht von Wachmännern waren 24 Schutzhäftlinge "im Bruch" beim Hanfabschneiden beschäftigt. Um 9.15 Uhr sprang Schwarz plötzlich durch den Hanfacker in Richtung des nahegelegenen Waldes. Der zur Bewachung eingeteilte Wachmeister Albert Weiss gab einen Schuss aus seinem Karabiner ab, doch Schwarz setzte seine Flucht fort, wurde dann aber doch gestellt, zu einer Hütte im Bruch und dann ins Lager zurückgebracht. Befragt, was ihn dazu bewogen habe, aus dem Lager zu entfliehen, erklärte Schwarz, dass dies eben so plötzlich über ihn gekommen sei, so dass er dem Drang nach Freiheit nicht habe widerstehen können. Auf die Frage, welches Ziel er durch seine Flucht habe erreichen wollen, gab Schwarz keine klare Antwort. Dies nährte den Verdacht, er habe erneut versuchen wollen, über die französische Grenze nach Spanien zu gelangen.
Schwarz erhielt für den Fluchtversuch eine Hausstrafe von vier Wochen Arrest und durfte keine Pakete von Zuhause mehr empfangen. Die erboste Kislauer Anstaltsleitung widerrief ihre Stellungnahme zugunsten des Schwarz und bat, ihn weiter in Schutzhaft zu behalten. Die Eltern waren nun in großer Sorge um ihren Sohn und wandten sich in ihrer Verzweiflung an den Rutesheimer NSDAP-Ortsgruppenleiter Eugen Wurst. Dieser soll zwar in Bezug auf Richard Schwarz barsch entgegnet haben: "Dem kann man nicht mehr helfen; das ist ein Lump und ein Fetz!" Doch schließlich versprach er den Eltern, wenn auch widerwillig, irgendetwas in der Sache zu unternehmen. Am 16. Oktober 1937 schrieb er, adressiert an das Kislauer "Bewachungslager" (mit den Feinheiten der Benennung der NS-Haftanstalten kannte er sich offenbar nicht so gut aus), und schilderte seine NS-ideologisch geprägte Sicht der familiären Verhältnisse:
"Der Vater ist 73 Jahre u. die Mutter 60 Jahre alt. Beide haben schon manches mit dem inhaftierten Sohn durchzumachen gehabt, da er seit etwa 10 Jahren jedes Jahr zum mindesten einmal auf u. davon ging, um sich irgendwo herumzutreiben. Es wird vermutet, dass dieses unstete Element des Schwarz auf ein Erbübel mütterlicherseits zurückzuführen ist. Die beiden Brüder des R. Schw. waren, wie er, der Gesinnung nach hartnäckige Kommunisten, sind aber menschlich gesehen, anständige Kerle u. ich habe den bestimmten Eindruck, dass sie auch politisch ehrlich bekehrt sind, das beweisen sie bei Abgaben für NSV und WHW deutlich. Die Brüder haben auch schon allerlei 'Erziehungsmaßnahmen' an ihrem Bruder vorgenommen, die aber auch in der derbsten Form zwecklos waren."
Der Kislauer Anstaltsleiter antwortete daraufhin der NSDAP-Ortsgruppe Rutesheim: "An sich wäre es zu begrüßen, wenn dieser junge kräftige Mensch gebessert entlassen und als endgültig von seinen kommunistischen Ideen geheilt, in die Volksgemeinschaft eingegliedert werden könnte". Wegen des Fluchtversuchs sei man jedoch im Einvernehmen mit der Stapoleitstelle Karlsruhe "zu der Überzeugung gelangt, dass Schwarz noch lange in Schutzhaft zu behalten" sei. Bei Richard Schwarz handele es sich "um einen verbissenen und verstockten Kommunisten, der mit allem Nachdruck zur Ordnung gebracht werden" müsse.
Die Stapoleitstelle Karlsruhe hielt "nach Sachlage" nun ein weiteres Verbleiben des Schwarz im Bewahrungslager Kislau "nicht für tragbar" und bat das Geheime Staatspolizeiamt Berlin (Gestapa) um Ermächtigung, Schwarz im Konzentrationslager Dachau unterzubringen. Eine Formalie. Am 18. November 1937 wurde Richard Schwarz von Kislau in das Polizeipräsidium München überführt und kam am 29. November in die Haftanstalt Augsburg. Von hier aus wurde er am 4. Dezember 1937 in das Konzentrationslager Dachau überstellt und als Schutzhäftling 13111 aufgenommen. Wegen der vorübergehenden anderweitigen Nutzung dieses Lagers nach Kriegsbeginn kam er am 27. September 1939 in das KZ Mauthausen. Richards Bruder Karl erhielt aus dem Lager einen Brief, in dem erwähnt wurde, dass es Richard schlecht ginge und er sehr krank sei. Richard Schwarz, ein junger kräftiger Mann von 185 cm Körpergröße und einem Gewicht von 76 kg, dem der Arzt bei seinem Abgang aus Kislau noch völlige Gesundheit und Arbeitsfähigkeit attestiert hatte, starb am 25. Februar 1940 im KZ Mauthausen im Alter von 29 Jahren. Eine Urne mit den angeblichen sterblichen Überresten des Richard Schwarz ließ die Lagerkommandantur den Eltern auf deren Wunsch zukommen. Die Urne wurde auf dem Friedhof von Rutesheim beigesetzt.
Die Schwägerin des Richard Schwarz (Witwe des Goldschmieds Karl Schwarz) stellte 1958 einen Antrag auf Entschädigung wegen Schaden an Leben, wegen Freiheitsentzug und Schaden an beruflichem Fortkommen. Das Landesamt für die Wiedergutmachung wies den Antrag am 30. Juni 1960 zurück, "da sie nicht zu den Erben oder Erbeserben des Richard Schwarz gehört". Richard Schwarz starb ledig und kinderlos.
Die Markierung auf der Karte verweist auf Zimmeregart 4 in 71277 Rutesheim, das Haus in dem Richard Schwarz aufwuchs (für seine letzte Wohnadresse finden sich abweichend auch die Angaben Rutesheim, Pforzheimerstraße / Hauptstraße 60).
Quellen und Literatur
Arolsen Archives
1.1.6.2 Individuelle Unterlagen Dachau - Richard Schwarz
Staatsarchiv Ludwigsburg
EL 350 I Bü 39347
F 20/11 Bü 557, 558
Generallandesarchiv Karlsruhe
GLA 521 Nr. 8600 (Kislau-Akte Digitalisat)
VVN-Archiv Baden-Württemberg, Stuttgart
ES 18259
Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg ULM (DZOK)-Datenblatt (online: dzok-ulm.de/dokumentationszentrum/haeftlingsdatenbank/)
Mitteilungen des Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg ULM (DZOK), Heft 28 / November 1997, S. 1-2.
Karin Momberger (Leitung): Rutesheims Weg durch die Zeit. Ausstellung 3.2.-25.7.2017. Ausstellungskatalog, S. 61f. (online: /www.rutesheim.de/site/Rutesheim-Internet/get/params_E-840011383/14019479/5535-katalog-ausstellung-rutesheim-rut.pdf)
© Recherche und Text:
Roland Maier, Stuttgart
Stand: August 2021
www.kz-mauthausen-bw.de