Stefan Meier (1889 - 1944)
SPD-Reichstagsabgeordneter
17.03.1933 Schutzhaft, bis 09.03.1934 KZ Ankenbuck
18.06.1941 Verhaftung, Zuchthaus Bruchsal
26.08.1944 KZ Mauthausen
19.09.1944 Tod im Außenlager Linz III
Stefan Edwin Meier wurde am 6. November 1889 als Sohn eines Sägewerksbetreibers in Neustadt im Schwarzwald (heute: Titisee-Neustadt) geboren. Nach dem Besuch der Volksschule in St. Georgen im Schwarzwald arbeitete er – damals bereits Vollwaise – bei Verwandten in der Landwirtschaft, absolvierte aber dann eine kaufmännische Lehre. Danach betätigte er sich in verschiedenen Stellungen als Handlungsgehilfe und als Expedient der sozialdemokratischen Zeitung „Volkswacht“. Ab August 1914 nahm er als Fahrer eines Feldgeistlichen am Ersten Weltkrieg teil. Während des Krieges verlobte Meier sich mit Emma Hofheinz. Aus der Ehe gingen unter anderem die Tochter Margarete und der Sohn Richard hervor. Nach Kriegsende war Meier als Parteisekretär der Sozialdemokratischen Partei (SPD) für den Kreis Freiburg tätig und seit Mai 1919 Stadtrat in Freiburg im Breisgau. Im Herbst 1922 eröffnete er ein Tabakwarengeschäft in Freiburg, das er bis zuletzt betrieb. Eine nebenbei betriebene staatliche Lotterieannahmestelle musste er 1933 „wegen politischer Unzuverlässigkeit“ abgeben.
Vom Dezember 1924 bis zum Juni 1933 gehörte Meier – mit einer kurzen Unterbrechung von November 1932 bis März 1933 – dem Reichstag an. Er vertrat als SPD-Abgeordneter den Wahlkreis 32 (Baden).Im Juni 1933 wurde Meier das Reichstagsmandat entzogen.
Bereits am 17. März 1933 wurde Meier als führendes Mitglied der SPD in Freiburg verhaftet. Willkommenen Anlass für ein verschärftes Vorgehen gegen die linken Arbeiterparteien in Freiburg gab die Erschießung zweier Polizeibeamter am frühen Morgen diesen Tages durch den SPD Politiker Christian Daniel Nußbaum, die diesen in Schutzhaft nehmen wollten („Nußbaum-Affäre“). Meier kam als Schutzhäftling in das südbadische KZ Ankenbuck und nach einem Jahr wieder frei.
Im Juni 1941 wurde Meier aufgrund der Denunziation durch eine Nachbarin erneut verhaftet und in Freiburg in Untersuchungshaft genommen. Die Frau – die wegen dieser Denunziation später, im Jahr 1947, zu drei Jahren Gefängnis verurteilt wurde – gab an, Meier habe sich am 17. Juni im privaten Gespräch ihr gegenüber über Hitler wie folgt geäußert: „Der hat ja den Größenwahn, alle Staaten will er einstecken. Österreich wollte ja gar nicht zu uns, der Tschechei hat er versprochen, dass wir nichts von ihnen wollten und dabei hätten wir in Panzerwagen das ganze Gold weggeschleppt [...] Er ist der reinste Dschingis Khan, der im Blutrausch von einem Staat zum anderen zieht“. Meier bestritt in seiner Vernehmung, von „Größenwahn“ und „Blutrausch“ gesprochen zu haben, jedoch kam das Gericht zu der Ansicht, Meier habe sich zwar bisher politisch durchaus loyal verhalten, hier sei aber „durch die große Angst und Sorge“ um das Schicksal seines als Soldat gen Osten verlegten Sohnes „seine alte innere Einstellung zum Durchbruch gekommen“. Eine Sorge, die allerdings nicht unberechtigt war: wenige Tage nach Meiers inkriminierter Äußerung erfolgte am 22. Juni der deutsche Überfall auf die Sowjetunion. Am 21. Oktober 1941 verurteilte das Sondergericht beim Landgericht Freiburg im Breisgau Stefan Meier wegen des Straftatbestands der Wehrkraftzersetzung aufgrund § 5 der Kriegssonderstrafrechtsverordnung vom 26. August 1939 zu drei Jahren Zuchthaus und drei Jahren Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte. Nach Verbüßung seiner Justizstrafe im Zuchthaus Bruchsal wurde Meier am 26. August 1944 in das KZ Mauthausen überführt. Dort kam er als Häftling Nummer 91383 „DR. Schutz“ zum Arbeitseinsatz in das Außenlager Linz III. Die bis zu 5.660 Gefangenen dieses im Mai 1944 errichteten Lagers mussten in den Reichswerken „Hermann Göring“ vor allem bei der Produktion von Panzern arbeiten. Nach drei Wochen der Zwangsarbeit starb Stefan Meier in diesem Lager am 19. September 1944 im Alter von 54 Jahren.
Im Oktober 1945 fand in der Freiburger Kirche St. Martin eine Messe für Stefan Meier statt, obwohl dieser zuvor aus der katholischen Kirche exkommuniziert worden war, weil er eine evangelische Frau geheiratet hatte. 1946 wurde in Freiburg im Breisgau eine Straße nach ihm benannt. 1950 wurde das Urteil des Sondergerichts wegen Wehrkraftzersetzung gegen Stefan Meier aufgehoben. Da Wohnhaus und Ladengeschäft im Luftkrieg zerstört worden waren, bot man der Witwe und der Tochter Geschäftsräume in der Rathausgasse an, wo diese den Tabakladen weiterbetrieben.
1989 fand anlässlich Stefan Meiers hundertstem Geburtstag im Freiburger Rathaus eine Gedenkveranstaltung statt. Seit 1992 erinnert an ihn vor dem Berliner Reichstagsgebäude eine der 96 Gedenktafeln für von den Nationalsozialisten ermordete Reichstagsabgeordnete.
Im Oktober 2008 wurde vor Meiers Wohnhaus in der Merianstraße 11 in Freiburg ein Stolperstein verlegt. Im April 2013 folgte ein zusätzlicher Stolperstein vor dem Basler Hof in der Kaiser-Joseph-Str. 167, wo sich die Freiburger Dienststelle der Gestapo befunden hatte.
Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt Stefan Meiers Wohnadresse Merianstraße 11 in Freiburg im Breisgau.
Quellen und Literatur
ITS Digital Archive, Arolsen Archives
1.1.26 Individuelle Häftlingsunterlagen – KL Mauthausen, Stefan Meier
6.3.3.2 Korrespondenzakte T/D – 1252153
Stadtarchiv Freiburg
Hauptstaatsarchiv Stuttgart
J 191 (Zeitungsausschnittsammlung)
Staatsarchiv Freiburg
G 701/2 Nr. 430
A 47/1 Nr. 386 (Digitalisat)
Angela Borgstedt: Der südbadische Ankenbuck - Arbeiterkolonie und Konzentrationslager, in: Wolfgang Benz, Barbara Distel: Herrschaft und Gewalt. Frühe Konzentrationslager 1933-1939. Berlin 2002, S. 211-216, zu Stefan Meier S. 214.
Heiko Haumann, Walter Preker: Von einem, der sich nicht einschüchtern ließ. Gedenken an Stefan Meier. Freiburg im Breisgau 1990.
Andreas Meckel: Freiburg unter dem Hakenkreuz (stolpersteine-in-freiburg.de).
Frank Raberg: Stefan Meier, MdR-SPD, Opfer des NS-Regimes, in: Badische Biographien N.F. Band VI. Stuttgart 2011, S. 271 – 273.
Wilhelm Heinz Schröder: Sozialdemokratische Parlamentarier in den deutschen Reichs- und Landtagen 1876-1933. Düsseldorf 1995, S. 610.
Martin Schumacher (Hg.): M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung 1933-1945. 3. Aufl. Düsseldorf 1994.
www.stolpersteine-in-freiburg.de: Stefan Edwin Meier
Wikipedia Personenartikel: Stefan Meier (Politiker)
© Text und Recherche:
Roland Maier, Stuttgart
Stand: April 2021
www.kz-mauthausen-bw.de