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Franz Armbruster (1898 - 1978)

Schramberger Kommunist, zweimal im KZ Mauthausen

06.03.1933 Verhaftung, bis 20.05.1933 KZ Heuberg
29.12.1934 bis 16.10.1935 U-Haft in Stuttgart und Bad Cannstatt
17.10.1935 Landesgefängnis Rottenburg
17.04.1938 Gestapogefängnis Welzheim
03.05.1938 KZ Dachau
29.09.1939 KZ Mauthausen
14./15.08.1940 KZ Dachau
11.06.1942 Lager Lublin-Majdanek
22.07.1944 KZ Auschwitz
25.01.1945 KZ Mauthausen
28.01.1945 Mauthausen-Außenlager Melk
Mitte März 1945 Mauthausen-Außenlager Ebensee
06.05.1945 Befreiung

Franz Armbruster, geboren am 1. April 1898 in Lauterbach (damals Oberamt Oberndorf, heute Kreis Rottweil), war der älteste Sohn einer kinderreichen Arbeiterfamilie. Schon während seiner Volksschulzeit musste er bei Bauern mithelfen, um zum Familienunterhalt beizutragen. Nach seiner Schulentlassung fand er Arbeit bei der Uhrenfabrik Junghans in Schramberg. Es folgte eine Zeit der Wanderschaft bis zu seiner Einberufung zum Kriegsdienst. Nach dem Ersten Weltkrieg kehrte er zur Firma Junghans zurück. 1926 wurde er erwerbslos und verrichtete Notstandsarbeiten im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Ein Jahr später fand er bei den Möbelwerken Moser in seinem Heimatort als Holzschleifer eine Anstellung. 1934 arbeitete er wieder bei der Firma Junghans, später war er auch als Zeitungsausträger tätig. Franz Armbruster heiratete im Jahr 1923 und hatte mit seiner Ehefrau Anna, geborene Epting, drei Kinder. Die Familie wohnte An der Steige 58 (90?) in Schramberg.

Armbruster war im Sommer 1919 der während des Ersten Weltkriegs gegründeten "Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands" (USPD) beigetreten und gehörte dann der aus dieser hervorgegangenen Kommunistischen Partei (KPD) an. Seit 1926 war er Kassier der KPD-Ortsgruppe Schramberg und seit 1930 im kommunistischen „Kampfbund gegen den Faschismus“.

Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde Armbruster im März 1933 verhaftet und kam bis zum 20. Mai 1933 in das KZ auf dem Heuberg bei Stetten am Kalten Markt. Anlässlich des Deutschen Turnfests im Juli 1933 in Stuttgart wurde er als Kommunist erneut für einige Tage in Haft genommen.

Final verhaftet wurde Armbruster von der Württembergischen Politischen Polizei (der späteren Gestapo) Ende des Jahres 1934. Danach war er bis Kriegsende ohne Unterbrechung in verschiedenen Haftanstalten und Lagern.

Wegen seiner politischen Widerstandstätigkeit wurde Armbruster unter dem üblichen Titel der „Vorbereitung zum Hochverrat“ angeklagt; mit ihm fünf seiner Parteigenossen, darunter Alfons Haid und Andreas Wössner (hingerichtet im April 1942), beide aus Schramberg. Das Urteil erging am 16. Oktober 1935. Franz Armbruster wurde zu drei Jahren und drei Monaten Zuchthaus verurteilt, die er im Landesgefängnis Rottenburg absaß. Der dortige Gefängnisdirektor stellte ihm vor seiner regulären Haftentlassung ein günstiges Abschlussgutachten aus. Seinem Charakter entsprechend würde Armbruster nach anfänglichem Zögern konsequent zu einer Sache stehen, woraus sich denn auch seine „eingefleischte“ kommunistische Haltung erkläre. Hervorzuheben sei seine Ehrlichkeit, die sich nicht zuletzt darin erwiesen habe, dass er vor Gericht „ein rückhaltloses Geständnis“ abgelegt habe. In der Haft seien „Führung und Arbeitsleistung stets gut“ gewesen und er habe sich kontinuierlich auf geradezu vorbildliche Weise „fleißig und korrekt" benommen. Die Beurteilung des Strafanstaltsdirektors lautete zusammenfassend: “Ich glaube daher, dass er ohne Gefahr der Freiheit und seiner Familie zurückgegeben werden kann.“

Die Gestapo beeindruckte dieses Plädoyer wenig. Die Antwort der Schutzhaftstelle II D der Stapoleitstelle Stuttgart vom 28. März 1938 an den Vorstand des Rottenburger Gefängnisses lautete denn auch – wie häufig in Fällen dieser Art – lakonisch: „Der dort einsitzende Strafgefangene Armbruster ist nach Strafverbüßung am 16.4.38 zur Prüfung der Schutzhaftfrage in das Polizeigefängnis II in Stuttgart zu verschuben.“

Es geschah wie von der Gestapo angeordnet. Armbruster wurde von Stuttgart über das Polizeigefängnis Welzheim in das Konzentrationslager Dachau verbracht (Häftlingsnummer 14057). Am 27. September 1939 kam er wegen der zeitweiligen Umnutzung des Lagers Dachau durch die SS mit einem 1.600 Häftlinge umfassenden Sammeltransport in das KZ Mauthausen. Hier erlebte er den Tod seines Mithäftlings und Schramberger Parteigenossen Alfons Haid, der bei der Arbeit im Steinbruch zusammengebrochen war. Im folgenden Jahr wurde Armbruster wieder nach Dachau zurückgeführt, über den genauen Termin seines Rücktransports existieren differierende Angaben: Mai, Juni oder Mitte August 1940. Bei seinem zweiten Dachauaufenthalt wurde ihm eine neue Häftlingsnummer zugeteilt: 14422 „Sch.DR.“ (Schutzhäftling Deutsches Reich). Am 10. Juni oder Juli 1942 - auch hier gibt es unterschiedliche Angaben - wurde er aus unbekannten Gründen von Dachau in das Lager Lublin-Majdanek verbracht. Die dokumentierte Überstellung nach Majdanek wirft einige Fragen auf. Denn sie ist nur schwer mit dem Forschungsbefund in Einklang zu bringen, dass das zunächst für sowjetische Kriegsgefangene vorgesehene Lager Majdanek erst zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich seit Februar 1943, offiziell als Konzentrationslager fungierte. Inhaftiert waren neben sowjetischen Staatsbürgern Polen und Juden. In der Folge  entwickelte Majdanek sich dann zu einem Vernichtungslager für Juden. Soweit erkennbar, spielten deutsche nichtjüdische Häftlinge im KZ Majdanek zumindest statistisch gesehen keine relevante Rolle. Dies könnte sich allenfalls Anfang 1944 geändert haben, als schwerkranke Häftlinge, auch aus dem KZ Dachau, nach Majdanek verlegt wurden. Es handelte sich dabei aber hauptsächlich, wenn nicht ausschließlich, um ausgezehrte nichtdeutsche Zwangsarbeiter. Die Verschickung Armbrusters nach Majdanek Mitte 1942 stellt demnach einen ausgespochen atypischen Ausnahmefall dar, für den sich bisher keine einleuchtende Erklärung finden ließ. Auch findet sich kein Hinweis auf einen Aufenthalt im räumlich nahe gelegenen SS-Ausbildungs und Arbeitslager Trawniki.

Nach etwas mehr als zwei Jahren kam es aufgrund des Vormarsches der Roten Armee zu einer überhasteten Räumung des Lagers. Am 22. Juli 1944 verließ das deutsche Wachkommando den Ort. In dem zeitgleich abgehenden letzten Häftlingstransport befand sich auch Franz Armbruster. Der Transport führte ihn in das KZ Auschwitz. Da ab dem 17. Januar 1945 auch Auschwitz geräumt wurde, kam er auf einen Evakuierungsmarsch: „Gruppen von je 400 Mann wurden in Marsch gesetzt in eisiger Kälte und hohem Schnee. Die Straße, auf der wir gingen war links und rechts gesät mit Toten, denn wer nicht weiterkam und liegen blieb wurde erschossen“ (Armbruster in einem Schreiben an Otto Wahl 1978). Mit noch 5714 Häftlingen traf der Evakuierungszug am 25. Januar 1945 im KZ Mauthausen ein. „Dort angekommen mussten wir erst einmal einige Stunden in der Kälte stehen, dann gab's endlich einmal etwas zu essen und zwar einige Krautblätter in warmem Wasser, doch der Hunger war so groß, dass die Blätter samt Wasser im Augenblick im Magen verschwunden waren. Hinter der Küche lag ein Haufen steinhart gefrorener Kohlrüben, wo sich viele eine holten und mit Gier fraßen. Nach einer Stunde waren sie tot“ (Armbruster a.a.O.). Armbruster wurde die Mauthausen-Häftlingsnummer 117518 zugeteilt. Nach vier Tagen „Quarantäne“ im Hauptlager kam er als „Hilfsarbeiter“ in das Mauthausen-Außenlager Melk, wo unter dem Projektnamen „Quarz“ für die Untertage-Rüstungsproduktion der Steyr Daimler Puch AG eine Stollenanlage in den Berg getrieben wurde. Der Plan, die Häftlinge bei Feindannäherung durch Sprengung der Stollen zu ermorden, wurde nicht umgesetzt. Statt dessen wurde das Lager evakuiert und die meisten Häftlinge kamen in das Mauthausen-Außenlager Ebensee. „Auch hier wurden noch große Räume in die Felsen gesprengt und die halbverhungerten Häftlinge mussten das Material herausschaffen. Die Hungersnot war riesengroß“ (Armbruster a.a.O.). Dort in Ebensee erlebte Franz Armbruster die Befreiung durch US-Truppen. Am 27. Mai 1945 wurde er formell mit einer von der US-Kommandantur ausgestellten Identitätskarte aus dem Lager entlassen. Seit 16. Juni 1945 wohnte er wieder in Schramberg. Seine Wohnadresse dort war spätestens seit November 1947 Billionenweg 10.

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Armbruster_Franz_Ausweis_Arolsen
„Fiche individuelle“ (ITS Digital Archive, Arolsen Archives Dok. 66447193)

Nach der Befreiung wurde Armbruster ein halbes Jahr lang durch die "Unites Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA)" unterstützt. Das Vorliegen eines in diesem Zusammenhang von UN-Hilfsorganisationen oder der französischen Militärregierung ausgestellten „fiche individuelle“ legt nahe, dass Armbruster zumindest zeitweilig in einem oder über ein DP-Lager betreut wurde ("DP" = Displaced Person). Als im Juli 1947 die UNRRA-Nachfolgeorganisation "International Refugee Organisation (IRO)" die Betreuung der DPs übernahm, suchte Armbruster um weitere beziehungsweise Fortführung der Hilfe nach. Als diese ihm anscheinend ab einem gewissen Zeitpunkt verweigert wurde, legte er dagegen „Berufung“ ein. Denn infolge der Lagerhaft leide er nach wie vor unter offener Tuberkulose: „Ich sehe deshalb nicht recht ein, warum ich nicht mehr würdig sein soll, von der I.R.O. betreut zu werden, da doch in erster Linie bessere Kost notwendig ist um wieder gesund werden zu können“.

Am 27. Juni 1946 erhielt Armbruster den Ehrenpass der Tübinger Zentrale der Betreuung der Opfer der Nazismus. Im selben Jahr trat er auch wieder der KPD bei.

Beruflich war er aus gesundheitlichen Gründen kaum mehr tätig. Aufgrund der in Mauthausen erlittenen Erfrierungen hatten ihm Zehen amputiert werden müssen, außerdem hatte er sich noch im Februar 1945 im Lager eine Lungenerkrankung zugezogen. Nach Aufenthalten im Krankenhaus und einer Lungenheilstätte wurde er im September 1947 als zu achtzig Prozent arbeitsunfähig eingestuft. Für die durchlittenen zehn Jahre und acht Monate Haft sowie für die davongetragenen gesundheitlichen Schäden erhielt er Wiedergutmachungsleistungen. Armbruster blieb in seinen diesbezüglichen Forderungen bescheiden. Als sein früherer Mithäftling Karl Mager weitere Unterstützung, die ihm als „Rückwanderer“ eventuell zustehen könnte, für ihn anregen wollte, war Armbruster das „sehr peinlich“, wie er am 4. Juli 1958 schrieb: „Ich finde es von Kamerad Mager für eine fixe Idee wegen der Soforthilfe, ich ließe es mir eher gefallen wenn ich noch nichts erhalten hätte, außerdem ist ja schließlich jeder ein Heimkehrer oder Rückwanderer, der durch die Hitlerei irgendwohin verschlagen worden ist und mit dem Leben davon kam.“

Im Jahr 1978 schrieb Franz Armbruster in dem erwähnten Brief an Otto Wahl in Stuttgart: „Wie ich gesehen habe, soll am 7. Mai wieder eine Befreiungsfeier [in Mauthausen] stattfinden. Ich möchte aber gleich vermerken, dass ich in meinem erbärmlichen Gesundheitszustand nicht mitmachen kann, obwohl ich die Stätte des Grauens gerne noch einmal sehen möchte [...]. Vor einem Jahr ist meine Frau gestorben, jetzt stehe ich alleine da und muss mir so gut und schlecht selber helfen. Mein Asthma ist so stark, dass ich bei jeder Bewegung schon Atemnot habe, meine Lebenserwartung ist gering, das musste ich doch endlich einsehen [...] Viel Glück zum Gelingen der Veranstaltung und viele Grüße“.

Wenig später, am 29. Oktober 1978, starb Franz Armbruster.

Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt Franz Armbrusters Wohnsitz An der Steige 58 in Schramberg (Landkreis Rottweil). Auf einer erhaltenen Häftlingspersonalkarte ist abweichend Hausnummer 90 angegeben.

 

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Armbruster_Brief_S1
Brief Franz Armbrusters an Otto Wahl, 1978, S. 1
(Privatarchiv Otto Wahl)
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Armbruster_Brief_S2
Brief Franz Armbrusters an Otto Wahl, S. 2

 

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Brief Franz Armbrusters an Otto Wahl, S. 4
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Armbruster_Brief_S3
Brief Franz Armbrusters an Otto Wahl, S. 3

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Quellen und Literatur

ITS Digital Archive, Arolsen Archives
6.3.3.2 Korrespondenzakte T/D 48798 (Armbruster)
1.1.26.3 Individuelle Häftlingsunterlagen KL Mauthausen, Armbruster
1.1.26 Konzentrationslager Mauthausen / Häftlings-Personal-Karten Mauthausen Dok. 130124061

1.1.6.1 / 9907667 Zugänge zum KZ Dachau
1.1.6.12 Dachau-Sammlung des Zentralkomitees der befreiten Juden in der US Zone / Namen Karteikarten /
3.2.1.1. CM/1 Akten aus Deutschland, Armbruster
3.1.1.1. Nachkriegszeitkartei, Armbruster

Staatsarchiv Ludwigsburg
F 215 Bü 354 Passakten

Staatsarchiv Sigmaringen
Wü 33 T 1 Bü 2428
Wü 13 T 2 Nr. 1819/094
Wü 13 T 2 Nr. 2517/305

VVN-Archiv Baden-Württemberg, Stuttgart
WGA 268

Archiv Otto Wahl (privat)
Franz Armbruster an Otto Wahl 1978

Franz Armbruster: Erlebnisse aus verschiedenen Konzentrationslagern. Unveröff. autobiographischer Bericht 1947.

Carsten Kohlmann: Franz Armbruster, Schwarzwälder Bote v. 6.5.2020.

Tomasz Kranz: Das KL Lublin - zwischen Planung und Realisierung, in: Ulrich Herbert u.a. (Hg:): Die nationalsozialistischen Konzentrationslager - Entwicklung und Struktur, Bd. I, Göttingen 1998, S. 363-389.

Ursula Krause-Schmitt: Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945, Baden-Württemberg II. Frankfurt-Bockenheim 1997, S. 121.


© Text und Recherche:
Roland Maier, Stuttgart
Stand: Januar 2023
www.kz-mauthausen-bw.de