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Hermann Emter (1904 - 1990)

"Die Engel hatten wieder einmal gesiegt"

16.10.1936 Verhaftung
28.06.1939 KZ Dachau
27.09.1939 KZ Mauthausen
18.02.1940 zurück nach Dachau
30.11.1940 KZ Flossenbürg
10.08.1942 KZ Buchenwald
11.04.1945 befreit

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Emter_Portrait
Hermann Emter

Hermann Emter wurde am 7. April 1904 in Hausen am Tann (im heutigen Zollernalkreis) geboren. Ab 1924 nahm er regelmäßig an den Zusammenkünften der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Freiburg teil, 1926 ließ er sich nach ihrem Ritus in Basel taufen. Seit 1927 betrieb der Gipser und Stukkateur ein eigenes Bauunternehmen. Mit seiner Ehefrau Elisabeth, geborene Koch, und den bis dahin fünf Kindern wohnte er 1936 in der Gundelfingerstraße in Freiburg-Zähringen.

Anfang September 1936 hielt die Internationale Bibelforschervereinigung (Zeugen Jehovas) einen Kongress im Schweizerischen Luzern ab. Den deutschen Bibelforschern war die Teilnahme an dem Treffen von deutschen Behörden verboten worden, und die Gestapo versuchte schon im Vorfeld die Teilnahmewilligen durch den Entzug der Reisepässe an einer Ausreise zu hindern. Ende August 1936 wurden in einer reichsweiten Aktion viele deutsche Zeugen Jehovas präventiv verhaftet. trotzdem gelang rund 300 von ihnen die Einreise in die Schweiz, darunter auch Hermann Emter und seiner Frau. Beide waren in einer siebenköpfigen, auf zwei PKW verteilten Freiburger Gruppe unterwegs. Durch beim Kongress anwesende Spitzel war die Gestapo jedoch bestens informiert und verhaftete zahlreiche Kongressteilnehmende nach ihrer Rückkehr.

So am 16. Oktober 1936 auch Hermann Emter. Am 26. Februar 1937 verurteilte ihn das Sondergericht Mannheim wegen Betätigung für die Ziele der Bibelforscher zu sieben Monaten Gefängnis. Damit fehlte der Familie nicht nur der Ernährer, sondern seinem Betrieb auch der Chef. Seine Frau, die mit dem sechsten Kind schwanger war, bat um einen Haftaufschub, der Hermann Emter denn auch bis 1. September 1937 gewährt wurde.

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Elisabeth Emter u. ihre 6 Kinder, 1937

 Er trat die anberaumte Fortsetzung der Strafhaft jedoch nicht an. Statt dessen fuhr er am 2. September mit einem seiner Glaubensgenossen von Stuttgart aus nach Dresden, um religiöse Schriften nach Oberschlesien zu bringen. Durch Verrat war der Gestapo das Vorhaben bekannt und sie begleitete verdeckt die Reise der beiden. Am 4. September wurden sie in Dresden von der dortigen Gestapo verhaftet, misshandelt und verhört, knapp 14 Tage später zu weiteren Verhören nach Berlin gebracht und anschließend am 14. Oktober 1937 in das Karlsruher Bezirksgefängnis II überführt.

Am 26. April 1938 verurteilte das Sondergericht Mannheim Hermann Emter erneut wegen Betätigung für die Ziele der Bibelforscher, diesmal zu einem Jahr und zwei Monaten Gefängnis.
Nach Verbüßung der Strafe ordnete die Gestapo Schutzhaft an, am 28. Juni 1939 wurde er im KZ Dachau mit der Häftlingsnummer 1199 registriert. Zusammen mit anderen Bibelforschern arbeitete er im Außenkommando am "Sudelfeld".1 Im Zuge der vorübergehenden Räumung des Lagers Dachau wurde Hermann Emter am 27. September 1939 zusammen mit rund 1600 weiteren Dachau-Häftlingen, darunter zahlreiche Glaubensgenossen, in das KZ Mauthausen überstellt. Die ersten Wochen wurde er, wie er später berichtete, mehrmals am Tag geschlagen. Einmal hetzte man einen Hund auf ihn, der ihm den Arm zerbiss. Auch Emter sollte in seinem Lebensbericht die außergewöhnliche Bestialität der dortigen Lager-SS hervorheben. Er hatte dann jedoch das "Glück", zusammen mit 25 Glaubensbrüdern Mitte Februar 1940 nach Dachau, wo die Bedingungen für die Häftlinge etwas weniger grausam waren, rücküberstellt zu werden. Ein Umstand, der sie nach seiner Ansicht vor dem sicheren Tod bewahrte.

Im November 1940 wurde er von einem Kapo denunziert, sich als religiöser Funktionär betätigt zu haben. Nach Meinung Emters war deshalb seine Hinrichtung vorgesehen. Der Lagerschreiber benachrichtigte jedoch den Kommandanten, der Emter als Baufachmann schätzte. Er befahl die sofortige Verlegung Emters, zusammen mit sechs weiteren Häftlingen, ebenfalls Baufachleuten, ins KZ Flossenbürg (Häftlingsnummer 139). In seinem Lebensbericht schrieb Emter über seine Rettung: "Die Engel hatten wieder einmal gesiegt".

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Buchenwalder Häftlings-Personal-Karte von Hermann Emter

 Die nächsten anderthalb Jahre verbrachte er in Flossenbürg bis er im August 1942 ins KZ Buchenwald (Häftlingsnummer 4513) verlegt wurde. Der jüdische Buchenwalder Mithäftling Max Liebster erinnerte sich später an Hermann Emter: "Zu den Arbeitern, die sich abends von der Arbeit zurückschleppten, gehörte Fritz Heikorn, ein jüdischer Intellektueller. Unter der Aufsicht von Hermann Emter, einem Bibelforscher, versuchte Fritz krampfhaft, eine gerade Mauer zu setzen. Emter war ihm ein geduldiger Lehrmeister. Er schützte Fritz vor harten Strafen, indem er seine Arbeit begradigte."

Gegen Kriegsende kam Hermann Emter noch ins Buchenwald-Außenlager Ohrdruf in der Nähe von Gotha. Nach der Befreiung von Buchenwald am 11. April 1945 erhielt er von den amerikanischen Militärbehörden seine Entlassungsverfügung für den 6. Mai 1945. In seinen Erinnerungen ist über seine Rückkehr zu lesen: "Nach acht Jahren wieder in Freiburg, traf ich meine sechs Kinder, meine Mutter mit 78 Jahren und die Familie meines Bruders mit vier Kindern. Ich wußte nicht mehr, welche Kinder (mir) oder welche dem Bruder gehörten. Ich musste sie einzeln fragen: Wer bist du?"2

Seine Ehefrau Elisabeth war aufgrund einer nachbarschaftlichen Denunziation im Januar 1940 verhaftet worden. Weil sie sich weigerte, die geforderte "Lossagungserklärung" von der Religionsgemeinschaft zu unterschreiben, wurde sie zunächst in Freiburg inhaftiert. Spätestens im September 1940 kam sie ins Frauen-KZ Ravensbrück. Einem Brief der Lagerleitung an ihre Schwester zufolge starb sie dort am 21. Juli 1942 an Lungenentzündung. Es spricht jedoch einiges dafür, dass sie im Rahmen der "Aktion 14 f 13"3 in der Tötungsanstalt Bernburg/Saale vergast wurde.

Nach der Befreiung war Hermann Emter bis zu seinem Tod am 9. Juli 1990 in seiner Glaubensgemeinschaft aktiv.

Im Juli 2003 wurden Stolpersteine für Hermann und Elisabeth Emter vor ihrem Wohnhaus in der Gundelfingerstraße 47 in Freiburg-Zähringen verlegt.


Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt die Wohnadresse der Familie Emter, Gundelfingerstraße 47 in 79108 Zähringen (Freiburg im Breisgau).


Quellen und Literatur
ITS Digital Archive, Arolsen Archives

1.1.6.2. Individuelle Häftlingsunterlagen KL Dachau, Hermann Emter
1.1.8.3. Individuelle Häftlingsunterlagen Männer KL Flossenbürg, Hermann Emter
1.1.5.3. Individuelle Häftlingsunterlagen Männer KL Buchenwald, Hermann Emter

Staatsarchiv Freiburg
F 166/3 Nr. 342, F 166/3 Nr. 4449, F 196/1 Nr. 3860

Generallandesarchiv Karlsruhe
507 Nr. 1074-1101, 507 Nr. 2663-2666

Searching Dachau Concentration Camp Records in One Step (https://stevemorse.org/dachau/dachau.html)

Lebensbericht Hermann Emter, 1971, Archiv der Zeugen Jehovas, Selters/Taunus

www.stolpersteine-in-freiburg.de/hermann emter

Roser, Hubert (Hg.): Freiburger Zeugen Jehovas unter der NS-Diktatur, Freiburg 2010.

Bildnachweise: Fotos aus: Hubert Roser (Hg.): Freiburger Zeugen Jehovas unter der NS-Diktatur, Freiburg 2010, S. 104 und S. 130
ITS Digital Archive, Arolsen Archives: 1.1.5.3. Individuelle Häftlingsunterlagen Männer KL Buchenwald, Hermann Emter, Dokument Nr. 5819504

© Text und Recherche:
Sigrid Brüggemann, Stuttgart
Stand: Februar 2021
www.kz-mauthausen-bw.de


 


 

1 Das oberhalb von Bayrischzell gelegene "Berghaus am Sudelfeld", ein Ferienheim der SS, war Mitte 1938 fertiggestellt worden. Zum Bau der Zufahrtsstraße und ab 1940 bei der Errichtung von Nebengebäuden sowie zum Unterhalt der baulichen Anlage und der Bewirtschaftung wurden Dachauer Häftlinge eingesetzt. Während die Stärke des Außenkommandos je nach Jahreszeit zwischen 15 und 150 Häftlingen schwankte, blieb beständig eine Kernmannschaft von rund 50 Häftlingen im Berghaus, die im wesentlichen aus Zeugen Jehovas bestand. Einige von ihnen erhielten sogar Vertrauensstellungen wie die eines „Hausmeisters“.

2 Nachdem auch Elisabeth Emter verhaftet worden war, nahm Hermanns Bruder Franz, der mit seiner Familie im selben Haus wohnte, die verwaisten Kinder auf.

3 Im Frühjahr 1941 veranlasste Reichsführer SS Heinrich Himmler die "Entlastung" der Konzentrationslager von "kranken" und "nicht mehr arbeitsfähigen" Häftlingen. Im April 1941 begann die Aktion 14 f 13. Häftlinge wurden ausgewählt, dann wurde entschieden, ob sie der "Sonderbehandlung", sprich Tötung, zugeführt werden sollten. Aus allen im Reichsgebiet angelegten KZ wurden Häftlinge in die NS-Tötungsanstalten Sonnenstein, Bernburg oder Hartheim gebracht und dort vergast. Im März/April 1942 wurden etwa 1.600 selektierte Frauen aus dem KZ Ravensbrück in Bernburg vergast.Die Häftlingsschreiber mussten in den Totenbüchern danach oft unterschiedeliche Sterbedaten eintragen, um zu verschleiern, dass Massentötungen vorlagen.