Johann Riesterer (1898 - 1945)
29.12.1943 KZ Natzweiler
02.03.1944 KZ Dachau
17.08.1944 KZ Mauthausen
17.01.1945 Tod im Sanitätslager Mauthausen
Johann Riesterer wurde am 21. Februar 1898 im schweizerischen Uster bei Zürich geboren, besaß aber die deutsche Staatsangehörigkeit. Er war römisch-katholisch getauft, als Beruf gab er Melker an. Sein letzter Wohnort war Vogt im heutigen Landkreis Ravensburg. Über sein Leben vor der Einweisung in ein Konzentrationslager ist nur wenig bekannt. Auf einer Karteikarte des Internationalen Suchdienstes Arolsen ist "1937 oder 1938 Invalidenheim in Rottweil" vermerkt, jedoch ohne nähere Angaben.
Vermutlich war er wegen seiner Homosexualität mehrfach verurteilt worden, laut Häftlingspersonalkarte hatte er 20 Vorstrafen. Am 29. Dezember 1943 wies ihn die Kriminalpolizei - Kripoleitstelle Stuttgart - als "§ 175/Berufsverbrecher" (BV) in das KZ Natzweiler im Elsass ein. Der im September 1935 in Kraft getretene § 175 des Reichsstrafgesetzbuches stellte sämtliche sexuellen Handlungen zwischen Männern unter Strafe und wurde in den KZ als Häftlingskategorisierung übernommen. Johann Riesterer erhielt die Häftlingsnummer 6775, wurde als "Polizeilicher Sicherungsverwahrter"1 (PSV) registriert und mit einem schwarzen Winkel gekennzeichnet. Im Januar 1944 war er für fünf Tage als Hilfsarbeiter im Natzweiler-Außenlager Pelters (im von der deutschen Wehrmacht besetzten elsässischen Ort Peltre) beschäftigt und vom 25. Januar bis zum 26. Februar 1944 in der Weberei des KZ-Stammlagers.
Am 2. März 1944 wurde er ins KZ Dachau überstellt , wo er am 4. März 1944 registriert wurde (Häftlingsnummer 65093, Kategorie "PSV"). Am 17. August 1944 erfolgte seine Überstellung in das Konzentrationslager Mauthausen (Häftlingsnummer 90243, Kategorie "BV"). Vom 28. September 1944 bis zum 13. Januar 1945 arbeitete er als Hilfsarbeiter im KZ-Außenlager St. Valentin.
In diesem nahe Mauthausen gelegenen, im August 1944 errichteten Außenlager wurden die KZ-Häftlinge hauptsächlich zum Panzerbau eingesetzt. Außerdem mussten sie Wartungsarbeiten an der Panzerteststrecke des Werks verrichten. Am 15. Januar 1945 wurde Johann Riesterer ins Krankenrevier des Stammlagers Mauthausen eingeliefert. Zwei Tage später, am 17. Januar, starb er im Sanitätslager. Das Totenbuch, in dem in der Regel fiktive Todesursachen eingetragen wurden, vermerkt als Todesursache akuten Dickdarmkatarrh und Kreislaufschwäche.
Nach Kriegsende galt Riesterer offenbar lange als verschollen. Noch im Februar 1961 fragte das Amtsgericht Schöneberg Berlin beim Internationalen Suchdienst Arolsen an, ob dort etwas über Riesterers Schicksal bekannt sei, zwei Monate später wurde von derselben Stelle an die Nachreichung der Sterbeurkunde erinnert.
Über irgendwelche Bemühungen um Wiedergutmachung seitens Hinterbliebener ist nichts bekannt.
Die Markierung auf der Übersichtskarte verweist auf Vogt (im heutigen Kreis Ravensburg) als letztem Wohnort von Johann Riesterer.
1Die von der Kriminalpolizei als Vorbeugehäftlinge eingewiesenen sogenannten "Berufsverbrecher" (BV) wurden in den Politischen Abteilungen der KZ oft unter dem Titel "polizeiliche Sicherungsverwahrung (PSV)" kategorisiert. Die "PSV" ist nicht zu verwechseln mit der von Gerichten angeordneten Sicherungsverwahrung, bei der die Gefangenen in der Obhut der Justiz blieben - bis auch sie Ende 1942 nach einer Vereinbarung mit Heinrich Himmler en bloc an die SS und damit in die Konzentrationslager ausgeliefert wurden.
Quellen und Literatur
ITS Digital Archive, Arolsen Archives
1.1.26.3 Individuelle Häftlingsunterlagen Männer KL Mauthausen, Johann Riesterer
1.1.6.2. Individuelle Häftlingsunterlagen Männer KL Dachau, Johann Riesterer
1.1.6.7 Schreibstubenkarten Dachau/Johann Riesterer
1.1.6.12 Kassenanweisungen Dachau
Korrespondenzakte TD 822962
DocID: 128451758 (Dachau/Transportliste ins KZ Mauthausen)
DocID: 1716659 (Häftlings-PK Johann Riesterer)
Searching Dachau Concentration Camp Records in One Step (https://stevemorse.org/dachau/dachau.html)
Memorial Mauthausen
(https://raumdernamen.mauthausen-memorial.org/)
Ingrid Bauz, Sigrid Brüggemann, Roland Maier (Hg.): Die Geheime Staatspolizei in Württemberg und Hohenzollern, 3. aktualisierte Auflage, Stuttgart 2018, S. 316.
https://www.der-liebe-wegen.org/Johann Riesterer (Biografie von Ralf Bogen/Werner Biggel)
© Text und Recherche:
Sigrid Brüggemann, Stuttgart
Stand: Januar 2023
www.kz-mauthausen-bw.de