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Karl Reutemann (1887 - 1950)

Badischer „Gewitter“-Häftling

23.08.1944 KZ Natzweiler
06.09.1944 Dachau
16.09.1944 KZ Mauthausen
18.10.1944 Entlassung aus dem KZ Mauthausen

Karl Reutemannn wurde am 3. Juni 1887 in Sunthausen (heute ein Stadtteil von Bad Dürrheim) geboren. Er besuchte nach der Volksschule zwei Jahre die Gewerbeschule. Verheiratet war er mit Susanna, geborene Staiger, hatte drei in den Jahren 1909, 1911 und 1912 geborene Kinder und wohnte mit der Familie in Singen (Hohentwiel) in der Gartenstadt 64. Er war von Beruf Arbeiter und bei der Stadt Singen als Messhelfer beschäftigt.

Reutemann gehörte von 1922 bis 1925 als Vertreter der sozialdemokratischen Partei (SPD) dem Bürgerausschuss der Stadt Singen an. Ab November 1926 vertrat er die Kommunistische Partei (KPD) in diesem Gremium bis zum Verbot der KPD 1933. Am 22. Juli 1933 wurde er aus politischen Gründen aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums entlassen und musste bis Mitte 1936 von Arbeitslosenunterstützung leben, bis er wieder vorübergehend bei der Stadt Singen und dann bei der Maschinenfabrik Fahr in Gottmadingen eine Stelle fand.

Am 22. August 1944 wurde er im Rahmen der nach dem Umsturzversuch des 20. Juli 1944 erfolgten reichsweiten Verhaftungsaktion „Aktion Gewitter“ (auch Aktion Gitter und Aktion Himmler genannt) verhaftet. Die Gestapoaktion „Gewitter“ betraf ehemalige Funktionäre und Mandatsträger der Sozialdemokraten, Kommunisten und der Zentrumspartei sowie weiterer Parteien der Weimarer Republik. Am folgenden Tag wurde Karl Reutemann von der Gestapo – Stapoleitstelle Karlsruhe – in das Konzentrationslager Natzweiler im Elsass eingewiesen (Häftlingsnumer 23330 „Pol. R.D.“ - politisch reichsdeutsch). Als das Lager Natzweiler angesichts der näherrückenden Front wenig später aufgelöst wurde, kam er per Sammeltransport vom 4./6. September 1944 in das KZ Dachau (Schutzhäftling Nummer 101574). Bereits am 14./16. September 1944 erfolgte jedoch, ebenfalls per Sammeltransport, die Überstellung in das Konzentrationslager Mauthausen (Häftlingsnummer 98984 „Polit“). Am 18. Oktober 1944 wurde er aus dem KZ Mauthausen entlassen. Neben anderen schweren körperlichen Misshandlungen die er erleiden musste waren ihm auch die vorderen Zähne ausgeschlagen worden.

Seit dem 15. Mai 1945 war er wieder – nun als Angestellter – im Dienst der Stadt Singen.
 
Am 17. Januar 1947 stellte ihm die Badische Landesstelle für die Betreuung der Opfer des Nationalsozialismus einen NS-Opferausweis aus, in dem es hieß: „Inhaber dieses Passes ist in jeder Hinsicht auf Anordnung der Militärbehörde zu bevorzugen. Ihm ist jede Hilfe zu gewähren“. Reutemann war als NS-Opfer in Gruppe II eingestuft.

Karl Reutemann, der seit Dezember 1948 an einem unheilbaren Kehlkopfleiden erkrankt war, starb am 2. Mai 1950 in Singen.

Seine Witwe beantragte Wiedergutmachung zunächst formlos beim Oberbürgermeister der Stadt Singen. Mit den Wiedergutmachungsangelegenheiten war dann das Finanzamt Singen (Hohentwiel) befasst, das sich 1950 vom Internationalen Suchdienst (ITS) eine Inhaftierungsbestätigung zukommen ließ. Der Verstorbene wurde als Opfer des Nationalsozialismus im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes anerkannt, und die Stadt Singen musste wegen der 1933 ausgesprochenen Kündigung für den Verdienstausfall aufkommen. Die Wiedergutmachungsakte wurde am 2. Mai 1960 geschlossen.

Noch im Jahr 1980 erging ein Bericht des ITS an eine (nicht identifizierte) Privatperson.

Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt Gartenstadt in Singen (Hohentwiel), in welcher die Familie Reutemannn wohnte (die alte Adresse existiert nicht mehr).

 

Quellen

ITS Digital Archive, Arolsen Archives
1.1.29.2 Individuelle Unterlagen Natzweiler – Karl Reutemann
1.1.26.3 Individuelle Unterlagen Männer Mauthausen – Karl Reuteman
T/D 1065760

Staatsarchiv Freiburg
C 15/1 Nr. 942 (Wiedergutmachung, Digitalisat)
D 180/2 Nr. 180273 (Spruchkammer)
F 196/1 Nr. 3953 (Wiedergutmachung)

     

    © Recherche und Text:
    Roland Maier, Stuttgart
    Stand: Oktober 2023
    www.kz-mauthausen-bw.de