Wilhelm Kempter (1897 - 1982)
Badischer "Gewitter"-Häftling
23.08.1944 KZ Natzweiler
06.09.1944 KZ Dachau
16.09.1944 KZ Mauthausen
26.10.1944 Entlassung aus KZ Mauthausen
Wilhelm (Willi) Kempter (auch: Kaempter, Kemper) wurde am 26. September 1897 im südbadischen Stockach als Sohn des Maurers Ferdinand Kempter (1872-1962) und Maria, geborene Strübe (1871-1947), geboren. Er besuchte acht Jahre die Volksschule und war von Beruf Korbmacher. Es finden sich aber auch die Berufsangaben Metallarbeiter und Hotelier. In Stockach war er zumindest zeitweilig bei der Stadt als Arbeiter beschäftigt. 1918 wurde Kempter zu einer dreimonatigen Bewährungsstrafe wegen Diebstahls verurteilt. Am 16. Januar 1920 ehelichte er Sofie, geborene Gut (1894-1976). Das Paar hatte zwei 1920 und 1924 geborene Söhne. Kempter wohnte in Stockach an verschiedenen Adressen in der Kaufhausstraße; genannt werden die Hausnummern 39 und 158. Auch lebte er zeitweilig im Haus Nummer 10, das seinem Vater gehörte. Danach lautete seine Adresse Adolf-Hitler-Straße 54 (heute: Goethestraße) in Stockach. Über seine vermutlich antinazistische politische Einstellung ist nichts Näheres bekannt. Aktenkundig ist lediglich, dass er Ende Mai 1931 aus der evangelischen Kirche ausgetreten und bereits am 10. März 1935 wieder eingetreten ist. Möglicherweise bestanden Beziehungen zur Kommunistischen Partei (KPD). Wilhelm Kempters Schwester Elise (1903-1984) war verheiratet mit Walter Mischkowski (1902-1944), bei dem es sich wahrscheinlich um einen Bruder des Kommunisten Paul Mischkowski handelte.
Wilhelm Kempters jüngerer Sohn geriet wegen sozial unerwünschten Verhaltens ins Visier der NS-Autoritäten. Am 25. Januar 1940 bat der Landrat des Landkreises Stockach den Bürgermeister von Stockach um eine Stellungnahme hinsichtlich einer Fürsorgeerziehung. Der als Hilfsarbeiter tätige und in der Kaufhausstraße 10 wohnhafte Sohn soll mehrfach, auch unter Ausnutzung der Dunkelheit, gestohlen haben und andere zum Diebstahl verleitet haben, weshalb das Fürsorgeerziehungsverfahren eingeleitet wurde. Der Sohn kam in das badische Erziehungsheim Schloss Flehingen im Kraichgau, bis er im Sommer 1942 zum Reichsarbeitsdienst (RAD) und ab Oktober 1942 zum Wehrdienst herangezogen wurde. Ob die Vorgänge um seinen Sohn mit zu Wilhelm Kempters Verfolgung 1944 beitrugen, ist nicht geklärt.
Am 22. August 1944 wurde Wilhelm Kempter im Rahmen der nach dem Umsturzversuch des 20. Juli 1944 erfolgten reichsweiten Verhaftungsaktion „Aktion Gewitter“ (auch Aktion Gitter und Aktion Himmler genannt) in Konstanz verhaftet und ins Landgerichtsgefängnis Konstanz gebracht. Die Gestapoaktion „Gewitter“ betraf ehemalige Funktionäre und Mandatsträger der Sozialdemokraten, Kommunisten und der Zentrumspartei sowie weiterer Parteien der Weimarer Republik. Am Morgen nach seiner Verhaftung wurde Kempter von der Gestapo im Gefängnis abgeholt und von der Stapoleitstelle Karlsruhe in das Konzentrationslager Natzweiler im Elsass eingewiesen (Häftlingsnummer 23317, Kategorie „Pol. R.D.“). Als das Lager Natzweiler wenig später wegen der heranrückenden Front aufgelöst wurde, kam er per Sammeltransport vom 4./6. September 1944 in das KZ Dachau (Schutzhäftling Nummer 101793). Bereits am 14./16. September 1944 erfolgte jedoch, ebenfalls per Sammeltransport, die Überstellung in das Konzentrationslager Mauthausen (Häftlingsnummer 98361 „Polit“). Im KZ-Komplex Mauthausen wurde er als Metallarbeiter eingesetzt. Am 26. Oktober 1944 wurde er aus dem KZ Mauthausen entlassen.
Laut einem Verzeichnis vom August 1945 von zehn in Stockach wohnhaften Personen, die vor der Befreiung aus politischen Gründen in einem Konzentrationslager inhaftiert waren, wohnte Wilhelm Kempter damals in der Eisenbahnstraße 56. Er engagierte sich lokalpolitisch. Auf einer Liste vom 18. September 1945 wurde er als einer von 13 Mitgliedern des Antinazi-Comité Stockach geführt. Wilhelm Kempter starb am 13. Juli 1982 in Stockach.
Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt Wilhelm Kempters Wohnsitz entsprechend der Angabe auf seiner KZ-Häftlingskarte: Goethestraße 54 in Stockach im Kreis Konstanz. Ab 1964 wohnte er in der Albert-Schweitzer-Straße 2 und ab 1976 in der Pestalozzistraße 1 in Stockach.
Quellen und Literatur
ITS Digital Archive, Arolsen Archives
DocID: 12058863 (Namenverzeichnis des Landgerichtsgefängnisses Konstanz)
DocID: 128452118
DocID: 10671982 (Wilhelm KAEMPTER)
1.1.29.2 Individuelle Unterlagen Natzweiler – Wilhelm Kaempter
1.1.26.3 Individuelle Unterlagen Männer Mauthausen – Wilhelm Kaempter
T/D 792230
Staatsarchiv Freiburg
D 180/2 Nr. 41150 (Spruchkammer)
Stadtarchiv Stockach
Auskunft v. 16.3. u. 23.3.2023 mit besonderem Dank an Herrn Dominik Rimmele
A2, XIII. 1/40 (Verzeichnis polit. KZ-Häftlinge Stockach)
Searching Dachau Concentration Camp Records in One Step (https://stevemorse.org/dachau/dachau.html)
Hartmut Rathke: Der 20. Juli 1944 und die Stockacher Opposition gegen den Nationalsozialismus (https://www.hegau-geschichtsverein.de/wp-content/uploads/hegau_53_1996_rathke_20._juli_1944_stockacher_opposition_gegen_nationalsozialismus.pdf)
Hartmut Rathke: Stockach im Zeitalter der Weltkriege. Konstanz 2004, S. 296, 328.
© Recherche und Text:
Roland Maier, Stuttgart
Stand: März 2023
www.kz-mauthausen-bw.de