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Grusswort Guy Dockendorf

Präsident des Comité International de Mauthausen

Im Geleitwort zum Gedenkbuch für die Toten des KZ Mauthausen und seiner Außenlager schreibt Andreas Kranebitter:

"Von den mindestens 184.000 Deportierten des KZ Mauthausen sind mindestens 90.000 zwischen August 1938 und Juni 1945 im KZ Mauthausen ermordet worden oder an den Folgen ihrer Haft verstorben. Die genaue Zahl wird, wie auch die Namen aller Toten, niemals bekannt sein - Tausende Deportierte starben einen namenlosen Tod."1

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Klagemauer
Gedenkstätte Mauthausen, Klagemauer. Foto: Andreas Drechsler

Das Mauthausen Komitee Stuttgart e.V. präsentiert auf seiner neuen Webseite mehr als 1.200 Häftlinge, die aus dem Gebiet des heutigen Baden-Württemberg in den Jahren 1938 bis 1945 ins KZ Mauthausen oder in eines der zahlreichen Außenlager deportiert worden waren. Ihnen sei unser Dank für ihr Engagement, gepaart mit viel Kompetenz und Forschungsgeist ausgesprochen.
Allein die Nennung der Namen aller bislang bekannten Opfer, unabhängig von den Gründen ihrer Verschleppung ins Konzentrationslager, ist ein bedeutender Beitrag gegen das Vergessen. Unter ihnen sind viele, deren Verfolgung bislang noch von niemandem und an keiner Stelle Erwähnung fand und die auch nicht dafür entschädigt wurden. In den zahlreichen lesenswerten Kurzbiografien wird die Geschichte von ebenso zahlreichen sehr verschiedenen Schicksalen erzählt. Das Subjekt, der Mensch, nimmt Konturen an und er wird zu einem festen Teil der öffentlichen Wahrnehmung.

Das Comité International de Mauthausen (CIM) wurde vor 70 Jahren, am 9. Mai 1953, in Sankt-Pölten/Österreich als Nachfolger des Widerstandskomitees gegründet, in dem sich im KZ Häftlinge aus vielen Ländern gemeinsam organisiert haben. Wir, die Nachgeborenen der 2. und 3. Generation, führen die Aufgabe des Vermittelns weiter. Die Herausforderung für das CIM besteht auch heute noch darin, der Botschaft des Mauthausen-Schwurs treu zu bleiben, die von den Überlebenden des Lagers bis zu ihrem Tod weitergetragen wurde. Das CIM ist eine von Regierungen unabhängige Organisation. Seine Mitglieder engagieren sich in der Erinnerung an die Naziverbrechen, sie verteidigen die Menschenrechte und betonen die Gleichheit aller Völker. Diejenigen, die in den Jahren des Krieges Widerstand geleistet haben, sind für uns immer noch ein Beispiel, das uns weiter inspirieren sollte!

Mauthausen war ein internationales Konzentrationslager, wo ganz Europa – gegen seinen Willen – zusammengetroffen ist, und wo gerade die Sprachen- und Kulturenvielfalt eine Bereicherung für die Gefangenen war, die sich alle, auf ihre Art und Weise, für ein neues, friedfertigeres und solidarisches Europa eingesetzt haben.

War die Internationalität im Lager eher noch als Konzept gedacht und konnte im Repressionssystem Konzentrationslager nicht in vollem Umfang mit Leben erfüllt werden, so ist diese Internationalität heute eines der Grundprinzipien des CIM. Vielleicht wird das am besten mit den Worten eines früheren Häftlings ausgedrückt, Pierre Daix, der in seinem „Bréviaire pour Mauthausen“ beschreibt, wie er in Mauthausen Europa entdeckt hat:

"Ich bin Europa in Mauthausen begegnet. Ein Europa des Widerstands gegen Hitler, ein illegales Europa, das sich oft auf Flüstern oder Zeichensprache reduzierte. Aber ein Europa, das umso solidarischer war, als wir alle tagtäglich die gleiche Angst teilten, einen Fehler zu begehen oder entlarvt zu werden. Was nicht nur den Tod bedeutet hätte, sondern auch Folterung. Da wir so im Verborgenen zusammenarbeiteten mit den Spaniern, den Tschechen, den Belgiern, den Deutschen, den Österreichern, am Ende mit einem Italiener, da wir uns an den Polen stießen, und dann aber mit ihnen zusammen die Tragödie, die sie erlebten, durchgingen, da wurde mir etwas bewusst, ohne dass ich es am Anfang verstanden hätte, [hier war] ein Europa der Solidarität."

1 Kranebitter, Andreas (Hg): Gedenkbuch für die Toten des KZ Mauthausen und seiner Außenlager, Band I, Wien 1996, S. 20.

Diekirch (Luxemburg), im Oktober 2023