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Walter Vielhauer (1909 - 1986)

Ein Kommunist, der „nie vom Glauben abgewichen“ ist

02.03.1933 – 01.07.1933 Schutzhaft
25.10.1933 Verhaftung
23.07.1934 Zuchthaus Ludwigsburg
16.08.1939 KZ Dachau
29.09.1939 KZ Mauthausen
18.02.1940 KZ Dachau
19.07.1944 KZ Buchenwald

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Vielhauer, Walter VVNA
Walter Vielhauer, VVN-Archiv Stuttgart

Walter Vielhauer wurde am 1. April 1909 in Reutlingen geboren. Die Eltern, die beide aus bäuerlichen Verhältnissen stammten, waren der Wagnermeister Jakob Vielhauer (gest. 1939) und seine als Hausfrau tätige Ehefrau Anna, geborene Hollmüller. Walter hatte sieben Geschwister, wovon eines bereits im Kleinkindalter verstarb. 1914 zog die Familie nach Heilbronn, wo Walter die Volks- und Mittelschule besuchte und im Anschluss den Beruf des Silberschmieds bei der Firma Bruckmann & Söhne AG in Heilbronn erlernte. Danach arbeitete er bei dieser Firma noch mehrere Jahre als Silberschmied, bis er im Winter 1932 wegen „Personaleinschränkung“ entlassen wurde. Danach war er arbeitslos.

Vielhauer, der als Silberschmied im Deutschen Metallarbeiterverband organisiert war, trat, nachdem er schon vorher mit der kommunistischen Bewegung sympathisiert hatte, im November 1931 der KPD als Mitglied bei und betätigte sich in der Folgezeit innerhalb des kommunistischen Jugendverbands Deutschlands (KJVD) als Funktionär. Im Winter 1932/33 besuchte er einen Kurs der marxistischen Arbeiterschule im Rosa-Luxemburgheim in Berlin und übernahm daraufhin in Heilbronn mehrmals Referate in kommunistischen Jugendversammlungen. Da er durch diese Betätigung der Polizei bekannt geworden war, wurde er nach der nationalsozialistischen Machtübernahme am 2. März 1933 in Schutzhaft genommen. Über das Heilbronner Polizeigefängnis in der Wilhelmstraße 4 kam er Ende März in das Schutzhaftlager auf dem Heuberg bei Stetten am kalten Markt und nach zwei Wochen in das Garnisonsarresthaus in Ulm. Anfang Juli 1933 wurde er krankheitshalber entlassen und nahm in Heilbronn wieder den Kontakt zu seinen kommunistischen Freunden auf.

Da Ende Juli 1933 das deutsche Turnfest in Stuttgart bevorstand, beauftragte er den ihm bekannten Arbeiter Willi Knoll, ein Flugblatt herzustellen und es in Heilbronn und Umgebung verbreiten zu lassen, wozu es anscheinend aber nicht kam. Es gelang aber, Parolen wie "Hinweg mit dem Faschismus! Für ein Sowjetdeutschland! RFB [Roter Frontkämpferbund, Wehrverband der KPD]" zu malen, die von Reisenden der nach Stuttgart auf das Turnfest fahrenden Züge zu sehen waren. Und er sorgte auch für die Einbringung von Geldbeiträgen für die illegale KPD.

Vielhauer sollte eigentlich vor dem Turnfest erneut in Schutzhaft genommen werden. Er verstand es aber, den Polizeibeamten, der ihn festnehmen sollte, zu täuschen und mit seinem Fahrrad in die Bodenseegegend zu fliehen. Nach einiger Zeit wohnte er unangemeldet in Stuttgart und kontaktierte kommunistische Genossen. Von seiner Partei erhielt er die Aufgabe, die Verbindung zwischen den Funktionären der illegalen KPD herzustellen und aufrecht zu erhalten. Er beteiligte sich an der Verteilung kommunistischer Druckschriften, die kofferweise aus der Schweiz ins Land geschmuggelt wurden. Zu diesem Zweck stand er in klandestiner Beziehung zu Willi Dollmaier, in dessen Stuttgarter Wohnung er am 25. Oktober 1933 verhaftet wurde.

Am 19. Juli 1934 verurteilte das Oberlandesgericht Stuttgart ihn und drei weitere Angeklagte, darunter Willi Dollmaier, wegen Vorbereitung zum Hochverrat. Das Strafmaß für Vielhauer betrug fünf Jahre und sechs Monate Zuchthaus, wobei ein halbes Jahr Untersuchungshaft angerechnet wurde.

Nachdem er am 19. Juli 1939 seine Justizstrafe im Zuchthaus Ludwigsburg abgesessen hatte, wurde er von der Gestapo in Schutzhaft genommen. Über das Stuttgarter Polizeigefängnis in der Büchsenstraße und das Gestapogefängnis Welzheim kam er nach Eintreffen des Schutzhaftbefehls aus Berlin am 16. August 1939 in das Konzentrationslager Dachau und erhielt die Häftlingsnummer 34.866 mit der Kategeorie „Sch 2xKL“ (Schutzhäftling zum 2. Mal im Konzentrationslager).

Im Zusammenhang mit der temporären Umnutzung des Lagers Dachau für Ausbildungszwecke der SS wurden am 27./29. September 1939 1.600 Häftlinge aus Dachau in das Konzentrationslager Mauthausen verlegt – unter ihnen auch Walter Vielhauer. Im KZ Mauthausen verlor er nach eigenen Angaben im Winter 1939/40 infolge von Misshandlungen durch Funktionshäftlinge, die als „BV“ (Berufsverbrecher) kategorisiert waren, auf der rechten Seite fast alle Zähne. Viele politische Häftlinge, die damals von Dachau nach Mauthausen überstellt worden waren, klagten über Übergriffe von in Mauthausen bereits etablierten Funktionshäftlingen, mit denen es zu Machtkämpfen gekommen war. Vielhauer schrieb später (1960) in seinem Wiedergutmachungsverfahren, dass er in Mauthausen schließlich durch Hunger so geschwächt gewesen sei, dass „ich nur noch auf allen Vieren auf dem Boden kriechen konnte und deshalb in einen sogenannten Sterbeblock verlegt wurde. Nur mit äußerster Willensanstrengung konnte ich damals aus einem Haufen sterbender Häftlinge herauskriechen und dem Tode entkommen“.

Am 18. Februar 1940 kam er zurück in das KZ Dachau und erhielt die neue Häftlingsnummer 240. Zunächst als Schmied im Baulager eingesetzt, fungierte er ab Oktober 1942 als Zeichner in der von der SS betriebenen Porzellanmanufaktur Allach. Vom 6. bis 9. Juli 1944 wurde er in Kommandantur-Arrest genommen.

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Vielhauer, Walter Entlassungsverfügung
Entlassungsverfügung der Militärregierung vom 7.5.1945. Arolsen Archives Doc. 7344173

Zusammen mit sieben weiteren Häftlingen, darunter dem kommunistischen Funktionär Karl Wagner (1909-1983), wurde er am 18./19. Juli 1944 in das KZ Buchenwald versetzt (Häftling Nummer 39.282). Dort wurde er, wie auch Karl Wagner, in Block 17 untergebracht (später Block 40). Schließlich soll er Kapo der Effektenkammer geworden sein und an der Rettung des jüdischen „Buchenwaldkinds“ Stefan Jerzy Zweig mitgewirkt haben. Vielhauer beteiligte sich am Aufbau einer Untergrundorganisation zur Befreiung des Lagers, die dann am 11. April 1945 gelang. Am 7. Mai 1945 wurde er formell aus Buchenwald entlasssen.

Er kehrte nach Heilbronn zurück und heiratete die aus einer Stuttgarter Kommunistenfamilie stammende Helene Stegmaier. Aus der Ehe ging 1946 ein Sohn hervor. Die Familie wohnte in der Nachkriegszeit (1960) in Heilbronn in der Mainhardterstraße 3. Auch nach der Befreiung führte Vielhauer seine politische Tätigkeit fort. Ab Juni 1945 war er in der Heilbronner Stadtverwaltung zuständig für Wohnungswirtschaft und andere soziale Fragen. Er fungierte auch zeitweilig als Ankläger bei der Spruchkammer und war 1947 Mitbegründer der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN). 1948 wurde er für die KPD in den Gemeinderat gewählt und blieb über das KPD-Verbot von 1956 hinaus bis 1958 Gemeinderatsmitglied. 1968 war er Mitbegründer der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP). Sein Sohn nannte Walter Vielhauer postum einen Kommunisten, der „nie vom Glauben abgewichen ist“.

Bereits im Jahr 1948 hatte Vielhauer als politisch Verfolgter Wiedergutmachung bei der Betreuungsstelle für politisch, rassisch und religiös Verfolgte in Heilbronn beantragt. Es ging um Entschädigung für Schaden an Freiheit durch insgesamt 11 Jahre und 10 Monate Haft, um Schäden an Körper und Gesundheit sowie um Schäden im wirtschaftlichen Fortkommen aufgrund seines Verlusts des Arbeitsplatzes 1933. Zwischzeitlich erhielt Vielhauer in der Zeit von 1947 bis 1949 Beihilfen wegen seiner aktuellen Notlage und zur Erstattung von Maßnahmen zu seiner gesundheitlichen Genesung. In der Zeit des Kalten Krieges stand seine Wiedergutmachungssache wegen seiner politischen Arbeit zur Disposition. Im Dezember 1961 jedoch beschied das Baden-Württembergische Justizministerium: „Die angestellten Ermittlungen haben ergeben, dass der Antragsteller sich bis zum Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 17.8.1956, durch welches die KPD verboten wurde, für diese Partei betätigt hat. Dagegen hat sich nicht nachweisen lassen, dass er bei dieser Betätigung gegen die allgemeinen Strafgesetze verstoßen oder dass er die Betätigung auch nach dem genannten Urteil fortgesetzt hätte. Gemäß dem Urteil des BVGs vom 27.6.1961 ist Vielhauer somit nicht nach § 6 Abs. 1 Nr.2 BEG [Bundesentschädigungsgesetz] von der Entschädigung ausgeschlossen.“ 1962 wurde der Wiedergutmachungsantrag schließlich endgültig beschieden. Vielhauer erhielt eine Kapitalentschädigung für 144 Monate Haft in Höhe von 21.500 DM, eine Erstattung von Verdienstausfällen in Höhe von 7.837 DM sowie eine Entschädigung für gesundheitliche Beeinträchtigungen in Höhe von 12.007 DM. Darüber hinaus wurde ihm eine monatliche Rente von rund 200 DM zugestanden.

Am 14. September 1984 meldete die Heilbronner Stimme, Vielhauer sei für seinen Einsatz für den jüdischstämmigen Buchenwald-Mithäftling Kurt Baum (1909-1945) von der Kommission für die Holcaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Israel in das "Buch der Gerechten unter den Völkern" aufgenommen worden. Vielhauers Name taucht dort jedoch nicht auf und auch die weitere Angabe bleibt ohne Beleg.

Walter Vielhauer starb nach kurzer Erkrankung am 19. April 1986 in seinem Haus in Heilbronn.

Die Markierung auf der Übersichtskarte zeigt die von Walter Vielhauer während seiner Haftzeit angegebene Heimatadresse, wo auch seine Mutter wohnte: Dammstraße 31 in Heilbronn. Daneben hatte er als Wohnort auch Talheim (Landkreis Heilbronn) angegeben.


Quellen und Literatur

ITS Digital Archive, Arolsen Archives
1.1.6.1 Listenmaterial Dachau / Zugangsbücher des Konzentrationslagers Dachau
1.1.5.3 Individuelle Unterlagen Männer Buchenwald / Walter Vielhauer
DocID: 7344169; 7344173 (Walter Vielhauer)
DocID: 10774321 (Walter Vielhauer)
Korrespondenzakte TD 253787

Bundesarchiv
R 3003/2142
R 3018/472
R 3018/7270

Staatsarchiv Ludwigsburg
E 356 d V Bü 457
EL 350 I Bü 2409

Ursula Krause-Schmitt u.a. (Red.): Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945, Baden-Württemberg I. Frankfurt/M. 1991, S. 197.

Lagergemeinschaft Buchenwald Dora (Hg.): Buchenwald. Ein Konzentrationslager. Bericht der ehemaligen KZ Häftlinge Emil Carlebach, Paul Grünewald, Helmut Röder, Willy Schmidt, Walter Vielhauer, Frankfurt/M. 1984.

Brigitte Fritz-Kador: Späte Ehre für den Kommunisten Walter Vielhauer, Stuttgarter Zeitung v. 11.4.2019.

Volger Kucher: Walter Vielhauer zum 30. Todestag. Ein Leben im Widerstand. in: Antifa-Nachrichten, Mai 2016, S. 14 f.

Nastasja Pilz: Lässt sich Leid mit Geld aufwiegen? Die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts am Beispiel von Walter Vielhauer. In: Archivnachrichten. Landesarchiv Baden-Württemberg. Nr. 64, März 2022, S. 38.

Wikipedia-Personenartikel: Walter Vielhauer

Konrad Wanner: Walter Vielhauer, Gewerkschafter und Widerstandskämpfer in Heilbronn. 2019 (DGB-Broschüre).

Heilbronner Stimme 14.9.1984: Ehrung im "Buch der Gerechten",

Zu Kurt Baum: https://wiki.hv-her-wan.de/Kurt_Baum

Film: „Dachau, Mauthausen, Buchenwald und zurück“ (1986)

 

© Text und Recherche:
Roland Maier, Stuttgart
Stand: Januar 2025
www.kz-mauthausen-bw.de